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Bild: Rainer Sturm  / pixelio.de

Rezension

Hans-Christian Biller, Kleine Gefühle
Ein Kompendium von A wie Angstweile bis Z wie Zauderlust
Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2024, ISBN 978-3-8497-0527-5
109 Seiten, 17,95 €

 

Dieses kleine Büchlein ist ein Wörterfindebuch. Große Gefühle wie Wut und Angst, Liebe und Humor sind häufig gekennzeichnet und beschrieben worden, doch kleinere Gefühle bleiben meist unbenannt. Schwerer ist es bereits, sie im eigenen Inneren zu entdecken, auch sie zu benennen fällt nicht leicht. Mit großem Genuss hat der Autor deshalb offenbar die deutsche Sprache nach Worten durchkämmt, die es für bestimmte Gefühlslagen noch gar nicht gibt – und sie flugs erfunden.

Es macht Spaß, sich auf die Suche zu begeben nach der eigenen Passung dieser Worte: So findet sich z.B. das lautmalerische Wort Trosttrotz. Wer Kinder hat, die gerade mitten in der Trotzphase stecken, hat vielleicht gleich ein Bild dazu, aber auch Erwachsene kennen es, wenn „man unbedingt in den Arm genommen werden muss, aber zu stolz dafür ist“ (88).

Beim Suchen solcher Worte sind Hans-Christian Biller zweifellos wunderbare Worte gelungen, die man in den eigenen Wortschatz übernehmen mag, so wie Dannjetztgleichlichkeit, Ichlichkeit, Abreisekummer oder Zauderlust. Sie sagen gleich, wofür sie stehen, sind ‚Insherzspringer‘. Doch dann gibt es auch Worte, die sich trotz Erklärung, die jeweils auf der Seite darunter zu finden ist, nicht klären. Wissen Sie, was ein Schrink sein soll? Das ist das Gefühl, wenn man sich in Gegenwart der eigenen Eltern wieder fühlt wie zwölf, sagt Biller. Mir erschließt sich diese Wortschöpfung nicht.

Und das macht auf die Dauer das Buch auch ein bisschen weniger heiter: Denn so tiefgründig viele dieser Wortschöpfungen auch sind, an manchen Stellen schlägt in meinen Augen der mitgelieferte Schalk in Zynismus und manchmal auch Überheblichkeit um. Das ist schade.

Trotzdem finden sich schöne Worte für Gefühle, von denen man erst beim Lesen merkt, dass man sie so gut kennt, als wären man mit ihnen ‚per du‘, hätte sie aber beim Namen bislang nicht gekannt. Wer gerne kreativ schreibt oder kalligraphisch unterwegs ist, findet hier neue Schätze. Es ist kein Buch zum Lernen, eher eins zum Schmunzeln, manchmal zum Weglegen – um dann später doch nochmal ein Wort zu finden. Und auch für den Unterricht bietet die Grundidee spannende Anknüpfungspunkte!

Bettina Wittmann-Stasch