Rezension
Oliver Arnhold, Stephanie Lerke und Jan Christian Pinsch
Religiöse Feindbilder – Bausteine für die Sekundarstufe II
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2023, ISBN 978-3-525-70337-3,
64 Seiten, 18,00 €
Als Autor*innen des Materialheftes „Religiöse Feindbilder. Bausteine für die Sekundarstufe II“ zeichnen Oliver Arnhold, Stephanie Lerke und Jan Christian Pinsch verantwortlich. Im Vorwort beschreiben sie anschaulich die gesellschaftlichen Verschiebungen, die mit der Coronakrise und dem Ukrainekrieg einhergingen. Sie belegen beispielhaft anhand einer aktuellen Umfrage den erschreckenden Anstieg antisemitischer Äußerungen bzw. Haltungen, aber auch – mit Verweis auf statistisch erfasste einschlägige Straftaten – wie antisemitische und antidemokratische Verschwörungstheorien „im Zusammenhang mit der Coronapandemie auch von bürgerlichen Milieus aufgegriffen“ (4) wurden und ihre Wirkung entfalten.
Die Autor*innen betonen, wie sehr solche Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit eine aktuelle Herausforderung darstellen – was angesichts des Terrorangriffs auf Israel, der kriegerischen Handlungen und Blockaden Israels und der humanitären Katastrophe in Gaza eine Auseinandersetzung umso dringlicher macht: „Wer glaubt, dass alte Feindbilder in der heutigen pluralen Gesellschaft längst überwunden sind, irrt. Nach wie vor ist dies ein gesamtgesellschaftliches Problem. Insbesondere in Krisenzeiten treten altbekannte fremdenfeindliche Motive in neuer Form auf: Muslimhass, Rassismus und Rechtspopulismus sind ebenso aktuell und allgegenwärtig wie der Antisemitismus. Dieses Unterrichtsmaterialheft begibt sich auf Spurensuche nach alten und neuen Facetten von Ausgrenzung und religiösen Feindbildern.“ (4)
In sieben Kapitel widmen sich das Materialheft den Themen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Rassismus, Abwertung von Sexualität, Verschwörungserzählungen sowie Vielfalt und Toleranz. Im Rahmen der Verortung ihrer Unterrichtsimpulse als Demokratiebildung im Religionsunterricht wird dazu das Ziel formuliert, „dass der Religionsunterricht … einen wichtigen Beitrag leistet, die jungen Menschen resistent gegen menschenverachtende und antidemokratische Tendenzen in unserer Gesellschaft und in religiösen Kontexten zu machen, und sie zusätzlich motivieren, sich für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Gerechtigkeit einzusetzen. Der Band hilft dabei.“ (4f.) Dafür wollen die vielfältigen Materialien einen „schüler*innen-, erfahrungs- und problemorientierten Unterricht“ ermöglichen: Die Texte, Film-, Lied- und Bildanalysen greifen teils aktuelle Zusammenhänge, teils wenig bekannte historische Zeugnisse wie das „Wales Window for Alabama“ auf. Kreative Elemente wie die Auseinandersetzung mit Israel und Palästina anhand des preisgekrönten Comics „Mehr als 2 Seiten“ der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli aus Berlin-Neukölln oder ein Arbeitsauftrag für einen eigenen Podcast zu einem virulenten Beispiel von Rassismus runden das Bild ab.
In den Materialien finden sich hilfreiche Arbeitsvorschläge und vielfältige Zugangsweisen bzw. Medien. So leitet auf vielen Seiten ein QR-Code auf ein Video oder eine Website, die häufig kritisch betrachtet werden sollen. Es finden sich aber auch weiterführende Informationen in Form von Texten oder Filmen. Zudem bietet die Veröffentlichung auf 14 weiteren Seiten digitale Zusatzmaterialien mit einigen bunten Bildern und Hinweisen für die Lehrkräfte.
Der Nahostkrieg macht es umso dringender, Themen wie Antisemitismus, Rassismus und Islamfeindlichkeit in der Schule professionell zu behandeln. Um die Schüler*innen nicht nur aufzuklären und zu Reflexion, Hinterfragen und möglichst mehr Engagement für die Demokratie und die Menschen um uns herum anzuregen, bietet die Materialsammlung viele Bausteine, die sich nach Bedarf gut zu einer Unterrichtseinheit verbinden lassen und zugleich Raum für das Einspielen tagesaktueller Beispiele auf dieser angebotenen Matrix erlauben.
Die als Orientierungshilfe, Ausgangspunkt und Materialsammlung durchaus empfehlenswerte Veröffentlichung schließt eine Lücke, auch indem sie politische und theologische Texte miteinander ins Gespräch bringt und an einigen Stellen aufzeigt, welche Rolle die Religion spielen kann: im Entstehen, aber auch im Bekämpfen und überwinden von religiösen Feindbildern.
Zudem sind einige der Bausteine auch in einem anspruchsvolleren Unterricht der oberen Sekundarstufe I einsetzbar – gerade, wenn schulische oder gesellschaftliche Ereignisse danach verlangen. Nicht zuletzt hilft diese Veröffentlichung den Lehrkräften, mehr Sicherheit in diversen schwierigen Themen zu gewinnen und auch über die Ad-hoc-Beschäftigung hinaus diese curricular in der eigenen Schule zu verankern.
Felix Emrich