Praxisimpulse für kirchliche Zeitgeschichte im Religionsunterricht
Was verbinden Schüler*innen mit Geschichte(n) der Kirchen im Sozialismus? Kinder und junge Erwachsene, die in den 2010er-Jahren im wiedervereinigten Deutschland geboren wurden, kennen die Auseinandersetzungen der Kirchen mit dem SED-Regime kaum mehr vom Hörensagen. Für den Großteil der bundesdeutschen Familien spielt die DDR-Geschichte keine bedeutende Rolle. Selbst in den ostdeutschen Bundesländern könnten nur wenige Großeltern davon berichten, wie sie als Jugendliche selbst in Auseinandersetzungen mit dem SED-Regime beispielsweise um die Jugendweihe, das Friedenssymbol „Schwerter zu Pflugscharen“ oder die Friedensgebete im Herbst 1989 verwickelt waren. Diese immer seltener geteilten Erinnerungen spielen im kommunikativen Gedächtnis ostdeutscher Familien oft eine marginale Rolle. Selbst die wenigen, die sich kirchliche Verbindungen in dieser Zeit bewahrten, sahen sich oftmals gezwungen, pragmatische Abwägungen zu treffen, um persönlichen Nachteilen auszuweichen. Mutiges Bekennen und ängstliches Verzagen, kompromisslose Entscheidungen und zögerliches Ausweichen hat sowohl das Verhalten Einzelner als auch das der Kirchenleitungen gekennzeichnet. Eine „Heldengeschichte“ über die Kirche(n) im Sozialismus lässt sich jedenfalls nicht schreiben. Christlich motiviertes politisches Engagement, Widerstand oder gar Opposition bilden keine Mehrheitserfahrungen der Menschen, die in der DDR lebten – ungeachtet der Bedeutung, die den Kirchen im Kontext der friedlichen Revolution 1989/90 zugeschrieben wird.
Didaktische Vorüberlegungen
Angesichts dieser Ausgangslage bleibt es eine komplexe, aber gleichsam reizvolle religionspädagogische Aufgabe, die lebensweltliche Relevanz von Geschichte(n) der Kirche im Sozialismus im Religionsunterricht zu erschließen. Obwohl das Verhältnis von Staat und Kirche in beiden deutschen Diktaturen innerhalb der niedersächsischen Kerncurricula für die Sekundarbereiche I und II als Unterrichtsinhalte selbstverständlich verankert sind1, bleibt zu konstatieren, dass die geforderten exemplarischen Ausschärfungen im Kontext der DDR-Geschichte aus der Perspektive der Schüler*innen sich weder organisch mit deren Lebenswelten noch mit einem ausgeprägten historischen Vorwissen verbinden lassen.
Trotz dieser genannten Herausforderungen stellt die Beschäftigung mit christlich motiviertem Handeln unter den Bedingungen diktatorischer und autoritärer Staatsgewalt unverändert ein wesentliches religionspädagogisches Anliegen dar, um kompetenzorientiert vor allem die ideologiekritische Funktion des Religionsunterrichts zu profilieren. Eine Beschäftigung mit kirchlicher Zeitgeschichte kann und soll junge Menschen dazu befähigen, sich aus christlichen Motiven aktiv für die Stärkung der Demokratie einzusetzen.
Historisch ist die Geschichte der Kirche(n) im Sozialismus ein Teil der gesamtdeutschen Kirchengeschichte. Die Erfahrungen des Christseins unter den Bedingungen autoritärer Staaten wirken bis in unsere Zeit. Die Folgen einer forcierten Säkularisierung stellt nicht nur den Religionsunterricht in Ostdeutschland vor Herausforderungen. In diesem Sinne kann der kirchengeschichtlich orientierte Religionsunterricht beispielsweise Diskursräume eröffnen, um über die gesellschaftsverändernde Wirksamkeit öffentlicher Theologie zu sprechen. Die Beschäftigung mit den Friedensgebeten als Teil der Friedlichen Revolution 1989/1990 wäre ein solcher Anlass, um mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, was Christsein in der Gesellschaft bedeuten kann.
Um diese Perspektive auf das Verhältnis von Christsein im Sozialismus zu übertragen, ist der Fokus auf Gewissenskonflikte zu richten, in denen Christ*innen sich gezwungen sahen, zu entscheiden, ob und wie sie ihren Glauben – trotz drohender Nachteile – öffentlich bekennen. Mit dieser Zielsetzung werden in diesem Beitrag konkrete thematische und methodische Impulse vorgestellt, die im Kontext von „Kirche im Sozialismus“ historische Dokumente im Unterricht zum Sprechen zu bringen. Die quellengestützten Zugänge konfrontieren Schüler*innen mit historischen Konfliktsituationen, in denen Christ*innen während der Zeit der DDR gezwungen waren, sich zu positionieren.
