Viele Tiere sind schneller oder stärker, vor allem zäher, hellhöriger, familientauglicher als Menschen. Woher stammt dann diese Idee und die Rede davon, der Mensch sei die „Krone der Schöpfung“?
Die Bibel redet davon nicht. Dort stehen in den Schöpfungserzählungen etwas andere Schlüsselsätze (Gen 1,26–30): „Und Gott segnete sie (Mann und Frau) und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“
Nicht „Krone der Schöpfung“ steht da, wohl aber „machet sie euch untertan und herrschet“. Was mit „herrschen“ gemeint ist, zeigt der Blick in die Zeit, in der diese Texte entstanden sind. Das Idealbild eines altorientalischen Herrschers war, dass er gerecht, fürsorglich und gut zu seinen Untertanen ist und sich um ihr Wohlergehen sorgt. Er trägt damit viel Verantwortung, weil er auch viel Macht auf sich vereint.
In Bezug auf „Krone der Schöpfung oder Rädchen im Getriebe“ aber heißt das: Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung, aber er hat als denkendes Wesen mit einem Gewissen Verantwortung dafür zu tragen, dass gut mit der Schöpfung umgegangen wird. Und dass wir Menschen keine kleinen Rädchen sind, sondern spielentscheidend für den Weitergang des Lebens auf unserem Planeten Erde, wird kaum jemand ernsthaft bestreiten können.
Schön, dass es noch einen zweiten Text gibt gleich zu Beginn der Bibel. Auch er steht im ersten Buch Mose (Gen 2,4b–25), ist älter (ab dem Jahr 1000 vor Christus wird er wohl entstanden sein, vielleicht ist er sogar noch älter) und spricht von Gott als Gärtner: Er pflanzte einen Garten mit vielen Bäumen und setzte den Menschen hinein, „dass er ihn bebaute und bewahrte“. Später erschafft hier Gott auch die Tiere, denen der Mensch einen Namen geben soll. Und er schafft dem `aus der Erden Kommenden´ (so die wörtliche Übersetzung), dem `Menschen´, ein Gegenüber, so dass es Mann und Frau werden.
Beide Erzählungen stehen in ein und demselben Kapitel der Bibel. Und das zeigt, wie „herrschen“ sein kann: Kein bisschen gewaltig, sondern hegen und pflegen. Zugewandtheit und Mitleben sind hier wichtig.
Ich kann gar nicht anders, als diese Geschichte(n) so zu verstehen und darin zu sehen: All die Möglichkeiten, die Menschen auch in der Entwicklung von Neuem haben, können wir auch zur „Hege und Pflege“ der Schöpfung einsetzen. Noch ist es dafür nicht zu spät. Dabei ist immer auch zu fragen, was dem Guten dient, was aber nicht, bleibt wichtig.
Wir haben immer noch eine große Aufgabe vor uns als Menschheit!!
Neuere „Schöpfungen“ zeigen das besonders: Der Roboter Paro hat die Form eines Sattelrobbenbabys und wird in der Altenpflege eingesetzt, hauptsächlich in der Therapie demenzkranker Menschen. Mit flauschigen Fell, großen Knopfaugen und langen Wimpern sieht Paro einer echten Babyrobbe täuschend ähnlich. Über Sensoren kann der in Japan entwickelte Roboter Berührungen, Geräusche und Stimmen erkennen – und darauf sogar reagieren. Wird Paro angesprochen, dreht die Plüsch-Robbe ihren Kopf in Richtung des Redners. Wird das Gerät gestreichelt, fängt es an zu fiepen oder behaglich zu brummen. Wo Menschen aufgrund einer Krankheit ganz in sich gekehrt sind und ihnen kaum mehr möglich ist zu kommunizieren, soll durch diesen Roboter die emotionale Ansprechbarkeit wiedergewonnen werden.
Sind also solche Roboter schon „besser“ als Menschen, weil sie etwas erreichen können, was Menschen offenbar besonders schwerfällt? Können sie Emotionen wecken, wo Menschen eher verzweifeln? Oder sind Roboter schlicht ein mögliches Therapiemittel – und man sollte damit das alles nicht zu hoch hängen? Darüber gibt es sicherlich mehr als zwei Meinungen.
Sicher ist aber: Wir wissen, dass die Erde nicht der Mittelpunkt der Welt ist. Wir wissen auch längst, dass wir Menschen der Evolution unterworfen sind, wie alles, was lebt. Doch wir wissen auch, dass sie der einzige Planet ist, auf der Leben überlebt – und dass wir als Menschen die größte Gefahr für das Leben auf der Erde darstellen.
Und: Wir sehen, dass von Menschen Erschaffenes in der Lage ist, dazuzulernen und sogar so etwas wie Emotionen zu zeigen. Künstliche Intelligenz wird dem, was wir Menschen als „besonders an unserer Spezies“ bezeichnen, ähnlicher. „Krone der Schöpfung“ sind wir in meinen Augen auch damit nicht. Aber in besonderer Weise zuständig, zu tun, was in unserer Macht steht, damit die Erde bleibt, Leben in Würde möglich bleibt und die Schöpfung weiterlebt.
Bettina Wittmann-Stasch