Die Zooschule im Erlebnis-Zoo Hannover

Von Erwin Bastian, Kathrin Röper und Yvonne Riedelt

Bildung echt anders

Ein gemütliches Fachwerkhaus inmitten der ländlichen Idylle des Zoobauernhofs im Erlebnis-Zoo Hannover: Umgeben von meckernden Schafen und Ziegen, Kühen, Ponys und Gänsen liegt die Zooschule auf Meyers Hof. Es ist wahrhaftig eine besondere Schule. Seit über 50 Jahren lernen Schüler*innen im Erlebnis-Zoo Hannover verschiedenste Tiere und ihre Besonderheiten kennen – hautnah und nachhaltig beeindruckend.

Das Team der Zooschule besteht neben der Zooschulleiterin Kathrin Röper aus zwei Gymnasiallehrern sowie 20 freien Mitarbeiter*innen. Rund 20.000 Schüler*innen aller Altersstufen und Schulformen bringt das Team in besonderen Unterrichtssituationen mit der Tierwelt zusammen.


Unterricht an der frischen Luft

Denn anstatt nur auf der Schulbank zu sitzen, wird der Unterricht vor allem nach draußen in den Zoo zu den Tieren verlegt. „Wenn die Schüler*innen vor der Anlage stehen, erleben sie die Giraffen dann wirklich als sehr große Tiere und ein Mäusebaby als winzig“, erklärt Zooschulleiterin Kathrin Röper. „Sie finden durch ihre genaue Beobachtung selber heraus, dass das Streifenmuster der Zebras individuell unterschiedlich ist und hören das beeindruckende Brüllen der Löwen – Erlebnisse, die sie so schnell nicht vergessen werden.“

Doch auch wenn die „Unterrichtstiere“ für Schüler*innenaugen gerade „nichts“ machen, ist das nicht das Signal weiterzugehen, sondern die Herausforderung abzuwarten. „Es geht darum, sich einmal die Zeit zu nehmen und sich längere Zeit auf die Tiere zu konzentrieren. Heutzutage nennt man dies Entschleunigung“, erklärt Zooschullehrer Erwin Bastian. Wenn dann – nach einigen Minuten – der Löwe aufsteht und sein Weibchen in Katzenart begrüßt, wird dies von den Kindern viel intensiver wahrgenommen und als spannender empfunden als die Berieselung mit Daueraktionsszenen in Tierfilmen, es ist Biologie live.

Passiert doch einmal „nichts“, kommt der Plan B zum Zuge, wie Handpuppen mehrerer Löwen, mit denen nun die Jagd eines Rudels von den Schüler*innen einer Grundschule spielerisch nachgestellt werden kann. An einem Schädelreplikat können die verschiedenen Funktionen der Zahnarten erläutert werden – Biologie zum Anfassen.

„Zusätzlich zu den Tieren, die immer im Vordergrund stehen, und unseren tierischen Unterrichtsmaterialien gibt es noch die Möglichkeit, hinter die Kulissen zu schauen“, so Bastian. So entdecken die Kinder die große Vielfalt von Obst und Gemüse in der Affen-Futterküche, lernen Heu und Stroh im Stall der Bisons kennen oder bestaunen lebendige Mehlwürmer und große Mengen Fleisch im Futtermagazin des Zoos.


Die Tiere bestimmen

„In der Zooschule geht es vor allem um die Beobachtung der Tiere, draußen im Zoo“, erklärt Zooschullehrer Erwin Bastian. Die Tiere sind es, die den genauen Ablauf des Unterrichts bestimmen und einen Schultag in der Zooschule für die Zoopädagog*innen nur begrenzt planbar machen. „Nicht selten entwickelt sich eine positive, nicht vorhersehbare Eigendynamik“, so Bastian. Bei ihren Beobachtungen der Zootiere können die Kinder körperliche Besonderheiten oder spannende Verhaltensweisen der Tiere erkennen. Das Beobachtete wird im Unterricht besprochen und in einen biologischen Kontext gesetzt.