Die Beschäftigung mit kirchlicher Zeitgeschichte besitzt dabei einen eigenständigen religionspädagogischen Wert. Das reflektierte Eintreten für aktive Religionsfreiheit, für einen biblisch begründeten Pazifismus oder für Forderungen des Konziliaren Prozesses (nach Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung) hat bis in gegenwärtige Debatten nichts von seiner Relevanz eingebüßt. Die Prophetie des Micha: „Schwerter zu Pflugscharen!“ könnte kaum aktueller sein.
Praxisimpulse für kirchliche Zeitgeschichte im Religionsunterricht
Für eine kirchenhistorische Darstellung der Phasen und einzelner Ereignisse kirchlicher Zeitgeschichte zwischen den Jahren 1949 bis 1989/90 ist hier kein Raum und ist auch angesichts des breiten Angebots kirchenhistorischer Fachliteratur an dieser Stelle nicht nötig.2 Vielmehr werden im Folgenden exemplarische Themen angesprochen, die sich als Kernkonflikte von Christ*innen während der DDR identifizieren lassen. Geeignete Zugänge bieten vor allem digitalisierte historische Dokumente, die aufgrund ihrer Zugänglichkeit unkompliziert im kirchengeschichtlich orientierten Religionsunterricht erschlossen werden können. Die Kritik und Interpretation dieser Dokumente sollte sich am methodischen Vorgehen orientieren, wie es Schüler*innen im Geschichtsunterricht einüben. Angesichts der vielfältigen Anknüpfungspunkte der Geschichte(n) im Sozialismus mit den Fächern Geschichte, Politik oder Gesellschaftslehre ist es lohnend, die Potenziale eines übergreifenden und verbindenden Religionsunterrichts voll auszuschöpfen.
Einen praxisnahen und historisch vorzüglich aufbereiteten Zugang bietet das mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnete Multimediaprojekt „Jugendopposition.de“, das in Kooperation der Bundeszentrale für politische Bildung und der Robert-Havemann-Gesellschaft e.V. seit vielen Jahren zahlreiche Informationen, Quellen-Dokumente sowie multimediale Beiträge für den Unterricht aufbereitet und präsentiert.
Gerade für Phasen des eigenständigen Lernens im Religionsunterricht bieten die thematisch übersichtlich strukturierten Informationen und Quellen eine Fülle von Anknüpfungsmöglichkeiten, die sich für den kirchengeschichtlich orientierten Religionsunterricht fruchtbar machen lassen. Hier finden sich neben schüler*innengerechten Informationstexten historische Dokumente wie Plakate, Zeitzeugeninterviews, Akten und Fotos, die als Grundlage für folgende Praxisimpulse dienen.
„Niemand kann zwei Herren dienen“ – Konfirmation und/oder Jugendweihe
Die Wiederbelebung des Ritus der Jugendweihe ab 1954/1955 in der DDR knüpfte an weltanschauliche Bewegungen während der Weimarer Republik an. Trotz der in der DDR-Verfassung verbrieften Religionsfreiheit unternahm das SED-Regime mit der Einführung der Jugendweihe als sozialistischem Weihefest den Versuch, die Beziehungen junger Menschen zur Kirche gezielt und letztlich erfolgreich zu beschneiden. Ganz auf der Linie der unverhohlenen atheistischen Ideologie sollten sich alle jungen Menschen in der DDR öffentlich zum Staat und seinen sozialistischen Zielen bekennen. Die Frage, wie angesichts dieses Zwangs Christ*innen im Sozialismus ihren Glauben leben können, stürzte junge Menschen und deren Eltern oft in heftige Gewissensnöte. Eine Absage an die Jugendweihe kam einer öffentlichen Distanzierung vom SED-Sozialismus gleich, was erhebliche Nachteile nicht nur für eigene Bildungswege nach sich zie-hen konnte. Willkürlich wurde die Jugendweihe als Voraussetzung angesehen, um in der DDR einer freien Berufswahl zu folgen oder – selbst als leistungsstarker Schüler*in – ein Abitur ablegen zu können.3
Aber auch die Kirchenleitungen trugen zu einer Konfliktverschärfung bei. In ihren ersten Reaktionen auf den atheistischen Übergriff des SED-Staates reagierten einzelne Landeskirchen zunächst mit Gegendruck. Von jungen Christ*innen wurde mit dem biblischen Wort in Mt 6,24 „Niemand kann zwei Herren dienen!“ ein eindeutiges Bekenntnis zu ihrem christlichen Glauben gefordert, dass Jugendweihe und Konfirmation ausschloss. So wurden noch bis Ende der 1950er-Jahre junge Christ*innen, die sich dem staatlichen Druck beugten, von manchem Pfarrer die ihnen mit der Konfirmation zugesprochenen Gemeinderechte verwehrt, wenn sie sich nicht von der Jugendweihe und ihrem Gelöbnis distanzierten. Auch wenn diese kirchliche Position des Gegendrucks angesichts der Realitäten aufgegeben werden musste, blieb dieser Gewissenskonflikt für junge Christ*innen zum Ende der DDR belastend. Sicher sprachen manche ihr Jugendweihegelöbnis aus unterschiedlichen Motiven mit gekreuzten Fingern hinter dem Rücken. Die atheistische Ideologie der SED blieb aber nicht folgenlos. Bis 1988 stieg die Anzahl derer, die sich der Jugendweihe unterzogen, auf 97,3 Prozent. Dieser Verlust volkskirchlicher Strukturen in der DDR hat bis heute Spuren hinterlassen.
