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Die Geschichte von Stadt und Turm – Babel als Sehnsuchts- und Segensort

Von Andreas Behr


Die Geschichte, die in Genesis 11 aufgeschrieben steht, ist die letzte in einem „Quartett von vier Rettungsgeschichten“1: Die Menschen, Frau und Mann, werden mündig und dürfen außerhalb des Paradieses ein selbstbestimmtes Leben führen. Der Brudermörder wird nicht dem Gesetz der Rache unterworfen, sondern bekommt eine neue Chance – übrigens als Stadtgründer. Am Ende der Sintflut hängt Gott seinen (Kriegs-)Bogen in den Himmel und sichert der Menschheit Saat und Ernte zu.

Dann folgt die Erzählung, die viele unter dem Titel „Der Turmbau zu Babel“ kennen. Das ist allerdings irreführend, denn zum einen geht es um den Bau einer Stadt und eines Turms, zum anderen steht der Name dieser Stadt erst am Ende der Geschichte. Die Menschen, die den Plan fassten, Stadt und Turm zu bauen, hatten ganz gewiss nicht diesen Namen im Sinn. Genau genommen spielt die Geschichte also an einem Ort, den man Vor-Babel bzw. PreBabel nennen könnte. Es ist der Ort, der einmal Babel heißen wird.

Die Geschichte wird oft als Gegen-Erzählung zur Pfingstgeschichte verstanden2, nicht zuletzt, weil sie zu Pfingsten Predigttext ist. Das führt leicht zu einer sehr schlichten und antijudaistischen Gegenüberstellung: Im AT wird berichtet, wie Gott die Menschen für ihre Hybris straft und zerstreut, die Gegengeschichte im Neuen Testament berichtet dann von der Versöhnung durch Gott und das Ende der Zerstreuung. So kann es dann z. B. heißen, dass der Turmbau „als Einbruch in den Geltungsbereich Gottes gedeutet [wird]. Die Folge ist die durch Gott veranlasste babylonische Sprachverwirrung. […] Und alles ist durch eine negative Begeisterung ausgelöst worden. […] Ein Gegenprogramm zu der Geschichte aus dem Ersten Mosebuch eröffnet die Pfingsterzählung der Apostelgeschichte.“3  Das wird aber keiner der beiden Geschichten gerecht.

In der Pfingstgeschichte bleibt die Trennung in verschiedene Sprachen erhalten. „Die Ohren werden geheilt, nicht die Zungen.“4 

Die Geschichte vom Bau in PreBabel ist als Bericht von Gottes Strafe falsch oder zumindest nicht ausreichend verstanden.

1 Damals hatten alle Menschen nur eine einzige Sprache – mit ein und denselben Wörtern.5
2 Sie brachen von Osten her auf und kamen zu einer Ebene im Land Schinar. Dort ließen sie sich nieder.

Die Geschichte hat ihren Ursprung womöglich in der Auseinandersetzung mit der Sesshaftwerdung der Menschen. Eine gewisse negative Ausrichtung mag sie bekommen, wenn sie aus der Sicht von Nomaden erzählt wird6, d.h. es steht zu vermuten, dass diejenigen, die sie erzählten, der Sesshaftwerdung und erst recht dem Bau großer Städte kritisch gegenüber standen. Deshalb muss aber die Intention der Geschichte nicht in erster Linie darin zu suchen sein, Städte abzulehnen.

3 Sie sagten zueinander: »Kommt! Lasst uns Lehmziegel formen und brennen!«
Die Lehmziegel wollten sie als Bausteine verwenden und Asphalt als Mörtel.

