Das Startchancen-Programm (SCP) – Ein Weg zu mehr Chancengerechtigkeit in der Schule?

von Sabine Schroeder-Zobel

Nach langen und zähen Verhandlungen haben sich das Bundesbildungsministerium und die Länder auf das bisher größte Bildungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland geeinigt: das Startchancen-Programm (SCP). Über eine Laufzeit von zehn Jahren wollen der Bund und die einzelnen Länder jährlich jeweils bis zu eine Milliarde Euro für das Startchancen-Programm zur Verfügung stellen. Offizieller Beginn war der 1. August dieses Jahres 2024.

Immer wieder waren nationale und internationale Bildungsstudien zu dem Ergebnis gekommen, dass die schulischen Leistungen in Deutschland in starkem Maße mit der sozialen Herkunft der Schüler*innen gekoppelt sind. Das Programm soll dem entgegenwirken und will für mehr Chancengleichheit und Teilhabe auch sozial benachteiligter Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener sorgen. Insgesamt geht es um eine Stärkung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens in Deutschland.

Folgende Ziele des Programms wurden von Bund und Ländern formuliert:
•    Die Zahl der Schüler*innen, die die Mindeststandards in Mathematik
     und Deutsch nicht erreicht haben, soll halbiert werden und die
     persönliche Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung soll im
     Vordergrund stehen. Dies hat dann wieder Auswirkungen auf Berufs-
     und Ausbildungsreife sowie die demokratische Teilhabe.
•    Auf institutioneller Ebene soll die Schul- und Unterrichtsentwicklung
     gefördert und weiterentwickelt werden.
•    Die Förderung auf systemischer Ebene bezieht sich auf die
      Entwicklung und Professionalisierung von Unterstützungssystemen.

Das Programm umfasst drei Säulen:
I.    Investitionen in eine zeitgemäße und förderliche Lernumgebung (z.B.
      Neubau-, Umbau-, Erweiterungs- und Modernisierungsmaßnahmen,
      Einrichtung von besonderen Räumen zur Motivations- und
      Kompetenzsteigerung usw.)
Il.   Chancenbudgets für bedarfsgerechte Lösungen in der Schul- und
      Unterrichtsentwicklung (spezifische Unterstützung der Arbeit vor Ort
      sowie zielgerichtete Fortbildungen und Maßnahmen zur
      themenbezogenen Vernetzung, Stärkung der Schulautonomie; die
      Schulen können das Chancenbudget in eigener Verantwortung
      einsetzen)
Ill.   Personal zur Stärkung multiprofessioneller Teams (z.B. individuelle
      Beratung und Unterstützung der Lernenden, Förderung der Elternarbeit,
      zusätzliche Stellen für Schulsozialarbeit, Hilfen bei der
      Inanspruchnahme von staatlichen Leistungen, Entwicklung einer
      positiven Schulkultur usw.)

Die teilnehmenden Schulen, bundesweit sollen es 4.000 sein, werden nach einer Art „Sozialindex“ ausgewählt. Die Kriterien wurden speziell nach den Vorgaben des Bundes entwickelt und beinhalten Indikatoren wie z.B. den Anteil der Schüler*innen mit Migrationshintergrund, den Anteil der Schüler*innen mit festgestelltem sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf im Bereich Lernen oder Emotional-soziale Entwicklung sowie weitere Kriterien mit unterschiedlicher Gewichtung. Dem niedersächsischen Kultusministerium liegen diese Daten bereits vor. Es ist nicht notwendig, sich als Schule zu bewerben. Die Auswahl wird insbesondere anhand der Dimensionen „Armut“ und „Migration“ vorgenommen.

Das erste Jahr soll zunächst dem Aufbau und der Etablierung der notwendigen Strukturen sowie den Absprachen zwischen der Schulgemeinschaft, dem Schulträger und dem jeweiligen Regionalen Landesamt für Schule und Bildung dienen.

Kritik am Startchancen-Programm bezieht sich insbesondere auf die Auswahl bestimmter Schulen, die durch die Teilnahme profitieren werden. So wird unter anderem die gleichmäßige Vergabe der finanziellen Mittel an alle Schulen gefordert. Bund und Länder haben sich aber darauf geeinigt, genau dort zu unterstützen, wo diese Förderung am dringendsten benötigt wird, und den Fokus auf die notwendige Verbesserung der Chancengleichheit zu legen. Um den größtmöglichen Nutzen aus dem Startchancen-Programm zu ziehen, wird es wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden. Dabei ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern unerlässlich.

Ausführliche Informationen zum Startchancen-Programm sind hier zu finden:
•    Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF: https://
     kurzlinks.de/vjvy
•    Niedersächsisches Kultusministerium: https://kurzlinks.de/hxh8