Der französische Mathematiker, Physiker und Philosoph Blaise Pascal (1623–1662) galt als wahres Wunderkind im Denken. Er hätte das Zeug gehabt, einer der ganz großen Mathematiker und Physiker seiner Zeit zu werden. Doch sein eigentliches Interesse entwickelte sich hin zur Philosophie, weil für ihn die Frage nach der Existenz des Menschen die wichtigste schien. Ein mythisches Erlebnis schließlich brachte Pascal dazu, ernsthaft über die Dinge des Glaubens nachzudenken. Davon weiß man, weil nach seinem Tode in seinem Rock ein eingenähter Zettel gefunden wurde, auf dem er diese Erfahrung mit den Worten festhält: „Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs, nicht der Philosophen und der Gelehrten. Gewissheit, Gewissheit, Empfinden: Freude, Friede. Der Gott Jesu Christi. (…)“
Anders als sein französischer Kollege René Descartes (1596–1650) kam Pascal zu dem Schluss, dass der Mensch nicht über das Denken zu sich selbst und zur Gewissheit über den Sinn seiner eigenen Existenz gelangen kann, sondern nur über den Glauben. Deshalb änderte er den Satz Descartes‘ „Ich denke, also bin ich“ um in: „Ich glaube, also bin ich.“
Für Blaise Pascal war der Glaube an den einen Gott Jesu Christi ganz klar ein Wagnis. Ein Wagnis deshalb, weil die menschliche Vernunft keinen direkten Beweis der Existenz Gottes erbringen kann und der Mensch insofern auf einer objektiven Ebene immer im Ungewissen darüber bleiben wird, ob dieser eine Gott nun da ist oder nicht. In seiner berühmten Pascalschen Wette macht Pascal jedoch deutlich, dass es dennoch sehr vernünftig und sinnvoll ist, das Wagnis des Glaubens einzugehen. Denn nur auf diesem Weg könne ein Mensch zu der tiefen subjektiven Gewissheit gelangen: Meine Existenz ergibt einen Sinn, also bin ich.
Was aber bedeutet in diesem Sinne Glauben?
Um dieser Frage nachzugehen, machen wir einen Zeitsprung: aus dem 17. Jahrhundert hinein in das 21. Jahrhundert, in das Jahr 2021. Nach 40 Jahren feiert die legendäre schwedische Popgruppe Abba ihr Comeback, u.a. mit dem Lied „I still have faith in you“. Sie singen: „Ich habe immer noch Vertrauen in dich. Durch all die Jahre hindurch lebt dieser Glaube weiter. Irgendwie.“ Es geht in dem Lied um das Vertrauen zu- und ineinander, das nach all den Jahren der Trennung noch Bestand hat. Interessant dabei ist, dass für den Refrain das englische Wort faith gewählt wurde anstatt belief. Faith wird eher in religiösen Kontexten verwendet, während belief in der Regel das umgangssprachliche Glauben meint. Wenn wir das deutsche Wort Glauben im Sinne des englischen belief umgangssprachlich gebrauchen, bringen wir in der Regel zum Ausdruck, dass wir etwas nicht ganz genau wissen, uns also mit einer sachlichen Aussage unsicher sind; z.B.: „Ich glaube, dass morgen die Sonne scheint.“ Auf einer ganz anderen Bedeutungsebene befindet sich das deutsche Wort Glauben im Sinne des englischen faith. Hier geht es um ein tiefes Vertrauen in etwas oder jemanden. Ein Vertrauen, das immer auch ein Wagnis für den*die Glaubenden ist, weil es ohne Beweise auskommen muss. Während es beim umgangssprachlichen Glauben also um sachliche Aussagen geht, die sich früher oder später als richtig oder falsch erweisen werden, geht es beim Glauben im religiösen Sinne um existenzielle Aussagen, die ein tiefes Vertrauen voraussetzen.
Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid von Abba gehen nach 40 Jahren Trennung das Wagnis ein, nach wie vor an sich als Gruppe zu glauben, einander tief zu vertrauen.
Ähnlich ist es mit dem Glauben an den einen Gott. Es ist und bleibt für einen Menschen ein Wagnis, sein Leben diesem Gott anzuvertrauen und sich zu ihm zu bekennen. Doch nur über diesen tiefen Glauben, das gewagte Vertrauen, das ohne Beweise auskommen muss, so Blaise Pascal, kann ein Mensch tief in seinem Herzen erkennen: Ich bin.
Christina Harder