Vor mehr als elftausend Jahren begannen Menschen, Städte zu bauen. Sie waren das Werk von Jägern und Sammlern, die zunächst gar nicht unbedingt vorhatten, langfristig sesshaft zu werden.7  Erste Bauvorhaben, wie z. B. der Tempelkomplex von Göbekli Tepe in der heutigen Türkei, scheinen nicht errichtet worden zu sein, um Herrschern ein Denkmal zu setzen. „Ziel war es, Menschen zusammenzubringen.“8 

4 Dann sagten sie: »Los! Lasst uns eine Stadt mit einem Turm bauen! Seine Spitze soll in den Himmel ragen.«

Menschen beschließen als Kollektiv, eine Stadt und einen Turm zu bauen. Dass dieser bis in den Himmel reichen soll, muss kein Sakrileg sein. Zu Beginn der sogenannten Urgeschichte in der Bibel, die mit der Erzählung vom Stadt- und Turmbau endet, heißt es, dass Gott Himmel und Erde macht. Der Himmel ist also genau wie die Erde Gottes Schöpfungswerk. Allerdings ergeht dann der Auftrag an die Menschen, die Erde zu bevölkern und zu bebauen. Eine Stadt auf der Erde zu bauen, ist also kein Verstoß gegen Gottes Willen, wenngleich die Erde dadurch nur sehr punktuell bevölkert wird. Sich den Himmel zu erschließen, widerspricht Gottes Auftrag und damit seinem Plan schon eher, weil gewissermaßen die Richtung der menschlichen Ausbreitung damit falsch gewählt wird.

Dennoch geht es hier weniger darum, dass Menschen selber Gott gleich werden wollen. Ebenso wenig wird ihnen der Vorwurf gemacht werden können, dass sie sich mit ihrem Bauvorhaben in menschlicher Hybris zu sehr überschätzen. Sofern es um den Bau der Stadt geht, planen die Menschen zunächst nichts, was gegen Gottes Gebot verstoßen würde. Was den Bau des Turms angeht, ist dieser weniger dadurch anstößig, weil er an den Himmel reichen soll, sondern eher, weil Gottes Plan von der Ausbreitung des Menschen über die Erde horizontal gedacht ist. Der vertikale Bau ist so nicht vorgesehen. Er ist nicht ausdrücklich verboten, sofern es sich um ein menschliches Projekt in Gottes Schöpfung handelt, die eben Erde und Himmel umfasst. Der Turm stellt aber eine gewisse Provokation dar, weil sich die Menschen durch ihn in einer von Gott unerwartete Dimension ausbreiten.

»Wir wollen uns einen Namen machen, damit wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen.«

Die Menschen haben Sehnsucht nach einem Ort. Sie wollen sich nicht über die ganze Erde verstreuen. Dabei schauen sie klug voraus. Solange die Stadt gebaut wird, werden sie in der gemeinsamen Arbeit verbunden sein. Danach aber braucht es mehr als nur den gemeinsamen Siedlungsraum, um einer Zerstreuung entgegen zu wirken. Dazu braucht es ein Zeichen, ein Symbol. „Das Wort symbolon ist im Bedeutungshorizont von Beziehung, Ganzheit und Heil angesiedelt. […] So heißt Zusammenbringen auf Griechisch symbállein.“9  So ein Zeichen soll der Turm sein.

Es geht also nicht darum, dass die Menschen in irgendeiner Weise Gott gleich sein wollen. Es geht lediglich darum, dass Menschen sich etwas erschaffen, was verhindert, dass sie über die ganze Erde zerstreut werden. Ziel ist es auch hier, Menschen zu zusammenzubringen und zusammenzulassen. Dazu braucht es nicht nur die Stadt, sondern ein Zeichen, ein Symbol, den Turm.

Auffällig ist, dass die Menschen sich einen Namen machen wollen. Wörtlich: „Durch Arbeit einen Namen auf uns hin machen.“

Anders als Gottes Schöpfungswerk macht dieser Name Arbeit. Menschen betreiben Aufwand. Die Arbeit geschieht nicht, um sich selbst in ein gutes Licht zu rücken oder vor anderen zu prahlen. Im Duktus der Geschichte sind es ja ohnehin alle Menschen, die gemeinsam die Stadt bauen wollen. Es fehlt ihnen ein Gegenüber, vor dem sie prahlen könnten.

