Kirche im Sozialismus - Filmtipps aus dem Haus kirchlicher Dienste

von Anja Klinkott


Bekennende Christ*innen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) waren alltäglich staatlichen Repressionen ausgesetzt. Menschen, die in Westdeutschland oder im vereinigten Deutschland aufgewachsen sind, fällt es oft schwer nachzuvollziehen, was das tatsächlich bedeutet.

Die hier vorgestellten Filme geben aus unterschiedlichen Perspektiven Einblicke in den Alltag der Menschen in der DDR von den 1950er- bis 1980er-Jahren. Sie zeigen den Mut Einzelner und Vieler, sie berichten von Familien und Gruppen, von Kreativität und Ideenreichtum, von Entschlossenheit und Zusammenhalt, aber auch von Egoismus und Verrat. Damit eignen sie sich für den Geschichts-, Religions- und Werte- und Normenunterricht und stehen in der Bücherei- und Medienarbeit zur Ausleihe zur Verfügung.

 

Das schweigende Klassenzimmer
Lars Kraume
Deutschland 2018
Spielfilm 107 Min.
empfohlen ab 14 Jahren

Im Jahre 1956 ist die Grenze zwischen der BRD und der DDR noch durchlässig. Zwei Abiturienten erfahren bei einem Besuch im Westen Deutschlands vom angeblichen Tod ihres Sportidols und be-schließen spontan mit ihrer Klasse, im Unterricht eine Schweigeminute einzulegen. Für den überfor-derten Pädagogen kommt dieses Verhalten einem Aufstand gegen das sozialistische System gleich. Während der Direktor noch versucht, die Wogen zu glätten, wird der Staatsschutz informiert und stellt die jungen Menschen vor die Wahl, eine*n der ihren als Anführer*in zu denunzieren oder vom Abitur in der gesamten DDR ausgeschlossen zu werden.
Bildung als Schlüssel zum persönlichen und beruflichen Fortkommen und Lebenserfolg. Schüler*innen können heutzutage nachvollziehen, welchem Druck die Protagonist*innen des Films ausgesetzt waren. In dem nach wahren Begebenheiten erzählten Drama werden neben akademischen Aspekten auch Gewissens- und Glaubensfragen behandelt. Der Film bietet zudem einen Bezug zur biblischen Figur des Judas Ischariot. Schüler*innen können sich fragen, welche Formen der Zivilcourage auch in ihrem Leben eine Rolle spielen könnten.


Klärung eines Sachverhalts
Sören Hüper und Christian Prettin
Deutschland 2008
Kurzspielfilm 20 Min.
empfohlen ab 14 Jahren

DDR 1985. In einem nüchternen Büro sitzen sich zwei Männer gegenüber: Ingenieur Schulze möchte seinen erkrankten Schwiegervater in der Bundesrepublik besuchen. Hauptmann Kühnel von der Staatssicherheit versucht mit allen Mitteln, ihn von diesem Ausreiseantrag abzubringen.
Ein wachsamer Staat, dem nichts verborgen bleibt: Er weiß, wo Bürger*innen ihren Urlaub verbringen und was in Briefen steht, die sie gesendet oder empfangen haben. Ein Staat, der sich an international getätigte Absprachen (Helsinki-Protokoll) nicht hält, sondern mit allen legalen und illegalen Mitteln die eigenen Ansprüche durchsetzt.
Die Zuschauer*innen erleben anhand des bedrückenden Kammerspiels, wie Leben in autoritär geprägten Staaten von Zwängen und Zweifeln beherrscht werden kann. Auch die Auseinandersetzung mit Fragen zu persönlichen Werten und der Bereitschaft, diese auch in Konfliktsituationen zu verteidigen, bietet sich mit dem Kurzfilm und dem umfassenden Arbeitsmaterial an.