Ein geeigneter Einstieg in diesen Kernkonflikt „Jugendweihe und / oder Konfirmation“ bietet ein SED-Propagandaplakat, das auf der Plattform „Jugendopposition in der DDR“ zugänglich ist.4
Der prominente Bibelvers Mt 6,24 „Niemand kann zwei Herren dienen“ wird im Kontext der staatlich-kirchlichen Auseinandersetzung um die Jugendweihe hier im Sinne der Ideologie der SED umgedeutet. Über verschiedene Bildbeschreibungsmethoden können Schüler*innen wesentliche propagandistische Aussagen erschließen. Auch sind die digital zugänglichen Jugendweihegelöbnisse geeignete Dokumente, um ideologische und atheistische Absichten des SED-Staates nachvollziehen und benennen zu können. Diese Beobachtungen lassen sich mit Erfahrungen selbst erlebter Konfirmationen/Firmungen kontrastieren. So kann dieser Gewissenskonflikt von Christ*innen in der DDR als historische Dimension sinnvoll im Religionsunterricht eingespielt werden, wenn die Konfirmation/Firmung thematisiert wird.
Wichtig erscheint, dass Schüler*innen zur historischen Empathie befähigt werden. Schüler*innen könnten dafür beispielsweise Bibelsprüche als Konfirmationssprüche auswählen, von denen sie annehmen, dass diese Verse junge Christ*innen in der DDR ermutigt hätten, ihren Glauben zu bekennen. Oder ein angeleitetes Rollenspiel über die Frage, warum sich junge Christ*innen und deren Eltern in der DDR dem staatlichen Druck beugten und sich doch der Jugendweihe unterzogen.
Um kirchenhistorisches Lernen anzuleiten, ist es wichtig, solche Rollenspiele oder Spekulationen einer historischen Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Denn auf diese Weise werden Möglichkeitsräume des Handelns in der Vergangenheit vor dem Hintergrund eines autoritären Staates nachvollziehbar ausgemessen. Ziel kann es letztlich sein, Schüler*innen für den hohen Wert des Grundrechts der aktiven Religionsfreiheit zu sensibilisieren und mit ihnen gemeinsam diese Einsicht auf Situationen zu übertragen, in denen sich dieses Grundrecht gegenwärtig zu bewähren hat.
