Die Inszenierungen von religiösen Themen haben eine lange Geschichte. In Opern, Oratorien und Singspielen wurden jahrhundelang religiöse Themen aufgegriffen und biblische Geschichten erzählt.
Kein Wunder also, dass mit neuen Musikstilen auch neue Inszenierungen geschaffen wurden. Die Fortführung der Oper und Operetten sind die Musicals, die in sehr unterschiedlichen Formen zu finden sind. In der Blütezeit der Broadway-Musicals im frühen 20. Jahrhundert gab es keine nennenswerten Musicals, die sich auf christliche Themen bezogen. Auch kirchliche Singspiele standen immer noch in der Tradition der klassischen Kirchenmusik.
Als Meilensteine sind erst später zwei Werke anzusehen. Erstens sind die „Sacred Concerts“ von der Jazz-Ikone Duke Ellington zu nennen, die noch im Oratorium-Format, also als ein konzertfüllendes Werk im christlichen Kontext mit Chor, Solisten und Big-Band im Jazz- und Gospelstil, ab 1965 aufgeführt wurden.
Als erstes reines Musical mit biblischen Hintergrund ist „Jesus Christ Superstar“ von Andrew Lloyd Webber bekannt geworden. Auch vorher gab es schon vereinzelte Werke wie „The Promise“, die aber nicht sehr bekannt waren. Diese Musicals folgen der typischen Musical-Handlung mit einer dramatischen Handlung, Liebesgeschichten und emotionalen Liedern. Die biblischen Geschichten wurden hier eher als „plot“ gesehen und nicht mit einer Verkündigung verbunden.
Kurz nach „Jesus Christ Superstar“ hatte ein Musical Premiere, das wohl der wichtigste Beitrag zur Verbindung von Popkultur und religiösen Themen zu dieser Zeit war: „Godspell“ von Stephen Schwartz. Hier war der Verkündigungscharakter schon deutlicher zu sehen.
Zahlreiche christliche Musicals und Oratorien folgten. In Deutschland sind erst viel später christliche Musicals bekannt geworden. In 1985 stach das Musical „Jona“ von Johannes Nitsch heraus, das größere Bekanntheit erlangte. Aus dem Nachfolger „Josef“ (1991) wurden zudem einige Lieder in die christliche „Popkultur“ übernommen wie das bekannte Lied „So ist Versöhnung“.
Ein regelrechter Musicalboom wurde 2007 in Deutschland ausgelöst durch das Prinzip der Chor-Musicals, die die Creative Kirche in Witten bis heute veranstaltet. Vorläufer war das Pop-Oratorium (ohne Schauspiel) „Die 10 Gebote“ (2003), das so erfolgreich war, dass das Nachfolge-Musical „Luther“ von Dieter Falk aufgelegt wurde und mit zahlreichen Aufführungen in ganz Deutschland und als Fernsehaufzeichnung hohe Bekanntheit erlangte.
Das Grundprinzip dieser Musicals basiert auf der Mitwirkung vieler Chorsänger*innen, die sich zu einem Projekt anmelden können, in mehreren Proben darauf vorbereitet werden und dann in einer Hauptaufführung in einem riesigen Chor mitwirken können.
Bis heute werden regelmäßig neue Musicals von verschiedenen Komponisten nach demselben Schema von der Creativen Kirche veranstaltet. Es folgten „Amazing Grace“ von Tore W. Aas und „Martin Luther King“ von Christoph Terbuyken und Hanjo Gäbler. Aktuell gibt es zwei Neuauflagen, die in diesem Jahr ihre Uraufführungen haben bzw. hatten: „7 Worte vom Kreuz“ von Albert Frey und „Bethlehem“ von Dieter Falk.
Daneben gibt es heute sehr viele Inszenierungen in Oratorien und Musicals die in regionalen Zusammenhängen komponiert und aufgeführt werden. Es gibt darüber hinaus eine beträchtliche Anzahl von biblischen Kindermusicals in deutscher Sprache, die eine breite Palette biblischer Geschichten für Kinder behandeln. Diese Musicals werden oft in kirchlichen Gemeinden, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen aufgeführt, um biblische Geschichten auf kindgerechte und unterhaltsame Weise zu vermitteln. Hier sticht meines Erachtens kein einzelnes Musical hervor.