Ballon – für die Freiheit riskierten sie alles
Michael Herbig
Deutschland 2018
Spielfilm 117 Min.
empfohlen ab 12 Jahren

Ereignisse nach einer wahren Begebenheit in Thüringen im Jahr 1979. Zwei Familien entschließen sich, mittels eines selbst gebauten Heißluftballons aus der DDR in die Bundesrepublik zu flüchten. Aber der erste Versuch misslingt und die Staatssicherheit wird auf das Vorhaben aufmerksam. Unter Zeitdruck versuchen die Erwachsenen, einen neuen Ballon zu nähen, um sich und ihre Familien in Sicherheit zu bringen.
Jugendliche, die nach 1990 in Deutschland geboren wurden, kennen die fast vierzigjährige Teilung des Landes nur aus Erzählungen oder dem Geschichtsunterricht. Es ist für sie schwer vorstellbar, dass Deutsche nicht frei reisen durften und ihr Alltag von permanenter Überwachung und Bespitzelung geprägt war. Der packende Spielfilm von Michael Herbig animiert die Zuschauer*innen zu der Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Geschichte und ihrem Demokratie- und Werteverständnis.


Schwerter zu Spaten – Die Bausoldaten in der DDR
Johannes Meier
Deutschland 2015
Dokumentation 34 Min.
geeignet ab 16 Jahren

Der Zeitdienst in der Nationalen Volksarmee der DDR war für junge Männer ab 18 Jahren verpflich-tend. Wer sich aus Gewissensgründen gegen eine Wehrzeit entschied, wurde in einer Untereinheit der Armee zu Bautätigkeiten herangezogen. Ehemalige „Bausoldaten“ berichten von ihren Beweggrün-den, den klassischen Wehrdienst zu verweigern, von Schikanen und Repressionen, denen sie danach ausgesetzt waren und die sich bis in ihr berufliches Leben hinein fortsetzten.
Ein „Freiwilliges Soziales Jahr“ ist für viele Jugendliche heutzutage eine Pause zwischen zwei Bildungsabschnitten. Für junge Männer im damaligen West- und Ostdeutschland gab es über mehrere Jahrzehnte einen verpflichtenden Wehrdienst, den man nur aus glaubhaften Gewissensgründen in einen zivilen Dienst umwandeln konnte. Für Jugendliche ab 16 Jahren mag allein die Vorstellung eines staatlichen Pflichtdienstes wie ein Anachronismus aus fernen Zeiten anmuten. Noch stärker zeigen die Beispiele der „Bausoldaten“, wie in repressiven Staaten bereits individuelle Glaubens- und Gewissensfragen als Insubordination gewertet und entsprechend sanktioniert werden. Zusätzlich zum Bezug auf die eigene Geschichte bietet der Film auch die Möglichkeit, mit Schüler*innen über Vor- und Nachteile gesellschaftlicher „Dienstzeiten“ zu diskutieren.
Der Film ist auf YouTube verfügbar unter https://youtu.be/8aLYoq6-jqg.


Gundermann
Andreas Dresen
Deutschland 2018
Spielfilm 127 Min.
empfohlen ab 14 Jahren

Gezeigt werden Episoden aus dem Leben des Baggerfahrers und Liedermachers Gerhard „Gundi“ Gundermann (1955 -1998). Sein Leben und seine Arbeit sind geprägt von Widersprüchen: Mit seiner Tätigkeit im Tagebau zerstört er die Umwelt, deren Schönheit er gleichermaßen in seinen Liedern besingt. Als sich herausstellt, dass er heimlich für die Staatssicherheit gearbeitet und Kolleg*innen und Bandmitglieder bespitzelt hat, muss sich Gundermann nicht nur vor seinen Freunden, sondern auch vor sich selbst rechtfertigen.
Mit den besten Absichten den falschen Weg einschlagen: Besonders bedrückend ist diese Entscheidung dann, wenn sich im Nachhinein nicht nur ein anderer Sachverhalt zeigt, sondern auch Menschen im engsten Umfeld dabei Schaden zugefügt wurde. Die Musik des in der Bundesrepublik wenig bekannten Liedermachers Gundermann werden die wenigsten Jugendlichen (noch) kennen. Sie können sich aber mit dem Entscheidungszwängen auseinandersetzen, die sein Leben in einem autokratisch regierten Staat erforderte. Die im Film gezeigten Lebensabschnitte des Liedermachers während des Bestehens der DDR und nach der Wiedervereinigung bieten sich für eine Sequentierung und vertiefende Auseinandersetzung mit Themen wie Lebensentscheidungen oder Recht und Unrecht im Unterricht an.

 

Das schweigende Klassenzimmer
Die Klärung des Sachverhalts
Ballon
Schwerter zu Spaten
Gundermann