„Können wir an Bord kommen?“
Der so fragt, braucht eigentlich nicht zu fragen. Er ist Kontrolleur für Hochseefischerei. Er geht an Bord des Fischkutters und überprüft den Fang. Und er hat ein Messgerät dabei. Damit misst er die exakte Größe der Maschen im Netz, und zwar auf den Millimeter genau. Die Maschen müssen nämlich eine gesetzlich festgelegte Mindestgröße haben, damit sich nicht zu viele kleine nachwaschsende Fische im Netz verfangen. Sonst sind die Fischbestände im Meer von Überfischung bedroht.
Ich habe diese Szene aus einer Fernsehdokumentation über Fischfang in der Nordsee noch genau vor Augen. Und ich stelle mir einen alten wettergegerbten Fischer vor. Sein Leben lang hat er mit einer Maschengröße von 20 cm mit seinem Netz gefischt. In über vierzig Berufsjahren war nie ein kleiner Fisch im Netz. Immer waren seine gefangenen Fische größer als 20 cm. Mal angenommen, dieser Fischer würde sich hinstellen und steif und fest behaupten: „Es gibt keine Fische, die kleiner sind als 20 cm.“ Ich glaube, ich müsste lachen. Klar – er ist ein alter Seebär mit vierzig Jahren Berufserfahrung und ich bin eine ahnungslose Landratte. Trotzdem bliebe ich bei meiner Überzeugung, dass dieser alte Mann seine Methode des Fischfangs schlicht überschätzt.
Was bei der Frage, ob es kleine Fische gibt, lächerlich klingt, bekommt bei der Frage, ob es Gott gibt, plötzlich eine ernsthafte Wendung.
Wenn ich wissen will, ob es Gott überhaupt gibt, und mit einem Netz nach ihm suche, das eine Maschengröße von 20 cm hat, dann werde ich Gott niemals finden, falls Gott kleiner als 20 cm sein sollte. Und ich frage mich, wie klein oder groß müssen die Maschen denn sein, wenn ich Gott in meinem Netz finden will? Dazu müsste ich vorher wissen, wie „groß“ Gott tatsächlich ist, damit ich mein Such-Instrument angemessen einstellen kann. Und auch dann ist noch lange nicht gesagt, dass er mir ins Netz geht. Denn das ist ja gerade die Kunst beim Fischen.
Und wer sagt eigentlich, dass ein Fischnetz ein geeignetes Instrument ist, um Gott zu beweisen? Ich müsste vorher wissen „wie“ Gott ist, um zu entscheiden, ob ich ein Thermometer oder eine Waage oder ein Maßband oder einen Geigerzähler benötige. Es ist offensichtlich, dass es kein Instrument für einen überzeugenden Gottesbeweis gibt.
Ich kann also nicht beweisen, dass es Gott gibt. Aber ich kann auch nicht beweisen, dass es Gott nicht gibt.
Am Ende bleibt nur eine Beweismöglichkeit übrig, nämlich meine persönliche Erfahrung. Der Fischer sieht den Fisch, ohne ihn zu fangen. Das bedeutet: Gott zeigt sich dem Gottsucher – mehr nicht, aber auch nicht weniger. Wir müssen sehr genau hinschauen. Und hinhören. Deshalb schreibt Paulus in Römer 1,20: „Gott, der Unsichtbare, hat die Welt geschaffen, und wenn man vernünftig nachdenkt, kann man von der Schöpfung, die man sieht, auf den Schöpfer, den man nicht sieht, schließen.“
Wir müssen unsere Augen und Ohren aufmachen. Jörg Zink beschreibt in seinem Lied „Dich rühmt der Morgen“, was wir dann hören und sehen könnten:
Dich rühmt der Morgen; leise, verborgen singt die Schöpfung dir, Gott, ihr Lied.
Es will erklingen in allen Dingen und in allem, was heut geschieht.
Du füllst mit Freude der Erde Weite, gehst zum Geleite an unsrer Seite,
bist wie der Tau um uns, wie Luft und Wind.
Matthias Hülsmann
Für alle, die mehr wissen wollen: Matthias Hülsmann, Warum kann man Gott nicht beweisen?