175 Jahre Wandel, aber Gottes Mission bleibt! - Zur Geschichte der Hermannsburger Mission

von Michael Thiel

Als die Brigg mit dem Namen „Kandace“ 1853 in See stach und die ersten Missionare und Kolonisten im Auftrag der Hermannsburger Mission Segel setzten, um nach Äthiopien zu fahren, da verwirklichte sich nicht nur die Vision ihres Gründers Pastor Ludwig Harms, sondern der Wunsch und das Gebet vieler Menschen wurden wahr.
Das Evangelisch-lutherische Missionswerk in Niedersachsen (ELM) hat heute kein Schiff mehr. Aber es ist immer noch dem Auftrag Gottes zur Mission verpflichtet. Was hat sich inzwischen intern im Missionswerk und in der Welt verändert? Wo stellen wir das Verständnis der Mission in Frage und wie hat es sich entwickelt? Diesen Fragen soll hier nachgegangen werden.


Anfang in einer Zeit des Aufbruchs in der Kirche

Im 19. Jahrhundert gab es in der Kirche einen starken Aufbruch, das Evangelium nicht nur von der Aufklärung her zu interpretieren, sondern es wieder ganz mit dem Leben der Gläubigen in Verbindung zu bringen. Johann Hinrich Wichern und Ludwig (genannt Louis) Harms waren zwei Vertreter. Sie waren Studienkollegen in Göttingen und haben auch später Kontakt gehabt. Der eine gründete mit dem Rauhen Haus in Hamburg die breite Bewegung diakonischer Einrichtungen bis hin zum Diakonischen Werk in Niedersachsen unserer Tage; der andere steht für eine Gemeindebewegung, die in Norddeutschland das Anliegen, „das Evangelium zu den Heiden zu bringen“, stark machte.
Die Kirche war im Aufbruch, herausgefordert durch pietistische Entwicklungen und gesellschaftliche Not. Ich will hier den Weg des ELM von den Anfängen bis in die Gegenwart nachzeichnen und sein Missionsverständnis in Beziehung zu den Weltmissionskonferenzen ab 1910 in Edinburgh setzen.


Der Plan

Als Ludwig Harms 1844 als Collaborator 14 Jahre nach Abschluss seines Studiums zur Hilfe für seinen Vater im Pfarramt nach Hermannsburg kam, nahm ein gemeindlicher missionarischer Aufbruch seinen Lauf. Nach dem Tod des Vaters wurde er schließlich 1849, wenige Tage nach der Gründung des Missionsseminars, mit der Pfarrstelle in Hermannsburg ausgestattet. Obwohl er sich schon früher in Missionsvereinen engagiert hatte, bekam sein Eintreten für die Mission der Heiden nun eine neue Grundlage.
„Mission galt ihm als Sache der erweckten Kreise in den Gemeinden. Sie gründeten Missionsvereine und unterhalten Missionsgesellschaften, die Missionare ausbildeten und aussandten.“1  Als er nun endlich Verantwortung in einer Gemeinde übernehmen konnte, machte er sich sofort mit ihr auf den Weg. Er hatte schon in der Zeit als Hilfsprediger bei seinem Vater Pläne für ein Missionshaus gemacht. „Wie er sich Mission vorstellte, hat er in einer Denkschrift vom 28. Juli 1849 dargelegt. Wichtig ist ihm darin, daß Mission ‚Gestalt bildend‘ ist, also christliche Sitte und Gemeinschaft prägt. Er möchte, daß das Christentum die Heiden nicht nur als ‚neugebärende, sondern als umgestaltende Kraft‘ ergreift. Er orientiert sich dabei an den angelsächsischen Missionaren, die einst die Germanen missioniert haben. Sie kamen nicht als Einzelkämpfer, sondern in Gruppen von zwölf oder 20 und gründeten Klöster und Missionskolonien. Sie führten das Christentum durch ihre vorbildliche Arbeit ein und gründeten Gemeinden um sich herum. Dann zogen sie weiter und gründeten Tochtersiedlungen.“2
Dieses Modell wurde Vorbild für die Ausbildung der Missionare am Seminar, aber auch für die Vorbereitung von Handwerkern und Bauern, die mit den Missionaren3  zusammen auf der Kandace ausreisten und zunächst in Südafrika Neu-Hermannsburg gründeten.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass es um mehr ging als die Vermittlung des christlichen Glaubens. Er war nach dem zeitgenössischen Verständnis eng verbunden mit ethischen Grundregeln, bestimmten kulturellen Traditionen und der Art, wie sich in Norddeutschland Dorfgemeinschaften, aber auch Kirchen organisierten. Durch die Siedlungen sollte anschaubar sein, was ein christliches Leben ausmacht, und zur Nachahmung einladen. Die Grenze, inwiefern dies mit Übernahme von Kulturtechniken und ethischen Grundregeln und Ordnungen verbunden ist, ist fließend.
1853 fuhr die erste Gruppe von Missionaren und Kolonisten los, um eine Arbeit unter den Oromo in Äthiopien zu beginnen. Da sie aber nicht ins Land einreisen konnten, fuhren sie zurück und begannen ihre Arbeit in Südafrika.
Um mit den Indigenen ins Gespräch zu kommen und häufig auch um die Bibel zu übersetzen, legten Missionare und später Missionarinnen der Hermannsburger Mission großen Wert auf das Erlernen der indigenen Sprache. Hier hatten die Sprachlehrer und Begleiter der Missionare, die Häuptlinge als Gesprächspartner und Ermöglicher eine wichtige Rolle. Fidon Mwombeki schreibt im Blick auf die kreative Aneignung des Glaubens und die Ausbildung eigener Spiritualität, die „Hauptakteure der Mission sind immer die eingeborenen Menschen gewesen. Sie brachten den Missionaren die Sprache bei, sie zeigten ihnen, was zu tun war, sie begleiteten sie, sie gaben ihnen Essen und Grundstücke, um Kirchen zu bauen, und bauten die Kirchen mit ihren eigenen Händen.“4
Was das Erlernen der Sprache und in einigen Fällen auch die Erstellung eines Wörterbuches und einer Grammatik zur Dokumentation und letztlich dem Überleben einer Sprache beigetragen haben, belegt 2015 der Besuch eines Frauenchores von Aborigines aus Hermannsburg in Australien in Niedersachsen. Sie bezeugten, dass ihre Sprache nur mit diesen Büchern und der Verschriftlichung heute wieder gesprochen werden kann und so zur Identität ihrer Ethnie entscheidend beiträgt. Dafür sind sie der Mission sehr dankbar.
Pastor Ludwig Harms und nach ihm die leitenden Männer des Missionswerkes haben in den ersten Jahrzehnten mit starker persönlicher Autorität und aus heutiger Sicht patriarchaler Macht gewirkt. Die „Zöglinge“ wie die Seminaristen genannt wurden, mussten sich in einem Gelöbnis Harms wie einem Vater verpflichten und „sich während ihrer Ausbildung mit dem Herrn Jesus verloben“5 .
Es ist zu vermuten, dass die so ausgebildeten Männer ihrerseits autoritär und patriarchal geprägt ihren Dienst taten.