Biologie zum Anfassen

Im Erlebnis-Zoo ergeben sich besondere Unterrichtsmöglichkeiten. In der begehbaren Pelikan-Anlage erleben Schulkinder Biologieunterricht zum Thema „Tiere im Wasser“ aus nächster Nähe. Inmitten der Rosapelikane sehen die Schüler*innen den auffällig langen Schnabel der Tiere mit dem kleinen Haken sowie den dehnbaren Kehlsack. Mit etwas Glück (und Geduld) können die Kinder sogar beobachten, wie die Vögel mit dem Schnabel durch das Wasser keschern, um vermeintlich Fische zu fangen. Zooschullehrer Erwin Bastian: „Schnell erkennen die Kinder, welche Vorteile die Schnabelstrukturen den Pelikanen beim Fischfang bieten und entdecken damit spielerisch Struktur-Funktions-Beziehungen.“

Wer sich traut, kann die Tiere auch berühren und selbst erleben, wie sich Federn, Kehlsack und Schnabel anfühlen. „Beim Kraulen der Pelikane entsteht eine positiv-emotionale Beziehung zu diesen Vögeln, ein Erlebnis, an das sich viele Kinder noch lange Zeit erinnern werden“, ist sich Kathrin Röper sicher. Wer den großen Vögeln erst einmal skeptisch gegenüber steht, kann das Treiben aus der Entfernung von außerhalb der Anlage beobachten. „Wir machen aber regelmäßig die Erfahrung, dass sich selbst sehr ängstliche Kinder schließlich doch trauen und dann ganz begeistert sind vom Tier und stolz darauf, sich überwunden zu haben“, so Zooschulleiterin Röper.


Artenschutz und Umweltbildung

Bei jedem Unterrichtsgang wird auch das Thema Artenschutz und Bildung für nachhaltige Entwicklung (kurz: BNE) in den Fokus genommen. Mit Blick auf die Eisbärenanlage in der kanadischen Themenwelt Yukon Bay lernen die Schüler*innen spannende Fakten über den Eisbären, der nahezu perfekt an die extremen Umweltbedingungen in seinem Lebensraum, der Polarregion, angepasst ist. Und dennoch ist er bedroht – durch den vom Menschen gemachten Klimawandel schmilzt den weißen Riesen ihr Lebensraum, das Packeis, geradezu unter den Pfoten weg. „In kindgerechter Form werden die Zusammenhänge des Lebens der Eisbären in der Arktis und unserem Lebensstil hier in Europa für Schüler*innen verständlich aufbereitet“, erklärt Kathrin Röper. „Die Kinder lernen große Zusammenhänge kennen. Unter anderem, wie ihr Lebensstil und Verhalten, wie beispielsweise der Umgang mit Strom, den Klimawandel beeinflussen und damit negative Folgen für die Eisbären im Freiland haben kann.“ Aber auch der Schutz der beeindruckenden Raubtiere ist Teil des Unterrichts. So stellen die Zoopädagog*innen ein Projekt in der Hudson Bay vor, das der Erlebnis-Zoo Hannover seit vielen Jahren unterstützt. Artenschützer von Polar Bears International statten Eisbärenweibchen mit Sendehalsbändern aus und können so das sonst so geheime Leben der Bären im ewigen Eis erforschen. Ziel ist es, geeignete Schutzzonen für die Eisbären zu errichten.

Unterrichtsgänge, die Umweltprobleme behandeln, können durch die Ausstellung in der Unterwasserwelt von Yukon Bay ergänzt werden, die sich dem Thema „Meer Müll“ widmet. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit der Zooschule konzipiert und bietet den Lehrkräften die Möglichkeit, auf die Bedrohung der Lebewesen im Meer, wie zum Beispiel Seelöwen, durch Plastikmüll aufmerksam zu machen. Die interaktive Ausstellung kann von der Klasse nach Beendigung des Unterrichts selbstständig zur weiteren Auseinandersetzung mit der Thematik genutzt und Ursachen und Ansätze zur Lösung dieser riesigen Umweltproblematik entdeckt werden.