Es bleibt also dabei: Die Menschen wollen für sich einen Namen machen, der sie als Gemeinschaft verbindet. Ähnlich wie die Berührung des Himmels durch den Turm liegt auch im Vorhaben, sich einen Namen zu machen, kein unmittelbares Sakrileg. Der Plan richtet sich nicht gegen Gott. Dennoch findet sich auch hier eine gewisse Provokation. Denn der Bau von Stadt und Turm geschieht im Angesicht des Gottes, dessen Name der Name schlechthin ist. Gottes Name – jhwh – wird nicht ausgesprochen. Stattdessen sagt man unter anderem „der Name“ (ha schem), wenn man beim Lesen eines Textes auf das Tetragramm „jhwh“ stößt. Die Menschen wollen also für sich einen Namen (schem) machen, das birgt eine Provokation gegenüber Gott (ha schem).

Dies sollte aber nicht überbewertet werden. Im Duktus der Geschichte ist gar nicht klar, ob die Menschen, die sich niederlassen, um eine Stadt und einen Turm zu bauen, diesen Gott überhaupt kennen. Eine Pointe der Geschichte könnte insofern auch darin liegen, dass die Menschen für sich einen Namen erarbeiten wollen, dabei aber schließlich dem Gott begegnen, der Himmel und Erde gemacht hat und dessen Name heilig ist. Auf der Suche nach einem Namen begegnet ihnen der Name.
Genau dieser Name betritt nun die Bühne:

5 Da kam jhwh vom Himmel herab. Er wollte sich die Stadt und den Turm ansehen, die die Menschen bauten.

Wörtlich heißt es: „Und jhwh stieg herab, um zu sehen…“ Er kommt also nicht aus dem Himmel (im Sinne von sky), sondern von einem Ort oberhalb des Himmels, oberhalb der Höhe, bis zu der der Turm reichen soll. Auch hier wird deutlich, dass die Menschen mit dem Turm nicht den Bereich der Schöpfung überschreiten wollen. Gott kommt von außerhalb seiner Schöpfung (heaven) herab, um sich Stadt und Turm anzusehen.

6 jhwh sagte: »Sie sind ein einziges Volk und sprechen alle dieselbe Sprache. Und das ist erst der Anfang! In Zukunft wird man sie nicht mehr aufhalten können. Sie werden tun, was sie wollen.«

Es scheint, als begreife jhwh (erst) jetzt, wozu Menschen in der Lage sind, wenn sie sich als Kollektiv verhalten und gemeinsam einen Plan verfolgen. Im Moment, so wurde deutlich, kratzen diese Pläne nur leicht an Gottes Plan. Menschen werden sesshaft, statt sich auszubreiten. Menschen bauen vertikal statt nur horizontal. Menschen machen für sich einen Namen, der dann dem Namen, der Gott ist, gegenübertritt.

Das alles scheint an sich und auch zusammengenommen nicht strafbar durch Gott zu sein. Es wird nicht gerügt. Aber jhwh erkennt das Potenzial, das in den Handlungen der Menschen liegt. Dies ist erst der Anfang ihres Tuns. „Und nun: Nichts wird ihnen unausführbar bleiben, was immer sie sich zu tun vornehmen.“10 Wenn die Menschen ihr Vorhaben umsetzen und Stadt und Turm vollenden, dann werden sie sich neue Pläne vornehmen. Dies können dann auch mal Pläne sein, die mehr als nur eine Provokation Gottes beinhalten. Wobei nicht ausgemacht ist, ob Gott befürchtet, dass die Menschen etwas tun könnten, was ihn um seine Macht bringt oder ihm gar schadet. Womöglich hat Gott im Blick, dass Menschen sich auch gegenseitig bzw. sich selbst schaden können. Über die Motive Gottes steht nichts in der Geschichte. Es wird lediglich berichtet, was Gott feststellt und was er daraufhin tut. Und noch einmal: Gott ist nicht auf Strafe oder gar Rache aus, er will etwas aufhalten.

