Die Bedeutung von Ochs und Esel haben sich insbesondere in der westlichen Kirchengeschichte verschoben. Ursprünglich steht der Ochse als Lasttier für die Völkerwelt und der Esel steht für die königliche Abstammung Israels. Esel meint hier nicht unser Lasttier, sondern den Wildesel, der als Königstier schon unter den Assyrern galt – und eben nur vom assyrischen König geritten werden durfte. Daran knüpft das Buch Sacharja an, wenn es dort heißt (Sach. 9,9): „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Wildesel, auf dem Füllen der Eselin. Daran knüpfen auch die Evangelien an, wenn sie erzählen, Jesus reitet auf einem Esel in die Stadt Jerusalem. Der dieses Tier reitet, ist der angekündigte König, der wahrhaftige Herrscher, der Frieden und Gerechtigkeit bringen wird.
Diese Grundsymbolik von Ochs und Esel fand bei den Kirchenvätern eine grundlegende antijudaistische Umdeutung, die bis heute nachhaltig das westliche Symbolverständnis prägt. Origenes (185-254) schrieb in seiner 13. Homilie zum Lukasevangelium: „Die Hirten fanden Jesus in der Krippe liegen. So hatte bereits der Prophet geweissagt: Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn.“ Origenes leitete daraus eine allegorische Deutung ab, die in der Auslegungsgeschichte der Kirchen und dadurch grundlegend in der Volksfrömmigkeit übernommen worden ist: „Der Ochse ist ein reines Tier, der Esel dagegen ein unreines; der Ochs versinnbildet das Volk der Juden, der Esel das Volk der Heiden. Nicht das Volk Israel erkennt seinen Herrn, sondern das unreine Tier, nämlich die Heiden.“
Die Kirchenväter begründen damit eine antijudaistische Tradition, bei der sie noch die ursprüngliche symbolische Bedeutung von Ochs und Esel umkehren. Diese Bilderwelt hat das Verhältnis des Christentums zum Judentum nachhaltig negativ geprägt. Origenes (wie auch andere Kirchenväter) verknüpfen damit die Geburtsgeschichte Jesu mit dem Vers aus dem Buch Jesaja, wonach wohl Ochs und Esel ihren Herrn kennen, das Volk Israel aber nicht (Jes. 1,3): „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht.“ Insofern stehen auch Ochs und Esel an der Krippe – d. h. an der Geburtsszene: als ständige Mahnung an die Christen, es nicht so zu tun wie die Juden und Jesus nicht als den verheißenen Gesalbten (hebr.: „Messias“, griech.: „christos“) anzuerkennen. Der, der gesalbt wird, ist der wahre König, so folgt ihm nach – das war die nachösterliche christliche Botschaft.
In der westlichen Tradition – noch verstärkt durch die volkstümliche Verbreitung von Krippenspielen in der Tradition von Franz von Assisi – hat man demnach das Prophetenwort aus Jesaja mit der Geburtsgeschichte des Lukas verbunden, in der von einer „Krippe“ gar nichts steht, sondern von einem Futtertrog. Doch die Bildwelt des Jesaja wirkt bis in die Deutung der Geburtsgeschichte Jesu, denn Jesaja gilt in der christlichen Tradition als der Prophet, der auf Jesus als den Christus, den Messias hinweist und ihn voraussagt. Die Tiere werden dann in dem neuen Deutungsrahmen der Kirchenväter zum Symbol für die Völker, die den Messias erkennen. Ochs und Esel sind die verlässlichen Haustiere, die intuitiv wissen, wo ihr Herr ist. Insofern ist das Volk Israel sogar weniger schlau als gewöhnliche Haustiere.
Die antijudaistische Auslegung wird zudem noch bei Origenes verstärkt, indem er den Ochsen neu deutet als Symboltier für die Juden, für das Volk Israel, denn der Ochse trägt das Joch – und das Joch steht bei den Kirchenvätern für das „Joch des Gesetzes“, unter dem die Juden leiden, weil sie Christus nicht anerkennen, der von diesem Joch befreit (Mt 11,29).