Joh 21 ist das Abschlusskapitel des letzten Evangeliums. In den Versen 1 bis 14, unmittelbar vor der Berufung des Petrus, wird die dritte Begebenheit geschildert, in denen Jesus sich seinen Jüngern nach seiner Auferstehung „offenbart“, nach der Begegnung mit Maria am Ostermorgen (20,11-18) und der Episode mit Thomas, dem Apostel der Zweifler. Es geht wieder um Fischfang, diesmal nach Ostern, und zwar mitten in die Verwirrtheit der nach Galiläa zurückgekehrten Jünger.
Anders als in den synoptischen, vorösterlichen Fischfanggeschichten kommt es bei Johannes nicht auf den schieren Umstand des ungewöhnlichen Fangs an, sondern auch – ja, gerade – auf die präzise Zahl der gefangenen Fische. Die Geschichte hat hier einen anderen Ton, vorsichtiger, andeutungsreicher. Es geht weniger um die offenkundige Macht Jesu als um die Betroffenheit der Jünger. Dafür sind in formal interessantem Gegensatz dazu die weiteren Details der nachösterlichen Begebenheit ungewöhnlich genau: Die Entfernung des Bootes vom Ufer wird mit zweihundert Ellen angegeben, die Anzahl der beteiligten Jünger wird mit Differenzierungen auf sieben festgelegt, als Anzahl der Boote wird „zwei“ berichtet. Dann der Umstand, dass die Jünger nackt im Boot arbeiten und Petrus sich eigens sein Obergewand umwirft, um dem Auferstandenen bekleidet entgegenzuschwimmen – alles merkwürdige Präzisionen, deren Sinn sich nicht immer erschließt. Der Evangelist schildert die Vorkommnisse ganz genau und verdichtet auf diese Weise die Geschichte. Ein wenig wie bei den Gedichten von Paul Celan: Man weiß genau, dass sie eine Bedeutung haben, aber es ist so schwer anzugeben, welche.
Das Merkwürdigste am ganzen Kapitel aber ist die Zahlenangabe über die „großen Fische“, die Petrus schließlich an Land zieht. Es sind 153, nicht mehr, nicht weniger. Warum nicht 1.000 oder 100? Die großen Zahlen der Sakralmathematik: 1, 2, 3, 4, 7, 12 und 40 – sie gehören bekanntermaßen zum Stammrepertoire von theologischen Verschlüsselungen oder kosmologischen Bezügen. Jesus musste einfach zwölf Jünger haben, und Israel zwölf Stämme – schließlich war auch das Firmament so aufgeteilt. Aber 153? Was um alles in der Welt soll das?
Es hat etliche Versuche gegeben, damit etwas Theologisches oder Spirituelles anzufangen. Der Kirchenvater Hieronymus schlug vor, diese Zahl (in Anlehnung an eine Auskunft antiker Zoologen) als die Menge der überhaupt existierenden Fischarten zu verstehen, um symbolisch diesen Fischzug als völkerumgreifende Mission zu codieren. Kein Kommentar, der nicht diesen Zugang erwähnt. Ein jüdischer Zugang macht Anleihen an dem Zahlwert des Wortes „tow“, also „gut“: 9 - 6 - 2, und operiert mit der Zahl 17 als einer biblischen Referenz sowohl in biografischen Angaben etwa über Mose als auch der Terminierung der Zerstörung Jerusalems am 17. Tag des vierten Monats. Alles möglich, nichts wirklich überzeugend. Aber 17 ist schon mal gut.
Denn: Auch mathematisch hat die Anzahl der gefangenen Fische eine ganze Menge zu bieten. 153 ist zunächst eine sogenannte Dreieckszahl, d.h. die Summe 1 + 2 + 3 + … + 17 ergibt 153. Mancher erinnert sich an die Gauß’sche Summenformel für Summen natürlicher Zahlen. Natürlich: zur Basis 17. Oder, nochmal Schulmathematik: Die Primzahlzerlegung von 153 ist schlicht und einfach: 153 = 3x3x17. Wieder die 17, diesmal ausgestattet mit der Intensivform der Zahl des Geistes: 3 zum Quadrat. Aber damit ist immer noch nicht Schluss mit den Eigenarten der nachösterlichen Beute: 153 = 1! + 2! + 3! + 4! + 5! Besonders kurios aber ist folgender Sachverhalt: Es gilt 13 + 53 + 33 = 153, d.h. die dritte Potenz der Ziffern ergibt die ursprüngliche Zahl. Ein interessanter Fall von theologisch-mathematischer Selbstähnlichkeit.
Was selbst Mathematiker verblüfft, ist folgender Algorithmus: Jede natürliche, durch drei teilbare Zahl ist mit der 153 durch folgenden Algorithmus verbunden. Nehmen wir die Zahl 15 als Beispiel, geht der Algorithmus wie folgt:
15 f 13 + 53 = 126 f 13 + 23 + 63 = 225 f 23 + 23 + 53 = 141 f 13 + 43 + 13 = 66 f
63 + 63 = 432 f 43 + 33 + 23 = 99 f 93 + 93 = 1.458 f 13 + 43 + 53 + 83 = 702 f
73 + 03 + 23 = 351 f 33 + 53 + 13 = 153.
Am Ende landet man immer bei dieser einen johanneischen Zahl: 153. Man darf gespannt sein, was weitere intensive Beschäftigungen mit der Zahl noch alles hervorbringen. Hat Johannes von all dem gewusst? Schwerlich. Als mathematisch interessierte Zeitgenossen sind die ersten Christengemeinden, jedenfalls biblisch, eher weniger in Erscheinung getreten.
Was dieser Fischfang nach Ostern allerdings bietet, ist ein Dreifaches: Er setzt zum einen die Begegnung mit dem Auferstandenen in die Wirrnis des normalen Lebens, ansatzlos. Zum anderen gibt es dabei unerwarteter Weise fette Beute. Und drittens macht er deutlich, dass Gott Freude an unergründlichen Rätseln hat. Damit wir es wieder und wieder versuchen, nehme ich an. Mindestens 153-mal.