7 »Auf! Lasst uns hinabsteigen und ihre Sprache durcheinanderbringen! Dann wird keiner mehr den anderen verstehen.«

Über den Plural in Vers 7 ist viel spekuliert worden.11 Es kann festgehalten werden, dass in Gott selbst eine Kommunikation stattfindet. Damit wird dem Plural der Menschen ein göttlicher Plural gegenübergestellt. Nicht etwa, weil die Menschen schon so mächtig wären, dass ein Gott allein nichts gegen sie ausrichten könnte. Im Duktus der Geschichte eröffnet dieser Plural die Möglichkeit, dass die Menschen auch weiterhin mit hinein genommen sein werden in den Kommunikationsraum, den Gott ausfüllt. Die Sprachverwirrung wird nicht dazu führen, dass Menschen von Gott getrennt werden, ebenso wenig wird die Zerstreuung dazu führen, dass Menschen in gottlose Gegenden geraten. Gott im Plural kann in unterschiedlichen Sprachen an unterschiedlichen Orten angesprochen und gehört werden.

Gott fasst bzw. „fassen“ zunächst den Beschluss, die Sprache durcheinander zu bringen. Dem Symbol des einen Namens (symbállein = zusammenbringen) wird die Verwirrung sprachlicher Vielfalt gewissermaßen als ein Diabol (diabállein = auseinanderbringen) entgegengesetzt. Damit wird die Möglichkeit für die Menschen, sich gemeinsame Ziele zu setzen, erschwert. Entscheidend ist dann aber, dass Gott die Menschen auf Abstand bringt:

8 jhwh zerstreute sie von dort über die ganze Erde. Da mussten sie es aufgeben, die Stadt weiterzubauen.

Damit scheint die Schöpfungsordnung wiederhergestellt. Es folgen weder Strafen noch neue Gebote für die Menschen.

Die Menschen haben sich niedergelassen, sie haben angefangen eine Stadt und einen Turm zu bauen, und sie waren damit erfolgreich. Aber dann haben sie sich nicht mehr verstanden. Das hat sie auseinandergetrieben. Der Plan der Menschen war es, die Zerstreuung über die Erde zu verhindern. Das aber widerspricht dem, was Gott für den Menschen in der Schöpfung vorgesehen hat – zum Wohl des Menschen. Die Zusammenballung an einem Ort, in einer Stadt läuft der Sehnsucht nach Gemeinschaft entgegen. Gemeinschaft bzw. Gemeinschaften bilden sich eher in kleinen Gruppen, in Sprach-Familien, die über die Erde verbreitet sind. Insofern braucht die Geschichte vom Bau der Stadt mit dem Turm tatsächlich Pfingstgeschichten als Gegenüber, nicht als Korrektiv, sondern als Deutungsrahmen: Die Zerstreuung, so wird sich in diesen anderen Geschichten zeigen, ermöglicht es erst, tragfähige Gemeinschaften aufzubauen. „Massen bilden keine Gemeinschaft.“12  Einzelne Gemeinschaften hindert indes nichts daran, sich als Teil der Menschheit zu begreifen, als Nachkommen der Menschen, die in einer Ebene im Land Schinar eine Stadt und einen Turm zu bauen. Nichts in der Geschichte deutet darauf hin, dass die Sprachverwirrung und die Zerstreuung zu Feindschaft zwischen den Sprachfamilien führen müssten.

