Rezension
Christian Espelage, Hamideh Mohagheghi, Michael Schober (Hg.)
Interreligiöse Öffnung durch Begegnung. Grundlagen –Erfahrungen – Perspektiven im Kontext des christlich-islamischen Dialogs
Hildesheimer Universitätsschriften 43, hg. v. d. Universitätsbibliothek Hildesheim, Universitätsverlag Hildesheim, Hildesheim 2021, in Zusammenarbeit mit Georg-Olms-Verlag, Hildesheim/Zürich/New York 2021, ISBN 978-3-487-15917-1, 624 Seiten, 88,00 €, pdf-Version
kostenlos
Bereits an dieser Stelle ist auf den großen Vorzug hinzuweisen, dass dieses Werk unter dem Link https://hildok.bsz-bw.de/files/1197/Espela ge_Mohagheghi_Schober_Begegnungslernen.pdf vollständig und kostenfrei als PDF-Dokument heruntergeladen werden kann. Damit haben Interessierte die Möglichkeit, das Original statt einer Rezension darüber zu lesen.
Der Titel „Interreligiöse Öffnung durch Begegnung“ bringt das Anliegen dieses Buches treffend auf den Punkt. Es geht um Begegnungslernen im christlich-islamischen Dialog. Ein evangelischer und ein katholischer Theologe und eine muslimische Theologin haben dieses Werk herausgegeben. Ihnen ist es gelungen, für dieses Gemeinschaftsprojekt insgesamt sechzig Autor*innen aus Universitäten, Schulen und außerschulischen Bildungseinrichtungen aus dem gesamten Bundesgebiet mit einem Schwerpunkt in Niedersachsen zu gewinnen, darunter einen jüdischen Rabbiner und eine Hinduistin.
Das 624-seitige Werk ist im Jahr 2021 erschienen und bietet eine aktuelle und umfassende Bestandsaufnahme des christlich-islamischen Dialogs. Auf dieser erfahrungsbasierten Grundlage, die sowohl schulische als auch außerschulische Lernorte berücksichtigt, erfolgt eine Reflexion der Praxis, die wiederum für die Praxis fruchtbar gemacht werden soll.
Das Werk ist in drei Teile gegliedert.
Teil A widmet sich den Grundlagen. Dabei wird die interreligiöse Begegnung aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick genommen. Impulse für das interreligiöse Begegnungslernen aus der Hebräischen Bibel, aus der christlichen Bibel und aus dem Koran spielen ebenso eine Rolle wie die systematisch-theologische Reflexion des Monotheismus. Darüber hinaus werden Migration, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus und Extremismusprävention aus gesellschaftlicher Perspektive beleuchtet. Religionsdidaktische und konzeptionelle Überlegungen zum interreligiösen Begegnungslernen in der Schule schließen diesen ersten Teil ab.
Im erfreulich ausführlichen Teil B (275-509) werden Erfahrungen mit dem interreligiösen Begegnungslernen dargestellt. Die verschiedenen Lernorte Universität, Erwachsenenbildung, Schule (391-444), Kirche, Moschee und Jugendarbeit werden eingehend betrachtet und auch Erfahrungsberichte zum Umgang mit möglichen Enttäuschungen werden nicht ausgespart.
Teil C trägt die Überschrift „Perspektiven“ und nimmt auf der Grundlage der reflektierten Erfahrungen die Zukunft des interreligiösen Lernens in den Blick.
W. Reinbold stellt in seinem Beitrag die Unverzichtbarkeit des interreligiösen Begegnungslernens heraus. Auf dem Hintergrund vieler persönlicher Erfahrungen mit gelungenen und gescheiterten interreligiösen Veranstaltungen kommt er zu dem überzeugenden Schluss: „Interreligiöse Kontakte und Begegnungen sind nicht der „Königsweg“, als der sie (im Überschwang) manchmal beschrieben worden sind. Aber nach wie vor gilt: Sie sind der angemessene und unverzichtbare Weg, andere Religionen und Weltanschauungen kennenzulernen und (unbegründete) Vorurteile ihnen gegenüber abzubauen.“ (515f.)
Die Herausgeberin H. Mohagheghi nimmt aus der Perspektive einer Komparativen Theologie die Zukunft in den Blick: „Theologie der Zukunft ist reflektierte Theologie, die in Begegnung mit Anderen in Spannung zwischen Gewissheit und Zweifel steht. Die Anhänger der Religionen leben nicht mehr in geschlossenen Gesellschaften, und die Kinder erfahren sehr früh, dass es vielfältige und unterschiedliche Glaubensüberzeugungen und Lebenswelten gibt. Ein solides Lernen muss sie befähigen, den eigenen Lebensweg finden zu können. (…)
Eine Gesellschaft, die diese Bildung ermöglicht, legt einen wichtigen Meilenstein auf den Weg von gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Wertschätzung. Dies ermöglicht das Anderssein der Anderen anzuerkennen, ohne deren Überzeugungen und Praxis zu teilen.“ (534)
A. Abdel-Rahman berichtet in ihrem Beitrag (537-546) über den Verlauf einer neu konzipierten kooperativen christlich-islamischen Fortbildungsreihe für Religionslehrkräfte unter dem Titel „Religionsunterricht im Dialog“, an der das RPI Loccum als Mitveranstalter beteiligt war.
Der Band schließt mit dem Resümee des Herausgebers M. Schober in Form von 15 Thesen, in denen er die Herausforderungen des interreligiösen Begegnungslernen in der Zukunft prägnant zusammenfasst.
Fazit: Dieses Werk ist aktuell, anregend und umfassend. Allen, die sich über den gegenwärtigen Stand des christlich-islamischen Dialogs informieren möchten und die nach möglichen Gestaltungsformen interreligiösen Begegnungslernens in und außerhalb von Schule suchen, ist es sehr zu empfehlen
Matthias Hülsmann