Ooh, wie süüß!“ Das ist die natürliche Reaktion, wenn wir ein Lamm sehen. Lämmer sind knuddelig, völlig ungefährlich und ohne jeden Argwohn, lammfromm sozusagen. Lamm und Unschuld gehören zusammen.
Der Mensch dagegen ist kein Unschuldslamm.
„Hast du etwa von den verbotenen Früchten gegessen?“, fragt Gott Adam, der sich seiner Nacktheit schämt und sich deshalb vor Gott versteckt. Statt die Frage wahrheitsgemäß mit Ja zu beantworten, schiebt er die Schuld weiter: „Die Frau, die du mir an die Seite gestellt hast, gab mir davon; da habe ich gegessen.“
In mythologischer Sprache erzählt die Bibel auf den ersten Seiten, wie das Schuldverschieben begann. Und das war nur der Anfang. Auch Eva schiebt die Schuld weiter: „Die Schlange ist schuld, sie hat mich zum Essen verführt!“ So geht das Schuldverschieben bis zum heutigen Tage weiter, denn der Mensch erträgt es nicht, selbst schuld zu sein. Deshalb sucht er nach einem Sündenbock. Bis heute funktionieren Gruppen und Gesellschaften nach diesem Muster, man muss nur etwas genauer hinschauen. Dieser problematische „Lösungsweg“ stammt aus alttestamentlicher Zeit. Bereits vor rund 3000 Jahren legte der Priester am jüdischen Versöhnungstag einem Ziegenbock die Hände auf, sprach die Sünden des Volkes Israel über dem Tier aus und legt sie ihm damit auf. Dieser Bock wurde anschließend in die Wüste gejagt, wo er starb. So trug er die Sünde weg vom Volk. Dieses Ritual hat Johannes der Täufer vor Augen, wenn er in Joh 1,29 sagt: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das die Sünde der Welt wegträgt“ und Jesus damit als den wahren Sündenbock deutet. Bei jedem Abendmahl werden wir an dieses alttestamentliche Ritual erinnert, wenn wir das sogenannte Agnus Dei (Lamm Gottes) singen: „Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt.“
Im letzten Buch der Bibel beschreibt der Seher Johannes den endzeitlichen Kampf zwischen denen, die an Jesus Christus glauben, und denen, die sie verfolgen. Er schildert diese Apokalypse in drastischen Bildern voller Symbolik. Jesus Christus wird am Ende des Kampfes als siegreiches Lamm auf dem Thron dargestellt, das über die ganze Welt herrscht. Seine Gegner werden als furchterregendes Tier, als Hure Babylon und in weiteren abstoßenden Bildern beschrieben. All diese gottfeindlichen Gestalten und Mächte tun sich zusammen, um das Lamm zu vernichten. „Die werden gegen das Lamm kämpfen, aber das Lamm wird sie überwinden, denn es ist der Herr aller Herren und der König aller Könige.“ (Offb 17,14)
Die entscheidende Aussage ist: Das Lamm wird diesen apokalyptischen Endzeitkampf gegen alle gottfeindlichen Mächte gewinnen. Deshalb trägt das Lamm als Zeichen des Sieges eine Fahne. Dass es sich bei dem Lamm um Jesus Christus handelt, wird an dem Heiligenschein um den Kopf des Lammes deutlich. Dass dieser Sieg nicht durch militärische Überlegenheit errungen wurde, sondern durch die freiwillige Selbstaufopferung des Lammes, wird am Kreuz in der Fahne und am Fahnenmast in Kreuzgestalt deutlich. Deshalb sind die Gläubigen von den Vorwürfen des teuflischen Verklägers befreit. „Sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut.“ (Offb 12,11)
Am Ende siegt das unschuldige Lamm, das nicht klagt und alles schweigend erträgt, „wenn es geschoren oder zum Schlachten geführt wird“. (Jes 53,7) Sein Blut bringt den Teufelskreis des Schuldverschiebens zum Stillstand und überwindet alle gottfeindlichen Mächte.