Aus heutiger Sicht kann die Geschichte dieses Bauvorhabens anregen darüber nachzudenken, wo Massenphänomene Gemeinschaft verhindern. Es gibt auch heute Orte und Pläne, wo Menschen mit einer Sprache reden und dabei den Plan verfolgen, sich nicht zerstreuen zu lassen. Der Finanzsektor hat eine weltumspannende gemeinsame Sprache. Mit der Kryptowährung Bitcoin gibt es ein weltweites Zahlungsmittel, das mit Hilfe mathematischer Sprache „geschöpft“ wird. Es gibt Produkte und Unternehmen, deren Namen weltweit ein Begriff sind. Mode und Trends gleichen sich an. Big Data führt dazu, dass prinzipiell alle Menschen von den gleichen Algorithmen bestimmt werden. Es gibt eine „Vereindeutigung der Welt“ und einen „Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt“13. Es ist zu überlegen, ob der Mensch der Sprachverwirrung und der Zerstreuung erfolgreich entgegenwirkt. Wenn er das tut, muss ihm das nicht zwingend guttun.

Die Geschichte vom Bau einer Stadt und eines Turms kann die Idee vermitteln, dass in diesem Plan, Menschen unter einer Sprache zu vereinen, die Gefahr liegt, eine Masse zu etablieren, die keine Gemeinschaft bilden kann.

Dabei ist es wichtig, die Geschichte nicht als moralische Parabel zu lesen, sondern als Rettungsgeschichte. Gott straft nicht, sondern führt auf den richtigen Weg zurück. In der Angst sich zu verlaufen, haben sich die Menschen verrannt. Gott zeigt ihnen erneut den Weg.

So verstanden, ist die Geschichte ein Lob der Pluralität, in der Gemeinschaftserfahrungen erst möglich werden und Symbole in ihrer Vielfalt einladen, sich zu versammeln.14

Das wird auch am Ende der Geschichte deutlich, denn in gewisser Weise geht der Plan der Menschen am Ende doch auf:

9 Deswegen nennt man sie Babel, das heißt: Durcheinander.

Die Menschen wollten für sich einen Namen machen, ein Symbol. Und tatsächlich bekommt die Stadt einen Namen und wird zum Symbol, das in diesem Fall allerdings ein Diabol ist, ein Zeichen für die Zerstreuung. Der Name, der eine Chance auf menschliche Gemeinschaft verheißt, ist ein Paradoxon: „Durcheinander“. In der Abkehr von Einheit liegt die Möglichkeit zu Gemeinschaft. „Massen bilden keine Gemeinschaft.“

Und deshalb wird am Ende der Geschichte, das auch das Ende der Ur- bzw. Vorgeschichte markiert, ganz sachlich und vor allem ohne moralische Bewertung zusammengefasst, was von diesem Ort, der nun Babel heißt, ausging:

Denn dort hat der jhwh die Sprache der Menschen durcheinandergebracht.
Und von dort hat sie der Name über die ganze Erde zerstreut.


Bausteine für den Unterricht

Die Auseinandersetzung mit Gen 11 und Babel als Sehnsuchtsort ließe sich in verschiedene thematische Kontexte und Unterrichtseinheiten einbetten. Voraussetzungen für die Auseinandersetzung sind sichere Kompetenzen im Textverständnis sowie im kreativen Umgang mit der Schriftsprache. Zudem wären Grundkenntnisse der historisch-kritischen Bibelhermeneutik, also im reflektierten Umgang mit der Textgattung „ätiologischer Mythos”, hilfreich.

Insofern bieten sich Unterrichtsbausteine zu Gen 11 für Schüler*innen ab Klasse 10 an.

So könnten folgende Aufgaben beispielsweise im Kontext der inhaltsbezogenen Kompetenz „Die Schüler*innen erläutern, dass sie nach christlichem Verständnis als Teil einer Gemeinschaft zu verantwortlichem Handeln für sich und andere bestimmt sind” aus dem Kerncurriculum für die Integrierte Gesamtschule  und der Auseinandersetzung mit friedensethischen Fragestellungen zu Konflikten und Konfliktlösungen gestellt werden:

  1. Die Schüler*innen erläutern, wo bzw. inwieweit die Globalisierung zu Vereindeutigung bzw. Vereinheitlichung führt. Sie arbeiten heraus, in welchen Bereichen Menschen heute in einer Sprache mit ein und denselben Wörtern sprechen.
  2. Die Schüler*innen erörtern anhand des Satzes „Massen bilden keine Gemeinschaft“, inwiefern Globalisierung Gemeinschaft bildet und inwiefern sie ihr entgegenwirkt.
  3. Die Schüler*innen lesen Genesis 11,1-9 und stellen grundlegende Deutungsmöglichkeiten dar.
  4. Die Schüler*innen stellen Deutungen von Genesis 11,1-9 dar und setzen diese in Beziehung zu vorangegangenen Überlegungen. Dabei achten sie darauf, den Text in allen Details wahrzunehmen.
  5. Die Schüler*innen entwerfen einen Kommentar oder eine Predigt zu Gen 11. Dabei ist jede moralische bzw. moralisierende Rede „verboten“. Es soll aber herausgearbeitet werden, welche Handlungsempfehlungen sich aus dem biblischen Text ergeben.

Im Kontext friedensethischer Fragestellungen, insbesondere solchen nach Ursachen von Konflikten und möglichen Konfliktlösungen, ließen sich diese Aufgaben auch im Sekundarbereich II einbetten. Möglich ist die Auseinandersetzung mit Gen 11 und Babel als Sehnsuchtsort zudem im Rahmen des Halbjahresthemas „Wahrheitssuche und Glaubensvielfalt”, wie es das Kerncurriculum für die gymnasiale Oberstufe vorschlägt.16 Hier könnte der Fokus auf die Einübung der prozessbezogenen Gestaltungskompetenzen gelegt werden, wenn zum Beispiel die typischen Sprachformen und Bilderwelten insbesondere der ätiologischen Mythen in der Urgeschichte, wie Gen 11, theologisch reflektiert und in eine Predigt transformiert werden.17

 

Anmerkungen

  1. Stuhlmann, Der Segen der Zerstreuung, 334.
  2. Vgl. Stuhlmann, Der Segen der Zerstreuung, 333; Bloch, Positiv begeistert, 48.
  3. Ebd.
  4. Ebd.
  5. Die Übersetzung folgt der BasisBibel, trägt aber den Gottesnamen jhwh an den Stellen ein, an denen dieser auch im hebräischen Text steht.
  6. Vgl. Stuhlmann, Der Segen der Zerstreuung, 334.
  7. Vgl. Bregman, Im Grunde gut, 122.
  8. A.a.O., 123.
  9. Han, Vom Verschwinden der Rituale, 14.
  10. Übersetzung von Vers 6b nach der Bibel in gerechter Sprache.
  11. Vgl. Stuhlmann, Der Segen der Zerstreuung, 339.
  12. Han, Vom Verschwinden der Rituale, 54.
  13. Vgl. Bauer, Die Vereinheitlichung der Welt.
  14. An dem Abschnitt „Aus heutiger Sicht” könnte eine Unterrichtseinheit ansetzen. Siehe dazu den kurzen Aufriss am Ende des Dokuments.
  15. Vgl. Kerncurriculum Ev. Religion für die Integrierte Gesamtschule, Schuljahrgänge 5-10, Hannover 2009, 24.
  16. Vgl. Kerncurriculum Ev. Religion für gymnasiale Oberstufe, Hannover 2017, 40.
  17. Vgl. a.a.O., 16.

 

Literatur

  • Bauer, Thomas: Die Vereinheitlichung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt, 12. Aufl., Stuttgart 2018
  • Bloch, Gregor: Positiv begeistert, in: zeitzeichen 5/2021, 48f.
  • Bregman, Rutger: Im Grunde gut. Eine neue Geschichte der Menschheit, 9. Aufl., Hamburg 2021
  • Han, Byung-Chul: Vom Verschwinden der Rituale. Eine Topologie der Gegenwart, 4. Aufl., Berlin 2019
  • Stuhlmann, Rainer: Der Segen der Zerstreuung, in: Göttinger Predigtmeditationen 75/2, Göttingen 2021, 333-339