Weltmissionskonferenz 1910

1910 wurde die erste Weltmissionskonferenz nach Edinburgh einberufen. Die Teilnehmenden kamen überwiegend von den Missionsgesellschaften aus dem Anglo-Nordamerikanischen Raum. Die Konferenz beriet über die Evangelisierung der Welt in einer Generation. Afrika und Lateinamerika waren nicht vertreten. Der Blick war von Norden in den globalen Süden gerichtet. Die, über die gesprochen wurde, waren nicht anwesend.
Strukturell führte der Weg der Missionskonferenzen über die Gründung des Internationalen Missionsrates 1921 schließlich zu dessen Einbindung in des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) 1961 als Abteilung für Weltmission und Evangelisierung schließlich zur Konferenz für Weltmission und Evangelisation seit dem Jahr 2000.
Heute sind die Kirchen des globalen Südens nicht mehr wegzudenken und erheben ihre Stimmen in den Beratungen. Die Stichworte Gerechtigkeit, Heiliger Geist, Kontext und Glaube, Christentum und andere Religionen bestimmen die Diskussionen, so dass der Plan der reinen Ausbreitung des Evangeliums wie er in Edinburgh 1910 formuliert worden ist, durch die Diskussionen und theologischen Reflexionen, vor allem aber durch den größeren Einfluss der Kirchen aus dem globalen Süden sich erheblich erweitert hat. Seit der Weltmissionskonferenz in Willingen 1952 hat sich der Gedanke der Missio Dei durchgesetzt. Gott ist Subjekt der Mission, die als ganzheitliche Mission verstanden wird und sich in ihren Aktionen an den benannten Bedürfnissen des Gegenübers orientieren muss. Ganz im Sinne Jesu, der Menschen fragt: „Was willst du, dass ich für dich tun kann?“ (Lukas 18,41)