Breites Unterrichts-Angebot

Das Angebot der Zooschule richtet sich an Schüler*innen aller Altersklassen, von der Grundschule über weiterführende Schulen bis hin zu Berufsschulen. „Die Unterrichtsgänge können für einen Tag oder sogar für mehrere Tage gebucht werden, zum Beispiel im Rahmen von Projektwochen“, erklärt Zooschulleiterin Kathrin Röper. „Eine Verteilung der fünf Zoo-Tage auf ein Schulhalbjahr ist ebenfalls möglich und eignet sich besonders für Ganztagsschulen.“ Die Themen des Unterrichtsangebots sind so verschieden wie die Tiere im Erlebnis-Zoo und die Lehrpläne der Schulen: Von den Farben im Tierreich über die Aufzucht von Jungtieren, Zootierhaltung und Artenschutz, Evolution, Kommunikation im Tierreich sowie verschiedene Tierarten wie Raubtiere, Vögel und Reptilien gibt es vor Ort jede Menge zu entdecken und zu lernen.

Zooschullehrer Erwin Bastian empfiehlt auch besonders den Zooschul-Besuch im Winter: „In der ruhigeren Winter-Saison können sich die Kinder wirklich ganz auf die Tiere konzentrieren.“ Schulklassen können zum Beispiel die Kälte liebenden Tiere in Yukon Bay mit ihren speziellen Winter-Strategien erleben oder bei tropischen Temperaturen Affen im beheizten Urwaldhaus besuchen. „Außerdem geht es beim Unterrichtsgang zum Thema Reptilien ins warme Biologiezimmer“, berichtet Bastian. Nach einer Entdeckungstour im winterlichen Zoo bietet auch das Klassenzimmer in der Zooschule einen warmen Raum, um das Gesehene und Gelernte zu besprechen. Das Klassenzimmer kann kostenfrei reserviert werden.


Praxisorientierte Workshops

„Eine weitere Möglichkeit, den Besuch im Zoo noch nachhaltiger zu gestalten, ist ein zwei- bis dreistündiger Workshop“, berichtet Zooschullehrer Erwin Bastian. Hier werden spezielle Themen vertieft und praxisorientiert mit den Schüler*innen erarbeitet – experimentell oder spielerisch-kreativ. Im Workshop „Zootierhaltung: Wir bauen einen Zoo“ lernt die Schulklasse verschiedene Tiergehege im Erlebnis-Zoo kennen. „Den Schüler*innen wird schnell deutlich, dass Löwen, Giraffen, Elefanten oder Schimpansen sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben, die ihr Zuhause in menschlicher Obhut erfüllen muss“, erklärt Kathrin Röper. In Kleingruppen wird das eigene Gehege mit Naturmaterialien wie Sand, Rinde, Zweige, Steine und Stroh entsprechend den Ansprüchen der jeweiligen Tierart gestaltet. „Es ist unglaublich schön, zu beobachten, wie die Kinder sich die Materialen schnappen und wild diskutieren!“, findet Röper. Anschließend stellen die Schüler*innen ihre Ergebnisse im Plenum vor. „Diese spielerische Umsetzung setzt viele Emotionen und Empathie für die Tiere frei“, so die Zooschulleiterin.


