Vom 23. April bis zum 24. Juli 2012
Vielleicht läßt sich sagen, dass der Staub, der zu allen Dingen mit der Zeit unweigerlich hinzukommt, jenes dritte Element ist, das dieser sich mit dem Rauschen als Sinnstörendes einer Übertragung, also von Frequenzen, teilt.
Der Staub, als eine Art unplanbare, kontingente Stofflichkeit, kommt auch dem Bild zu. Dieses Hinzu bewirkt eine Gleichheit der Bilder als nunmehr vergleichbar „verstaubte“ und also tendentiell uneinsehbare. Was man nun auch sieht, ist nicht das, was die Bilder zu zeigen als Auftrag einst entgegengenommen haben, eine Staubschicht. Und also ein rivalisierendes Verhältnis von Zeigen und Verbergen.
Das, was technische Bilder ähnlich macht, ist zweierlei. Zum einen ist es der Code fotografischer Technik. Alles Abbildbar-Verschiedenartige wird zu der Einen Abbildung vereinheitlicht, damit vergleichbar. Es ist die Fotografie als solche, die sich als eine Art Transzendenz hinter ihrem konkreten, phänomenalen Entzug behauptet. Bekanntermaßen ist es nicht die Fotografie, die man sieht, sondern bloß das von ihr Sichtbar-Gemachte. Doch dieses Sichtbare weiß um seine Abhängigkeit von der fotografischen Transzendenz, und dieses Wissen teilt es mit jedem Betrachter. Und also sehen wir dennoch Eine Fotografie, bevor wir die einzelne Abbildung wahrnehmen.
Das zweite jedoch, das ein jedes Abbildbare gleich macht, das gleichermaßen als das Eine auftritt, ist die Verkörperung der Zeit in der Stofflichkeit eines gerade in seinen Einzelelementen nicht sichtbaren Gemenges, dem Staub (und natürlich in allen anderen materiellen und chemischen Einwirkungen). Staubkörner sieht man nicht, nur ihre massen-, schwarmhaften Erscheinungen, ihre Mannigfaltigkeit. Da wir nur geschlossene Räume zum Leben vorsehen, schließen wir mit ihnen auch eine Kraft ein, gegen die anzukämpfen sysiphusgleich ist, da diese in ihrer zeitlich ungehemmten Progression sich produktiv den Stabilitäten und vor allem den Erkennbarkeiten der Dinge entgegensetzt, diese verändert, ja in langen Zeiträumen sie gar unsichtbar machen kann.
Das, was also fotografische Bilder auszeichnet, ihre eigentümliche Negation einer verlaufenden Zeit, ihre Zeitschnitte, wird mit ihrem Dasein als einzelne Fotografien, damit ihrem der Zeit nunmehr Ausgesetztsein, unterlaufen. Staub kommt und setzt sich nieder, legt sich über die Bilder-Schicht mit einer zweiten Schicht, verkörnt die Körnung mit einer indifferenten Materie, eben einer Materie als Masse, die alles gleich macht. [...]
Dr. Marc Ries
Der Text bezieht sich auf die Arbeit Russian Night, die hier nicht zu sehen ist - Die Anmerkungen sind gleichwohl dem Verständnis von Monument 5 und Staub dienlich.