Nichts bleibt, wie es ist

Diese Entwicklung hat sich auch in der Arbeit der Hermannsburger Mission niedergeschlagen. Auf die Auswirkungen der beiden Weltkriege auf die Arbeit der Mission kann hier nicht näher eingegangen werden. In der Zeit des Nationalsozialismus ab 1933 wurde im Missionswerk eine Position gesucht, die die Arbeit irgendwie weiter möglich machte, ohne sich zu eng mit der Partei oder den Deutschen Christen zu verbinden. Es gab einerseits den Rücktritt aus dem Landeskirchentag des Missionsdirektors Christoph Schomerus, den er schriftlich begründete und 1934 eine aktive Teilnahme an einer Bekenntnisversammlung in Hannover6 , andererseits hatten „Missionsmitarbeiter im Ausland, ... ein vitales Interesse an einer außenpolitischen starken Heimat ... und verfolgten im Rundfunk auch die Hitlerreden zur Rheinlandbesetzung und zur Besetzung Österreichs mit großem Interesse.7
Auch die Stellung zu den Rassengesetzen war nicht eindeutig. Gunther Schendel stellt fest: „Ein entscheidender Schnittpunkt ist das Denken in den Kategorien der Differenz: Wie der Nationalsozialismus zwischen den Rassen und Völkern strikt unterscheidet, so betonten auch die Hermannsburger Missionsvertreter die Eigenart der Völker und Rassen und zementierten sie mit dem Hinweis auf deren Charakter als ‚Gottesgabe‘ bzw. ‚Schöpfungsordnung Gottes‘. Diese Betonung der Eigenart hat eine deutliche Ambivalenz: Einerseits soll sie (in der Tradition der deutschen Missionswissenschaft seit dem 19. Jahrhundert) die Kultur und Sprache der betreffenden Völker schützen; andererseits besteht aber auch die Gefahr, dass die Betonung der Differenz den Völkern ihre Entwicklungswege vorschreibt und zur Billigung der politischen Ungleichheit wird.“8 
Fritz Hasselhorn benutzt zur Einordnung dieses Phänomens den Begriff des „Kulturellen Überlegenheitskomplexes gegenüber den Afrikanern.“9  So war die Position gegenüber der Apartheidspolitik in Südafrika nicht eindeutig und es brauchte einen Weg des Lernens, Verstehens, Sich-Positionierens und der Aufarbeitung.
In den 1960er- und 70er-Jahren hatte in Rückbindung auf die Anfänge und als Reaktion auf die Gesellschaft die Volksmission, d.h. missionarische Verkündigung und Stärkung der Gemeinden große Priorität. 2005 wurde durch Beschluss der Landeskirche Hannovers in dem sog. Aktenstück 98 diese Arbeit des „Gemeindedienstes“ in die Missionarischen Dienste des Hauses kirchlicher Dienste (HkD) umgegliedert und zusammengefasst und die Schließung des Missionsseminars beschlossen.
Beide Entscheidungen waren ein großer Einschnitt in das Selbstverständnis des ELM. Nun arbeitete die Mission mit dem Slogan Partner in Mission. Die Frage, welche Zusammenarbeit die Partnerkirchen mit dem ELM wollten, wurde wichtig. Die Notwendigkeit, Personal zu entsenden, veränderte sich, weil die nach dem Zweiten Weltkrieg selbstständig gewordenen Kirchen des Südens längst eigenes Personal ausbildeten und einsetzten. Außerdem fehlen, seit keine Missionar*innen mehr ausgebildet werden, Menschen, die sich auf Zeit senden lassen. Denkbar ist im Konzept des ELM auch heute noch eine Entsendung, wenn Partner darum bitten und deutlich machen können, warum für diese Aufgabe jemand aus Deutschland kommen soll. Verändert hat sich, zunächst gar nicht bewusst wahrgenommen, dass das ELM durch seine Projektförderungen zeitweise mehr als 100 Stellen und Stellenanteile für einheimische Mitarbeitende in den Kirchen des Südens finanziert.
Die Gründung der Fachhochschule für interkulturelle Theologie 2012 geschah mit dem Wunsch, Menschen in einem internationalen Kontext für die weltweiten Herausforderungen der Auslegung der Bibel und praktischen Umsetzung des Glaubens in der Begegnung der unterschiedlichen christlichen Kirchen und Gemeinschaften sowie auch mit anderen Religionen auszubilden. Ein weiter Masterstudiengang der theologischen Fakultät Göttingen wurde von Hermannsburg aus entscheidend mitgestaltet. Auf Grund der finanziellen Entwicklung wird die Hochschule in Hermannsburg 2025 schließen. Der wichtige Impuls, Interkulturelle Theologie in Deutschland fest zu etablieren und Studierende in einem internationalen Kontext auszubilden, hat Wirkung gehabt und wird am Studienort Göttingen weiterleben. Das ELM will hier weiter Verbindungslinien zur Vernetzung in die Kirchen und Gemeinden pflegen und an der Nahtstelle zwischen Universität, Missionswerk und Kirche arbeiten.
Seit 2012 gibt es Partnerkirchenkonsultationen im Abstand von zwei bis drei Jahren. Bei dieser Gelegenheit treffen sich die internationalen Partner des ELM mit Vertretern der Landeskirchen Hannovers, Schaumburg-Lippes und Braunschweigs. Gemeinsam werden Themen, die durch ein international zusammengesetztes Team vorbereitet werden, besprochen und Verabredungen für die weitere Zusammenarbeit getroffen.


