Reli to go 35: Hat Gott die Welt in sieben Tagen erschaffen?

Ich glaube nicht. Aus verschiedenen Gründen. Am Anfang wird erzählt, dass Gott zuerst die Tiere erschafft und anschließend den Mann. Und gleich darauf wird erzählt, dass Gott zuerst den Mann erschafft und anschließend die Tiere. Für mich ist das ein Widerspruch.

Außerdem wird erzählt, dass Gott zwar am ersten Tag das Licht erschafft, aber Sonne, Mond und Sterne werden erst am vierten Tag erschaffen. Die Tage werden aber erst durch Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zählbar. Da kann etwas nicht stimmen.

Und dann wird erzählt, dass Gott einfach nur sagt: „Es werde Licht!“ Und so geschieht es. Gott spricht nur ein Wort, und schon wird unsere ganze Welt Wirklichkeit; völlig mühelos und ohne nennenswerten Kalorienverbrauch. Anschließend wird erzählt, was für eine schweißtreibende Arbeit es für Gott war, den Menschen zu erschaffen. Wie ein Töpfer formt Gott rund siebzig Kilogramm Erde vom Acker. Wie ein Rettungssanitäter bei der Mund-zu-Mund-Beatmung haucht er der Skulptur Atem ein. Wie ein Narkose-Arzt versetzt Gott den Menschen in einen tiefen Schlaf, um ihm wie ein Chirurg schmerzfrei eine Rippe zur weiteren künstlerischen Bearbeitung entnehmen zu können. Das klingt für mich nicht stimmig. Aus diesem Grunde gehe ich davon aus, dass es sich um zwei unterschiedliche Schöpfungserzählungen handelt.

Wenn es um die Frage geht, wie die Welt entstanden ist, dann halte ich mich lieber an die Naturwissenschaften mit ihren riesigen Entwicklungszeiträumen und ihren Hypothesen zu Urknall und Evolution. Ich habe keine Lust, mit dem Rücken zur Wand und mit der Bibel in der Hand die Schöpfungserzählungen gegen naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu verteidigen, wenn es um die Entstehung des Universums geht. Die Naturwissenschaften stellen eine Hypothese auf und suchen nach einem Fehler, der diese Hypothese widerlegt. Auf diese sich selbst korrigierende Weise kommen sie der Wahrheit mit jedem aufgedeckten Irrtum einen Schritt näher.

Den Verfassern der Schöpfungserzählungen ging es um etwas anderes. Sie wollten von dem guten Anfang der Welt erzählen und von dem Gott, der für seine Geschöpfe sorgt und ihnen einen Sinn gibt. Deshalb hatten die jüdischen Gelehrten auch die Größe, die ältere Schöpfungserzählung mit Gott als Töpfer und Chirurg nicht einfach zu zerreißen, sondern sie in der jüdischen Bibel aufzuheben und die neuere Schöpfungserzählung mit den sieben Tagen einfach daneben zu stellen. Ich finde das genial!

Die damaligen Theologen machen damit deutlich, dass jede Zeit ihre eigene Schöpfungserzählung braucht. Ich glaube, es ist für uns an der Zeit, eine aktualisierte Schöpfungserzählung zu formulieren, in der auch Quarks und Quanten, Chromosomen und Mutationen vorkommen. Die biblischen Schöpfungserzählungen mögen auf uns heute – aus naturwissenschaftlicher Sicht – veraltet wirken, aber in fünfhundert Jahren werden die Menschen unsere heutige Schöpfungserzählung vermutlich auch milde belächeln. Und dann wird es vielleicht wieder an der Zeit sein, eine zeitgemäße Geschichte von Gottes guter Schöpfung und seiner Fürsorge für seine Geschöpfe zu erzählen.

Matthias Hülsmann

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