Rezension
Ben Furman
Hey, das kannst du!
Wie Fähigkeitsdenken Kindern hilft, Herausforderungen zu meistern
Carl-Auer Verlag
Heidelberg 2023
ISBN 978-3-8497-0501-5
191 Seiten, 24,95 €
Ben Furman nimmt den*die Leser*in mit in die Frage, wie es praktisch funktionieren kann, was man in der Theorie längst mitsprechen kann: Dass es natürlich wichtig ist, Stärken zu nutzen, um im Leben zurechtzukommen, leuchtet ein – und man hat das auch schon mal gehört. Und doch gibt es ja Herausforderungen, die so einfach nicht überwunden werden können, die mit dem Schema „Stärken“ und „Schwächen“ noch nicht eingefangen werden können. Da kommt Fähigkeitsdenken als neue Kategorie dazu, denn manchmal brauchen Kinder Unterstützung, um eine Herausforderung bewältigen zu können. Auch wenn sie vieles – und mehr, als Erwachsene ihnen i.d.R. zutrauen – auch alleine schaffen.
Ben Furman zeigt mit zahlreichen Geschichten und Fallbeispielen, wie solches Fähigkeitsdenken unterstützt und entwickelt werden kann. Wunderbar ist dabei, dass diese Haltung des Fähigkeitsdenkens auch die Eltern davon erlöst, die Verantwortung für die Schwierigkeiten ihrer Kinder zu übernehmen. Stattdessen zeigt sie, wie Eltern ihr Kind »coachen« können, damit es die neuen Fähigkeiten erlernt, die es braucht, um seine Herausforderungen zu meistern.
Der Psychiater und Psychotherapeut Ben Furman arbeitet schon lange an einer neuen Sichtweise, einer pädagogischen Haltung, die kindliche Neugier aufnimmt. Fähigkeitsdenken basiert dabei auf einer Motivationstheorie, die nicht auf Belohnungen und Konsequenzen, sondern auf Zusammenarbeit beruht. Diese Zusammenarbeit hat zum Ziel, das Interesse an neuen Fertigkeiten zu wecken und dieses durch den Einsatz verschiedener „Helfer“ zu erhalten. Dabei ist das Kind immer eingebunden in die Entscheidungen, was es jetzt zu lernen gilt – und hat so eine große Motivation, Fortschritte zu machen.
Ben Furman erzählt z.B. von einem Jungen, der ein Hörgerät tragen muss, um gut in der Schule mitzukommen. Leider aber schafft er es nicht, die Hörgeräte im Ohr zu lassen, sondern nimmt sie immer wieder heraus. Mit seinem Audiologen erfindet er ein Netz von Helfern inklusive einem Pokal, den er erhält, wenn er diese Fähigkeit neu gelernt haben wird – und schafft es so, tatsächlich die Hörgeräte als zu ihm gehörig zu akzeptieren. Das ist schon ein Riesenschritt. Als Neben-Lernerfolg kommt dazu, dass sich auch die Mitschüler*innen dafür interessieren, was er braucht – und so gelingt es ihm sogar, Mitschüler*innen zu erklären, wie es ist, wenn man schlecht hört.
Wie man von der Notwendigkeit, eine Fähigkeit zu erlernen bis zum Erfolg, diagnostisch kommen kann, wird an vielen Beispielen erzählt. Immer folgt es einem Schritt-für-Schritt-Vorgehen, das sich als Anker im Alltag nutzen lässt. Dieses Vorgehen schweißt auch in der Familie oder der Gruppe enger zusammen und löst Scham auf. Kindern macht es so Spaß, nach einer gelernten Fähigkeit die nächste zu erkunden.
Dieses Buch ist für Lehrpersonen, Erzieher*innen, Eltern und Sozialarbeiter*innen genauso geschrieben wie für alle anderen, die Kinder bei wichtigen Entwicklungsschritten begleiten und selbst etwas dazulernen wollen.
Bettina Wittmann-Stasch