rez_bild_oben

Bild: Rainer Sturm  / pixelio.de

Rezension

Barbara Brüning, Daniel Nachtsheim: Klima.Krise.Kinder Philosophieren über Nachhaltigkeit und Fridays for Future, Beltz Juventa Verlag, Weinheim 2021, ISBN 978-3-7799-6479-7, 132 Seiten, 19,95 €

„Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut.“ (11) Mit diesem prominenten Spruch der Bewegung Fridays for Future leiten Barbara Brüning, emeritierte Hamburger Professorin für die Didaktik der Philosophie, und Daniel Nachtsheim, Philosophielehrer an einem Hamburger Gymnasium, das Vorwort zu ihrem Buch ein.

Die Idee zu diesem Buch entstand auf Anregung des Kompetenzzentrums für Naturschutz und Energiewende (KNE) in Berlin, das Barbara Brüning im Jahr 2019 zum Thema „Klima, Krise, Kinder“ auf sein Sommerfest eingeladen hatte. Weil die Zeit zur Bekämpfung des Klimawandels dränge, spiele das Thema Nachhaltigkeit im Ethik- und Philosophieunterricht eine große Rolle, begründet sie die Ausweitung ihres Vortrages zu diesem Buchprojekt. Ergänzt sei an dieser Stelle, dass dieses Thema aus dem gleichen Grund auch im Religionsunterricht eine immer wichtigere Rolle einnimmt.

Das vorliegende Buch folgt einem klaren, konsequentem Aufbau, der spürbar von einem zentralen Anliegen der beiden Autor*innen geleitet ist. Sie möchten die Auffassungen von Schüler*innen zu Fridays for Future und zu nachhaltigem Leben mit der philosophischen Tradition ins Gespräch bringen, dadurch mögliche neue Perspektiven aufzeigen und so letztlich das selbständige Denken fördern bzw. (ein-)fordern. Damit stellen sie das Kernanliegen des Philosophierens schlechthin ins Zentrum: das gemeinsame Ringen um die Wahrheit in einem wertschätzenden, offenen Diskurs. Auch wenn der didaktische Ansatz des Philosophierens mit der zirkulären Struktur der drei Elemente Philosophie von – für – mit Schüler*innen in dem Buch nicht explizit abgebildet ist, so ist er doch in dem konsequenten Aufbau und dem Anliegen des Buches implizit wiederzufinden; vor allem in der für das Philosophische Gespräch essenziellen Konfrontation mit Denkansätzen aus der philosophischen Tradition.

Das Buch ist in drei Kapitel gegliedert: Das erste Kapitel ist Fridays for Future gewidmet. Im Theorieteil werden zunächst die Ziele und die Entstehungsgeschichte der Bewegung vorgestellt; im Praxisteil kommen dann Schüler*innen zu Wort zu der Frage: Warum wir (nicht) zu Fridays for Future gehen. Im zweiten Kapitel „Nachhaltig leben“ werden die Leser*innen auf eine Reise durch die Philosophiegeschichte mitgenommen; und zwar mit der Frage im Gepäck, was Denker*innen aus verschiedenen Zeitepochen und Weltregionen bei der Suche nach Antworten auf die drängenden Fragen rundum Natur und Nachhaltigkeit beitragen können. Bewusst sind die philosophischen Erläuterungen in verständlicher Sprache verfasst, so dass Ausschnitte daraus als Textgrundlage im Unterricht mit 14- bis 18-Jährigen eingebracht werden können. Wie auch das erste, schließt das zweite Kapitel mit Statements von Jugendlichen, hier zu der Frage nach Möglichkeiten, Chancen, aber auch Grenzen nachhaltigen Lebens. Der dritte Teil entfaltet sodann didaktische Bausteine zu den Themen „Ökologische Ethik“ für den Sekundarbereich I sowie „Das Prinzip Verantwortung“ von Hans Jonas für die Oberstufe.

Wer das Buch „Klima. Krise. Kinder“ in die Hand nimmt, wird darin eine sehr spannende Lektüre entdecken mit umfangreichen Informationen, die hier oder da sogar das Potenzial für einen echten Aha-Effekt enthalten. Barbara Brüning und Daniel Nachtheim gelingt es nämlich hervorragend, die Ideen der Denker*innen aus verschiedenen Zeitepochen und Weltregionen mit den aktuell brennenden Fragen zu Klima-, Natur- und Tierschutz in einen fruchtbaren Dialog zu bringen. Sehr gelungen ist hierbei auch das Zusammenwirken mit den Gedanken heutiger Schüler*innen aus Hamburg, St. Petersburg, Moskau und Wien. Insbesondere vor dem aktuellen Hintergrund eines neuen Eisernen Vorhangs zwischen den westlichen Demokratien und Russland ist es darüber hinaus ein Gewinn, dass in diesem Buch deutlich wird: Menschengemachter Klimawandel, Raubbau an der Natur, Artensterben sind Probleme, die keine Grenzen kennen, sondern junge Menschen in Deutschland und Österreich genauso beschäftigen wie Gleichaltrige in Russland. So enthält das Buch quasi nebenbei noch eine Friedensbotschaft: Wir können es mit Blick auf Klima und Umwelt nur gemeinsam schaffen, nicht gegeneinander!

Das Buch bietet Lehrer*innen, die Philosophie, Ethik, Werte und Normen oder Religion unterrichten, eine wahre Schatzkiste an umfassenden Informationen, philosophischen Gedanken und Ideen. Die Inhalte und Ideen des Buches eignen sich vor allem für den Unterricht an Gymnasien. Das könnte als die einzige Schwäche des Buches gesehen werden. Die Medien und Methoden sind nämlich sehr kopflastig und erfordern solide bis ausgeprägte Kompetenzen in Textverständnis, Schriftsprache und Dialog. Das ist deshalb schade, weil die Fragen zu Natur und Nachhaltigkeit nicht nur junge Menschen an den Gymnasien umtreibt. Am Ende sei aber eine klare Stärke des Buches hervorgehoben: Es bildet sehr gut die Komplexität der Thematik und die Kontroversen des Diskurses ab. Es wird dabei bewusst, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Die Autor*innen richten immer wieder den Blick darauf, dass der Klimawandel zwar schnelle Lösungen erforderlich macht, dass demokratische Prozesse jedoch ihre Zeit brauchen und zudem andere Aspekte mit bedacht werden müssen

Christina Harder