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Bild: Rainer Sturm  / pixelio.de

Johanna Haberer, Die Seele. Ein Versuch der Reanimation,
Claudius Verlag, München 2. Aufl. 2022,
SBN 978-3-532-62861-4, 152 Seiten, 16,00 €

In unserer Sprache ist die Seele fest beheimatet. Wir reden uns etwas von der Seele, sind beseelt vom Augenblick, kotzen uns schon mal die Seele aus dem Leib und fühlen Seelenverwandtschaft mit anderen. Viele Menschen sagen, die Seele lebt nach dem Tod weiter, was hier nicht systematisch-theologisch kommentiert werden soll. Manchmal merken wir gar nicht, dass wir von der Seele sprechen: Wenn ein Mensch nach einem Unfall reanimiert wird, dann ist das im Wortsinne keine Wiederbelebung, sondern eine Wiederbeseelung. 

Der Untertitel von Johanna Haberers Buch „Die Seele“ ist in diesem Sinne zu verstehen. Sie möchte das Leben wieder beseelen. 

Nicht nur die Naturwissenschaft und die Philosophie haben Abstand von der Seele genommen, die zwar in der Alltagssprache höchst lebendig ist, sich aber weder experimentell noch gedanklich eindeutig fassen lässt. Auch die Theologie schweigt oft von der Seele. Zu gefährlich scheint das Abgleiten in einen Leib-Seele-Dualismus, der womöglich in stoischer Tradition in Leibfeindlichkeit mündet. 

Aber, das macht Johanna Haberer deutlich, wenn man nur noch vom Körper redet, wird das Denken schnell lebensfeindlich. Der Körper allein kann durch Maschinen ersetzt werden. Bald, so träumen manche, kann auch das Bewusstsein in ein digitales Medium überführt werden, dann braucht es den Leib nicht mehr. Bewusstsein ist aber nicht mit der Seele gleichzusetzen. Die Seele zeigt sich auch im Unbewussten, z.B. in unseren Träumen. 

Den Menschen als Körper mit Bewusstsein zu begreifen, greift zu kurz. 

Johanna Haberer ist eine der führenden Theolog*innen, die über die Kultur der Digitalität nachgedacht haben. Wenn sie sich nun der Seele zuwendet, betritt sie dabei nur scheinbar ein neues Forschungsgebiet. Es wird in ihrem kleinen Büchlein deutlich, dass die Seele gerade in der digitalen Kultur ein Begriff ist, der dem Menschen sein Leben zurückgeben könnte. 

Als Körper mit Bewusstsein, kann der Mensch als biologischer Computer beschrieben, sein Verhalten durch Algorithmen vorausberechnet werden. Wenn es etwas gibt, was den Menschen darüber hinaus ausmacht, dann ist dies mit dem Begriff Seele gut beschrieben. Denn Menschen haben am Ende Seelen und keinen Code. 

Nach der Lektüre ist bei allen theologischen Fragen, die bleiben, wieder leichter von der Seele zu reden. Johanna Haberer hat es geschafft, dem Begriff wieder Leben einzuhauchen und damit den Menschen selbst von einer berechenbaren und nachbildbaren Maschine zu einem Lebewesen zu reanimieren. 

Andreas Behr