Neu: Forscherzimmer

Das im August 2019 neu eröffnete Forscherzimmer bietet Platz für genau solche Workshops. Hier geht es darum, zu experimentieren und auszuprobieren. Die Schränke des interaktiven Klassenzimmers sind gefüllt mit Mikroskopen, Binokularen, Schädelreplikaten, Tierfiguren, Modellen und vielen weiteren Dingen. Im Forscherzimmer wird der Flügel einer Biene unter dem Mikroskop zum faszinierenden Kunstwerk. Große Insektenpräparate zeigen die Mundwerkzeuge von Schaben und Bienen als perfekte Wunderwerke. Die Sammlung verschiedenster Eier reicht von bonbonklein-weiß bis gesprenkelt-groß. Hufabdrücke in Originalgröße von Giraffe, Strauß und Flusspferd versetzen die Kinder in Staunen. „Uns ist es wichtig, dass es viel zum Anfassen und Ausprobieren gibt, damit die Schüler*innen praktisch ganz dicht am Tier sind“, so Kathrin Röper. „Alle Inhalte stehen in direktem Zusammenhang zu den im Zoo lebenden Tieren.“
Auf dem interaktiven Display können Forschungsergebnisse direkt in den Arbeitsblättern festgehalten werden. „Die Materialien und das Display helfen uns, bestimmte Sachverhalte vereinfacht oder vergrößert darzustellen – ohne jedoch die eigentlichen Hauptdarsteller aus dem Auge zu verlieren, die Tiere. Denn die meiste Zeit verbringen wir vor den Tieren. Das ist es ja, was einen Zoo ausmacht“, erklärt Zooschullehrer Erwin Bastian.

Daher dürfen auch im modern eingerichteten Forscherzimmer die lebenden Tiere nicht fehlen: Im großen Aquarium schwimmen verschiedene Malawi-Buntbarsche, die evolutiv sehr interessant sind. In ihrem natürlichen Lebensraum, afrikanischen Seen, haben sie sich an verschiedenste ökologische Nischen angepasst. Ganz genau hinzuschauen lohnt sich: Die Buntbarsche aus dem Forscherzimmer gehören zu den sogenannten Maulbrütern, da ihr Nachwuchs die erste Zeit seines Lebens im Maul seiner Eltern verbringt.


Neue Generation

„Schüler*innen sind heute noch genauso neugierig und aufgeregt, wie wir Zoopädagog*innen es bei unserem ersten Zoobesuch waren“, stellt Zooschullehrer Bastian fest. „Sie freuen sich darauf, ‚richtige‘ Tiere zu sehen.“ Dennoch stellen die Mitarbeiter*innen der Zooschule Veränderungen bei den neuen Generationen fest. „Ganz klar merken wir die Präsenz von Smartphones, auch schon in Grundschulklassen. Die Kinder wollen damit alles dokumentieren und zeigen stolz jedes gelungene Foto.“ Bei den Unterrichtsgängen werden daher im Vorfeld Regelungen getroffen. „Bei Schulklassen, die eine gesamte Woche im Zoo verbringen, ist ein Handyverbot für die Unterrichtszeit problemlos“, berichtet Erwin Bastian. Besuchen Schulklassen den Zoo nur für einen Tag, reicht eine Fotografier-Erlaubnis am Beginn jeder neuen Station des Unterrichtsgangs, dieses Verlangen zu kanalisieren.


Begeisternde Protagonisten

„Unser Ziel ist es, Bildung so charmant und beeindruckend zu vermitteln, dass sie Spaß macht“, erklärt Zooschulleiterin Kathrin Röper. Wie praktisch, dass Wissen im Zoo quasi hinter jeder Ecke lauert: auf Tierschildern, Artenschutzaufstellern, Edutainment-Stationen – und natürlich in den Gehegen selbst. Es ist schlicht unmöglich, im Zoo nichts zu lernen. „Unsere Tiere ermöglichen es, Unterricht nachhaltig beeindruckend und spannend zu gestalten. Durch emotionale und außergewöhnliche Erlebnisse können wir viele junge Menschen für Biologie und den Schutz der Tiere in freier Wildbahn begeistern.“


Info:
Das Klassenzimmer in der Zooschule, Unterrichtsgänge und Projektwochen können online unter erlebnis-zoo.de/zooschule gebucht werden. Für interessierte Lehrkräfte verschickt das Team der Zooschule regelmäßig Newsletter (erlebnis-zoo.de/newsletter).

Kontakt:
zooschule@erlebnis-zoo.de


Zooschulen gibt es außerdem u.a. in:
Bremerhaven (zoo-am-meer-bremerhaven.de/de)
Osnabrück (www.zoo-osnabrueck.de),
Münster (www.allwetterzoo.de)
Braunschweig (zoo-bs.de)