pelikan

Die offene Fragehaltung der Kinder bestärken und fördern

von Stephanie Leferink

 

Passten echt alle Tiere auf die Arche Noah?“ „Wurde der Jona wirklich komplett von einem Wal verschluckt?“ „Josef war doch der Vater von Jesus. Wieso ist Jesus dann der Sohn von Gott?“

Fragen dieser Art tauchen in meinem beruf­lichen Alltag an der Grund­­schulen immer wieder in verschiedenen Kontexten auf. Der Wunsch, die Wahrheit und keine Märchen erzählt zu bekommen, ist den Schü­ler*innen von großer Wichtigkeit. Sie stellen klare, konkrete Fragen.

Und meine Antwort? Die Problematik, auf Schülerfragen gute oder richtige Antworten zu geben, ist auch den Anwärter*innen im Vorbereitungsdienst gut bekannt. Sie äußern daher immer wieder den Wunsch, sich mit „schweren Bibeltexten“ auseinanderzusetzen. Sie möchten lernen, wie sie diese Texte im RU schülerorientiert einbinden können. Die zukünftigen Lehrer*innen sind sich der umfassend komplexen Rolle, die allen Lehrenden des Faches Religion zukommt, in aller Deutlichkeit bewusst: Im getakteten 45-Minuten-Schulalltag sollen sie den biblischen Text schülergerecht, zugleich in der Verantwortung gegenüber der Heiligen Schrift als Gottes Wort, auf Grundlage des Kerncurriculums und mit umfassendem Lernertrag vermitteln.

Selbst so manche niedliche Erzählung aus der Bibel entpuppt sich dann bei genauerem Hinsehen als das Gegenteil. Im Lernbuffet angerichtet ist vielleicht die Arche Noah mit den possierlichen Tieren eine Erzählung, die plötzlich Fragen aufwirft, Ängste auslösen und Sorge machen kann – eine schwere Kost sozusagen.

Durch die Kinderfragen werden wir immer wieder darauf gestoßen, wie komplex die uns so bekannten Texte sind. Wir werden uns unserer Verantwortung bewusst, uns selbst immer wieder intensiv mit dem auseinanderzusetzen, was wir im Schulalltag anbieten.

Spannend ist, dass Kinder die vermeintlich schwierigen Texte in der Regel als gar nicht so schwierig ansehen und souveräner mit ihnen umgehen können, als wir Erwachsene es vermuten. Zugleich stehen aber ihre interessierten Überlegungen und das Fragen nach der Wahrheit der Erzählung im Raum.

Als ein hilfreiches Element hat sich für mich in der Praxis die „Fragenbox“ etabliert und bewährt. Ein von Schüler*innen gestalteter Schuhkarton steht frei zugänglich im Klassenraum. Hier sammeln wir die meisten Fragen erst einmal. Wenn die Fragen aus der Box genommen werden, um mit ihnen zu arbeiten, ordnen wir sie zunächst einer der folgenden Kategorien zu:
•    Diese Frage kann ich sofort beantworten.
•    Bei dieser Frage benötige ich Hilfe.
•    Über diese Frage muss ich nachdenken.
•    Bei dieser Frage gibt es vielleicht verschiedene Antworten.
 

Die Fragenbox beugt meinem vorschnellen „Aus-dem-Bauch-heraus-Antworten“ vor. Sie gibt mir als Lehrerin Zeit, mich auf die Schülerfragen fachlich fundiert vorzubereiten und sie in den Unterrichtskontext einzuordnen.

Am liebsten sind mir Fragen, bei denen die Kinder auf die Suche nach der verborgenen Wahrheit des Textes gehen können: „Über diese Frage muss ich nachdenken“.

Wir schürfen als Bibelforscher*innen gemeinsam nach dem Kern der Erzählung. Warum haben sich Menschen wohl schon damals diese Geschichte erzählt? Was wollten sie den anderen damit sagen? Und ebenso wichtig: Warum erzähle ich euch die Geschichte heute noch?

Meine Verantwortung als Lehrkraft liegt meines Erachtens nicht darin, auf jede Frage sofort eine Antwort zu haben. Vielmehr will ich die offene Fragehaltung der Kinder bestärken und fördern. Das gelingt durch eine Atmosphäre, in der die Fragen ihren Raum, ihre Berechtigung und vor allem ihre Relevanz haben. Wir lernen den Wert der Frage zu schätzen und den Weg zur Antwort.

Hierbei geht es darum, die Relevanz der biblischen Geschichte im Kontext des eigenen Lebens sichtbar werden zu lassen. Die Lebenswelt der Schüler*innen muss der Ort sein, an dem sich der Text letztlich verankern kann. Wenn die Erzählung dort einen Platz findet, der den Kindern besonders in Zeiten der Sorge, Angst und Unsicherheit einen Halt gibt, kann ich stolz sein auf meine Arbeit. Dann haben wir im Ringen um die Wahrheit des biblischen Textes gemeinsam ein Netz gewebt – ein Netz, das trägt.