Viele Kirchengemeinden und Verbände führen christliche Musicals auf, da der Erfolg quasi vorprogrammiert ist. Die Proben und Vorbereitungen für ein Musical bieten den Mitgliedern der Kirchengemeinde die Gelegenheit, enge Beziehungen zu knüpfen und eine starke Gemeinschaft aufzubauen. Das gemeinsame Ziel, ein Musical erfolgreich aufzuführen, fördert den Teamgeist und die Zusammenarbeit. Die Teilnahme an einem Musicalprojekt kann das Engagement der Gemeindemitglieder erhöhen. Menschen, die normalerweise nicht aktiv in der Kirchengemeinde involviert sind, könnten durch die Möglichkeit, bei einem Musical mitzuwirken, stärker in das Gemeindeleben integriert werden.
Das Einstudieren und Aufführen eines Musicals bietet Mitgliedern der Gemeinde die Möglichkeit, ihre kreativen Talente zu nutzen und weiterzuentwickeln. Dies umfasst nicht nur das Singen und Schauspielern, sondern auch das Bühnenbild, die Kostüme, die Technik und vieles mehr.
Viele biblische Musicals erzählen Geschichten aus der Bibel auf eine kreative und unterhaltsame Weise. Dies ermöglicht es, wichtige biblische Botschaften auf eine lebendige Art und Weise zu vermitteln, die für Menschen leicht verständlich ist und auch Menschen außerhalb der Gemeinde anziehen. Familien und Freund*innen von Mitgliedern sowie Menschen aus der Nachbarschaft könnten neugierig auf die Aufführung sein und dadurch die Botschaft des Evangeliums kennenlernen.
Ein Musical kann eine bereichernde Ergänzung zum Gottesdienst sein. Es bietet eine künstlerische und musikalische Dimension, die den Gottesdienst lebendiger und ansprechender gestalten kann. Die Botschaft des Musicals kann auch gezielt auf den Gottesdienstthemen basieren.
Durchführung und Aufführung – eine praktische Aufgabe
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Durchführung eines Musicals auch mit Aufwand und Organisation verbunden ist. Es erfordert Zeit, Engagement und Ressourcen. Die Entscheidung, ein Musical in einer Kirchengemeinde einzustudieren und aufzuführen, sollte daher sorgfältig geplant und von den Bedürfnissen und Zielen der Gemeinde geleitet werden.
Klären Sie die Ziele für die Aufführung des Musicals. Möchten Sie die biblische Botschaft vermitteln, die Gemeinschaft stärken, Evangelisation betreiben oder kulturelle Bereicherung bieten? Die Ziele werden die Art des Musicals, den Umfang der Produktion und die Zielgruppe beeinflussen.
Wählen Sie ein Musical aus, das zu Ihrer Gemeinde und den Zielen der Aufführung passt. Berücksichtigen Sie die Größe und das Talent Ihrer Teilnehmer*innen. Eine Aufzählung und Beschreibung der zahlreichen Möglichkeiten würde hier den Rahmen sprengen. Die Recherche nach biblischen Musicals ist inzwischen aber durch das Angebot im Internet leicht geworden.
Noch ein paar Anmerkungen und Tipps aus der eigenen Erfahrung mit Musicals, für die ich verantwortlich zeichne.
Bei Musicals kann es die Besonderheit geben, das die Aufführung besondere Lizenzen und Genehmigungen erforderlich machen. Viele Verlage bieten zu den Noten und des Librettos (Text und Handlung) auch die Genehmigung zur Aufführung an.
Planen Sie ausreichend Zeit für Proben ein. Dies ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die Aufführung reibungslos verläuft und sich alle in ihrer Rolle sicher fühlen.
Setzen Sie einen klaren Zeitplan fest, der die gesamte Vorbereitungszeit abdeckt, einschließlich Proben, Bühnenbildgestaltung, Kostümanpassungen und Werbung. Planen Sie großzügig, um Verzögerungen zu vermeiden.
Es wird häufig unterschätzt, wie wichtig die technische Ausstattung, einschließlich Licht und Ton, bei einer Inszenierung ist. Ein reibungsloser Ablauf der Aufführung hängt oft von einer guten Technik ab.
Planen Sie in einem interdisziplinären Team. Neben der musikalischen Leitung braucht es Techniker, Organisatoren, Regisseure, Schneider, Bühnenbauer und viele helfende Hände.
Die Aufführung eines Musicals in der eigenen Kirchengemeinde kann dazu beitragen, die Gemeinschaft zu stärken, die Botschaft des Glaubens zu verbreiten und kulturelle Bereicherung zu bieten. Eine sorgfältige Planung und Organisation sind entscheidend, um sicherzustellen, dass das Musical erfolgreich ist und seine beabsichtigten Ziele erreicht.