Handlungssituation
Wenn ich meinen Schüler*innen in der Berufsfachschule oder der Fachschule Sozialpädagogik anbiete, ein Thema für den Religionsunterricht selbst zu wählen, dann entscheiden sie sich häufig für das Themenfeld Tod und Sterben. Dabei geht es den Lerngruppen nicht in erster Linie um allgemeine Informationen. Sie fragen konkreter: Was kann ich denn tun, wenn es einen Todesfall in der Kita gibt? Wie gehe ich dann mit den Kindern um? In welcher Form informiere ich die Eltern?
Damit setzen die Schüler*innen die Handlungssituation bereits selbst und formulieren ihr eigenes Ziel: handlungsfähig zu werden und einen „Plan zu haben“, wenn der Tod in die Kita kommt.
Damit Arbeitsergebnisse, die sich aus der Beschäftigung mit dem Thema ergeben, nicht einfach nur in den Mappen der Schüler*innen verschwinden, schlage ich den Lerngruppen vor, ein „Trauerhandbuch“ zu erarbeiten. Dieses kann in der Kita hinterlegt werden und kommt dann zum Einsatz, wenn tatsächlich mit einem Todesfall umgegangen werden muss.
Die Erarbeitung des Trauerhandbuches ersetzt einen schriftlichen Leistungsnachweis und erfolgt in Partner*innenarbeit. Der Erarbeitungsphase geht eine Unterrichtssequenz voraus, die sich an den konkreten Fragen der Lerngruppe orientiert und sich aus einer gemeinsam erstellten Mindmap ergeben kann.
Unterrichtssequenz
Für die Unterrichtssequenz wünschen sich die Schüler*innen in der Regel eine Mischung aus allgemeinen und konkreteren Informationen. Bewährt hat sich folgender Aufbau:
1. Trauerphasen bei Erwachsenen
2. Wie trauern Kinder?
3. Kinderbilder vom Tod
4. Jenseitsvorstellungen in den Weltreligionen
5. Deutung von Symbolen und Zeichen auf Grabsteinen
6. Gestaltung von Andachten und Ritualen zur Trauerbewältigung
in der Kita
Um sich mit Symbolen und Zeichen auf Grabsteinen zu beschäftigen, kann die Lerngruppe natürlich gemeinsam einen Friedhof in der Nähe besuchen. Es bietet sich dann an, die Klasse in Kleingruppen einzuteilen, die jeweils einen Bereich des Friedhofs genauer anschauen, auf Zeichen und Symbole achten und ein oder zwei Grabsteine auswählen, die sie anschließend der ganzen Gruppe zeigen. In der Regel ergeben sich auf diese Weise wie von selbst Gespräche über Symbole und Zeichen und deren Bedeutung. Bei Bedarf können mit Hilfe eines Symbollexikons einzelne Darstellungen vertiefend behandelt werden. Falls ein Friedhofsbesuch während der Unterrichtszeit nicht möglich ist, kann man die Schüler*innen bitten, auf den Friedhof ihres Wohnortes zu gehen und dort ein oder zwei markante Grabsteine zu fotografieren. Die Fotos können dann via IServ im Unterricht angeschaut und die Symbole gedeutet werden. Wichtig ist, dass wirklich eigene Fotos gemacht werden. Nur so sind die Schüler*innen veranlasst, tatsächlich einen Friedhof zu besuchen.
Für den letzten Schritt, eine Andacht und ein Ritual zur Trauerbewältigung zu gestalten, ist etwas mehr Input durch die Lehrkraft nötig. Selbstverständlich kann auch hier von Erfahrungen der Lerngruppe ausgegangen werden. Im Allgemeinen zeigt sich aber, dass nur wenige Personen einer Klasse eine Idee davon haben, wie eine Andacht aufgebaut sein könnte und wie man sie in der Kita feiert. Hier empfiehlt es sich, eine Andacht vorzustellen oder einen Ablauf für eine Andacht gemeinsam zu erarbeiten (M 1). Rituale zur Trauerbewältigung (Steine bemalen, Luftballons steigen lassen, Karten schreiben bzw. malen, Trauerecke einrichten etc.) entwickeln die Klassen meist sehr schnell von selbst.
Projektarbeit: Trauerhandbuch erstellen
Im Anschluss an die Unterrichtssequenz erfolgt die Aufgabenstellung, ein Trauerhandbuch zu erarbeiten (M 2).
Die Erarbeitung erfolgt zu zweit und es stehen dafür ca. fünf Doppelstunden zur Verfügung.
Neben der Erarbeitung einer Andacht und eines Rituals gehören auch eine Buchrezension und die Planung eines Elternabends zur Aufgabenstellung. Für die Buchrezension sollte eine Reihe von Kinderbüchern zum Thema zur Verfügung gestellt werden, die die Schüler*innen lesen und anschauen können. Als Thema für die Gestaltung eines Elternabends wählen die Tandems häufig „Trauer bei Kindern“ aus und machen auf diese Weise fruchtbar, was im Unterricht besprochen wurde. Der Hinweis, noch ein oder zwei zusätzliche Seiten zu gestalten, die über den gegebenen Rahmen hinausgehen, ermöglicht es den Tandems, das Handbuch um Geschichten, Gedichte, Zeitungsartikel oder Videotipps etc. zu ergänzen.
