Zwanzig Jahre nach »Identität und Verständigung« legt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) erneut eine Denkschrift zum Religionsunterricht vor. Nach der deut- schen Wiedervereinigung stand die Kirche vor der großen Aufgabe, die Perspektiven des in den alten Bundesländern etablierten Religionsunterrichts auch für die neuen Bundes- länder zu verdeutlichen und ihn im Rahmen der kirchlichen Mitwirkungsrechte entsprechend einzuführen. Das ist mittlerweile in überzeugender Weise gelungen und stellt zugleich eine wichtige demokratische Aufbauleistung dar. »Identität und Verständigung« war weit mehr als eine Schrift zum Religionsunterricht im engeren Sinn. Letztlich ging es ihr um das friedliche Miteinander von Menschen unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen in einem freiheitlichen demokratischen Staat. Früh verwies sie damit auf Entwicklungen und tiefgreifende gesellschaftliche Kontroversen, die sich in den folgenden Jahrzehnten immer wieder am Thema »Schule und Religion« festmachten und in politischen und juristischen Auseinandersetzungen bis hin zum Bundestag und zum Bundesverfassungsgericht niedergeschlagen haben.
Damit war und ist die eigentliche Herausforderung der Kirche im Blick auf ihre Bildungsverantwortung und ihr pädagogisches Handeln die religiöse und weltanschauliche Pluralität, die gerade auch in der Schule in den letzten zwanzig Jahren erheblich zugenommen hat. In der Grundschule haben – wie jetzt schon in den Kindertagesstätten – bald ein Drittel der Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund; der Anteil von muslimischen Schülerinnen und Schülern steigt kontinuierlich. In dieser Situation hat die Schule die Aufgabe, sowohl die je eigene Identität wie das Gemeinsame inmitten des Differenten zu stärken. Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, in einer pluralen Gesellschaft in gegenseitigem Respekt und friedlich zusammenzuleben. Dazu kann der Religionsunterricht einen entscheidenden Beitrag leisten.