„Schwerter zu Pflugscharen!“ – Die unabhängige Friedensbewegung in der DDR
Die Hoffnung auf wirksame Abrüstung und friedliche Konfliktlösungen in Zeiten des Kalten Krieges motivierte ab den 1980er-Jahren junge Christ*innen, sich in kirchennahen Friedenskreisen zu engagieren, die sich angesichts eines atomaren Wettrüstens der Blockstaaten für einen allgemeinen, waffenfreien Frieden in der Welt einsetzten. Dieses friedensethische Engagement konfrontierte den ideologisierten Militarismus in der DDR offen mit der Forderung nach einem Frieden „ohne Waffen“. Dafür bot die Prophetie des Micha (Mi 4,1-4) eine geeignete Spiegelfläche, die mit dem Symbol eines Schmiedes, der aus einem Schwert eine Pflugschar schmiedet, verbunden wurde. Die Wirkung dieses Symbols der unabhängigen Friedensbewegung gerade in den Schulen, Ausbildungsbetrieben und Universitäten ist kaum zu unterschätzen. Denn bereits in ihrer Schulzeit gerieten Christ*innen in Gewissensnöte: Stand die Teilnahme am 1978 eingeführten Wehrunterricht, an einem „Zivilverteidigungslager“ im Klassenverband oder die Wehrpflicht in der Nationalen Volksarmee nicht im Gegensatz zur biblisch begründeten „Feindesliebe“ und dem Gewaltverzicht, wie es Jesus in der Bergpredigt zum Ausdruck brachte?5
Das Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“, unter dem sich in der DDR Friedensaktivist*innen im Rahmen von Friedensdekaden und offener Kirchenarbeit versammelten, kennzeichnet zwischen 1953 und 1989 die größte Oppositionsbewegung in der DDR. Mit harten Repressionen reagierten die Staatsorgane gegen alle, die dieses Symbol in der Öffentlichkeit zeigten. Entfernen des Aufnähers durch die Polizei oder Schulverweise waren die häufigsten Mittel des SED-Regimes, um die Friedensaktivist*innen zum Schweigen zu bringen. Auch die Kirchenleitungen vermochten es nicht, die mutigen Jugendlichen vor staatlichen Übergriffen zu schützen. Als stiller Protest gegen das Entfernen des Symbols blieb oftmals ein kreisrundes Loch an der Jacke derer, die gezwungen wurden, das Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“ von ihrer Kleidung zu entfernen.
Auf der Online-Plattform „Jugendopposition.de“ finden sich zur Geschichte der unabhängigen Friedensbewegung in der DDR vielfältige Informationen und Materialien, darunter auch eindrückliche Zeitzeugeninterviews mit damals beteiligten Akteuren.6 Unter verschiedenen Perspektiven können Schüler*innen die Geschichte des Symbols nachvollziehen und sich im Umgang mit oral history üben.
Von besonderem Wert sind dabei authentische Berichte, die für Schüler*innen nachvollziehbar werden lässt, warum sich manche Christ*innen dem staatlichen Druck beugten und ihre Aufnäher entfernten. Dieses Lernen an biografischen Erzählungen bietet die Chance, mutiges Bekennen, ängstliches Verzagen oder pragmatisches Ausweichen als Handlungsoptionen zu erkennen. Erst in diesem Spektrum lässt sich Kirche im Sozialismus auf allen Ebenen, von der Gemeindebasis bis in die Kirchenleitungen, angemessen beschreiben.
Die Handlungskompetenz im kirchengeschichtlich orientierten Religionsunterricht wird angesprochen, wenn die historischen Erfahrungen zur kirchennahen Friedensarbeit in der DDR in die künstlerische Gestaltung eigener Friedenssymbole der Schüler*innen münden, die auf die Konflikte unserer Zeit ausgerichtet sind.7 Hier ergeben sich automatisch eine Reihe von Schnittmengen zu aktuellen friedensethischen Themen und christlichen Konfliktlösestrategien. Besonderen Wert besitzt dabei die historische Erfahrung der Wirksamkeit eines biblisch begründeten Pazifismus in der Geschichte. Dies gilt insbesondere für die Kraft der Friedensgebete, die einen zentralen Ausgangspunkt der friedlichen Revolution 1989/90 markieren, die letztlich das SED-Regime mit zu Fall brachten.
„Selig sind die Frieden stiften“ – Friedensgebete und friedliche Revolution 1989/1990
Die Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche boten seit September 1982 jeden Montag einen vor staatlichen Übergriffen geschützten Kirchenraum. Im Gebet und Formen einer Alltagsliturgie formulierten Menschen ihre Ängste und Hoffnungen. Aber 1988 versammelten sich in dieser Kirche in der Leipziger Innenstadt immer mehr Menschen, die ihre christlichen, ökologischen und politischen Überzeugungen im Rahmen des Friedensgebets zum Ausdruck brachten. Ein zentraler biblischer Text, der in unterschiedlicher Weise immer wieder mit ihren Erfahrungen verbunden wurde, sind die Seligpreisungen der Bergpredigt: „Selig sind, die Frieden stiften …“
Die politische Sprengkraft dieser Bibelverse lässt sich bis in die Leipziger Montagsdemonstrationen nachverfolgen, die sich seit Sommer 1989 an die Leipziger Friedensgebete anschlossen. Als Höhepunkt dieser revolutionären Ereignisse gilt der 9. Oktober 1989 in Leipzig. An diesem „Tag der Entscheidung“ demonstrierten über 70.000 Menschen gegen das SED-Regime und überwanden durch Gewaltlosigkeit die ohnmächtig blockierten staatlichen Einsatzkräfte. Die Demonstrierenden verband der Ruf „Keine Gewalt“, der angesichts des eingesetzten staatlichen Gewaltpotenzials mutig ein Kernanliegen der Bergpredigt auf die konkrete Erwartung einer gewaltsamen Niederschlagung des Protestes bezog. Dieser gewaltfreie Widerstand prägte für die revolutionären Ereignisse in diesen Herbstwochen 1989 den Begriff einer „Friedlichen Revolution“. Der Anteil des Engagements von Christ*innen am unerwarteten friedlichen Ende des DDR-Staates und dem Weg in eine freie demokratische Gesellschaft ist dabei unbestritten.