Zusätzlich zur Aufgabenstellung ist es hilfreich, den Lerngruppen auch einen Kriterienkatalog an die Hand zu geben, auf dessen Grundlage dann die Bewertung erfolgt (M 3).
Nach Fertigstellung der Trauerhandbücher werden diese in der Klasse präsentiert.
Lernen mit Kopf, Herz und Hand
Ein Trauerhandbuch zu erarbeiten, ist eine Aufgabe, bei der theoretische Unterrichtsinhalte für eine konkrete Situation in der Kita fruchtbar gemacht werden können. Darüber hinaus bietet die Aufgabe die Möglichkeit, auch eigene Ideen zum Thema zu entwickeln und diese auf die Situation in der Kita zu beziehen. Ist das Trauerhandbuch fertig, kann es in der Kita hinterlegt oder für die spätere eigene Arbeit aufgehoben werden. Kommt es dann im Alltag zu einer entsprechenden Situation, ist man auf diese vorbereitet und kann schnell methodisch und inhaltlich reagieren.
Die Aufgabe ist bewusst als Partner*innenarbeit gestellt. Die Tandems müssen sich auf diese Weise auf Inhalte verständigen, die Arbeit aufteilen und eine Gestaltungsidee für das Trauerhandbuch entwickeln. Die zur Verfügung gestellten fünf Doppelstunden reichen in der Regel nur für die inhaltliche Abstimmung der Tandems aus. Das Verfassen eigener Texte und die Gestaltung der Seiten erfolgt außerhalb der Unterrichtszeit.
Die Ergebnisse sind häufig liebevoll gestaltete Seiten mit Texten, die eher umgangssprachlich formuliert und natürlich auch nicht ohne Interpunktions- und Orthografiefehler sind. Trotzdem sind die Handbücher aussagekräftig und im Ernstfall einsetzbar. Da nicht alle Schüler*innen in der Lage sind, Seiten mit einem Computer zu gestalten, lasse ich offen, ob elektronisch oder mit der Hand oder in einer Kombination aus beidem gearbeitet wird.
Weitere projekt- und produktorientierte Ideen für die Berufsfachschule Sozialpädagogik
Ich versuche zunehmend, Leistungskontrollen durch projekt- und produktorientierte Aufgaben zu ersetzen. „Lernen für die Klassenarbeit“ dagegen leuchtet mir immer weniger ein, weil es in der Regel losgelöst von konkreten Arbeits- und Alltagssituationen bleibt. Projekt- und produktorientierte Aufgaben bieten dagegen die Möglichkeit, erworbenes Wissen zu sichern und darüber hinaus eigene Schwerpunkte bei der inhaltlichen Umsetzung zu setzen. Das Arbeiten in Teams fördert außerdem die Kommunikationsfähigkeit, nötigt zu Abstimmungsprozessen und zu inhaltlichen Diskussionen. Hinzu kommen Erfahrungen mit Zeitmanagement und Kreativität bei der Gestaltung eines Produkts.
Zwei weitere Ideen produktorientierter Projekte will ich kurz erwähnen:
Im Rahmen einer Einheit zu Feiertagen in der Kita bekommen die Schüler*innen die Aufgabe, einen Flyer für ihre Kita zu gestalten, der die Eltern darüber informiert, welche Feste und Feiertage in der Einrichtung gefeiert und gestaltet werden. In der Aufgabenstellung liegt ein Schwerpunkt auf der Frage nach der Bedeutung des Festes für die Kinder. Berücksichtigt werden sowohl die klassischen Feiertage als auch profane Feste wie das Sommerfest oder die Verabschiedung der Schulkinder.
Wer andere Religionen in den Blick nehmen möchte, kann den Lerngruppen die Aufgabe geben, zwei bis drei Feiertage einer Weltreligion inhaltlich zu erarbeiten und dann eine Idee zu entwickeln, wie einer dieser Feiertage in der Kita gestaltet werden könnte. Diese Aufgabe bietet sich als Konkretion zu einer Unterrichtseinheit an, in der Aspekte der Weltreligionen erarbeitet wurden.
Eine Projektaufgabe ganz anderer Art ist das Erstellen einer Umfrage zu „Jugend und Religion“. Hier geht es darum, einen eigenen Fragebogen zu entwickeln, um die Einstellung von jungen Leuten zur Religion und Glauben zu erheben. Das Erstellen des Fragebogens, das Durchführen der Umfrage und die Darstellung der Ergebnisse in einer Powerpoint-Präsentation führen nicht nur zu einem intensiven Austausch über religiöse Haltungen. Ganz nebenbei lernen Schüler*innen auch noch etwas darüber, wie Umfragen erstellt und ausgewertet werden und wie Ergebnisse in Diagrammen, Grafiken und Wortwolken dargestellt werden können.