Differenziert informiert „Jugendopposition in der DDR“ über die Geschichte der Leipziger Friedensgebete.
Anhand der Informationstexte können Schüler*innen nachvollziehen, wie bunt das Spektrum derer war, die sich montags in der Leipziger Nikolaikirche versammelten. Aufschlussreich ist es, nach den verschiedenen Anliegen derer zu fragen, für die das Friedensgebet ein Podium bot. Dabei ist auch die innerkirchliche Kritik anzusprechen, denn nicht jeder Pfarrer oder Superintendent stand den verschiedenen Gruppen und Initiativen aufgeschlossen gegenüber. Für ein differenziertes Bild gilt danach zu fragen, warum ab September 1988 den unabhängigen Gruppen und Kreisen die Gestaltung der Friedensgebete von kirchenleitenden Instanzen entzogen wurde. Das gemeinsame Ausloten von Handlungsoptionen und Handlungsbeschränkungen kann die historische Empathie der Jugendlichen fördern, um Kernkonflikte des Christseins in autoritären Gesellschaften nachvollziehen zu können.
Dabei können die historischen Erfahrungen mit den Friedensgebeten nicht nur in der Auseinandersetzung um Grenzen und Möglichkeiten eines biblisch begründeten Pazifismus zur Sprache gebracht werden. Vielmehr kann dieses kirchengeschichtliche Lernen kritisch ins aktuelle Zeitgeschehen eingebracht werden. Die spirituelle Kraft des Friedensgebets und dessen gesellschaftspolitisches Umwälzungspotential können Schüler*innen in eigenen Fürbitten für den Frieden oder in der Gestaltung eines eigenen Friedensgebetes umsetzen. Gerade in der Gestaltung freier liturgischer Formen und Handlungen können Jugendliche ihrem politischen Engagement mit eigener religiöser Sprache Ausdruck verleihen. Wenn dies ein kirchenhistorisch orientierter Religionsunterricht zu leisten vermag, hat sich die Beschäftigung mit Kirche im Sozialismus als lohnendes Thema bewährt.
Anmerkungen
- Zu den Niedersächsischen Kerncurricula im Fach Evangelische Religion vgl. www.cuvo.nibis.de/cuvo.php?p=search&k0_0=Fach&v0_0=Evangelische+Religion& (7.8.2023).
- Pars pro toto für den Religionsunterricht mit weiteren Literaturangaben vgl. Käbisch, Kirchen in der DDR.
- Eine umfangreiche und zahlreiche historische Dokumente enthaltene Darstellung bietet die Bundeszentrale für politische Bildung unter: https://kurzelinks.de/rcpe (7. August 2023).
- Vgl. www.jugendopposition.de/themen/145438/jugendweihe (7.8.2023).
- Zum Militarismus in der DDR, insbesondere in den Schule vgl. www.jugendopposition.de/themen/1453 31/von-wegen-frieden (7.8.2023).
- www.jugendopposition.de/material/142443/frie densbewegung-in-der-ddr (7. August 2023).
- Zur religionspädagogischen Vertiefung vgl. Käbisch/ Träger, Schwerter zu Pflugscharen.
Literatur
- Käbisch David / Träger, Johannes: Schwerter zu Pflugscharen. Impulse für friedensethisches Lernen im Religionsunterricht (Themenheft Religion 9), Leipzig 2011
- Käbisch, David: Kirchen in der DDR, in: Das wissenschaftlich-religionspädagogische Lexikon im Internet (WiReLex 2019), www.bibelwissenschaft.de/fileadmin/buh_bibelmodul/media/wirelex/pdf/Kirchen_in_der_DDR__2019-02-05_13_45.pdf (7. August 2023).