Gottes Mission bleibt

So hat sich die Arbeit von dem Gedanken: „Wir bringen das Evangelium zu den Heiden“, wie es im 19. Jahrhundert formuliert wurde, verändert zu dem Gedanken: Christen aus aller Welt begleiten einander auf dem Weg, Kirche zu sein, die Botschaft des Evangeliums in den jeweiligen Kontexten zu verkündigen, ihm in Wort und Tat als „holistic mission“ Gestalt zu geben und so Menschen zum Glauben einzuladen. Das geschieht ganz praktisch im Kontext von Themen wie: Gendergerechtigkeit, Frieden, Armut, Kirchenentwicklung, Diversität, Nachhaltigkeit und Advocacy. Diese Themen setzen die Beteiligten gemeinsam und inhaltliche Impulse geben Menschen aus aller Welt. Die Arbeit des Missionswerkes versteht sich heute mehr als eine Plattform, die Kirchen aus aller Welt miteinander ins Gespräch bringt, interkulturelle Theologie ermöglicht, die Vormacht der Theologie des Nordens relativiert und der Stimme des Südens Gehör verschafft. Möglich wird dies durch interkulturelle Bildungsarbeit und insbesondere durch die unterschiedlichsten Austauschprogramme.
In diesen Begegnungen kommt es immer wieder zu schwierigen Situationen, die sich aus dem Verständnis des biblischen Textes oder aber den unterschiedlichen kulturellen Kontexten ergeben. So werden Fragen im Zusammenhang mit Ehe, Sexualität, Lebensführung, Kindererziehung, Gleichberechtigung, Ordination von Frauen und Demokratie in der Kirche unterschiedlich beantwortet und bringen beide Seiten in Schwierigkeiten. 2012 wurde bei einer Partnerkirchenkonsultation des ELM auch über die verschiedenen Positionen zum Umgang mit Homosexualität in den Kirchen gesprochen. Für viele der Partner ist es undenkbar, offen gleichgeschlechtliche Liebe zu leben oder sogar die Menschen zu segnen. Wir andererseits möchten queeren Menschen zeigen, dass wir sie als ganze Person, von Gott geschaffen und geliebt, in der Gemeinde annehmen, und sehen keinen Grund, die sexuelle Orientierung zu verheimlichen oder aus diesem Grund Menschen vom Pfarramt auszuschließen. Nach vorsichtiger Diskussion verständigte man sich in einem Papier auf folgendes:
So wollen wir mit den vorhandenen Herausforderungen umgehen:
•    Die vorhandenen Positionen sollen ehrlich beschrieben werden.
•    Wir wollen genau zuhören.
•    Wir wollen ehrlich und kritisch darauf eingehen.
•    Wir versuchen zu beschreiben, was uns einigt und verbindet.

Diese Verabredung ist das Ergebnis gleichberechtigter Partner, die miteinander strittige Fragen bearbeiten, aber an der durch den Glauben an Christus gefundenen Einheit festhalten wollen. Die Einheit kostet Kraft, insbesondere von den Personen, die durch die verschiedenen kritischen Themen auf beiden Seiten persönlich betroffen sind. Die Interpretation biblischer Texte fordert uns heraus.
Gleichzeitig bewegen wir uns gemeinsam im Kontext der Menschenrechte und arbeiten am Thema der Gerechtigkeit im umfassenden Sinn. Die Frage noch kolonialem Verhalten stellt sich in der Gegenwart also wieder neu. Nutzen wir im globalen Norden unsere finanzielle Stellung aus, um den globalen Süden zu bestimmten Positionen in ethischen Fragestellungen zu zwingen? Woher nehmen wir uns das Recht, die eine Position für richtig und die andere für falsch zu halten? Sind wir bereit, in diesen Aushandlungsprozessen Partner zu akzeptieren? Wo sind für die jeweilige Seite rote Linien, die eine Zusammenarbeit aus theologischen und menschenrechtlichen Gründen nicht mehr möglich machen, und wer entscheidet das? Auch der Lutherische Weltbund diskutiert diese Fragen für die Mitgliedskirchen seit einiger Zeit.10
Wir sind im Jahr 2015. In meinem Büro in Hermannsburg besucht mich ein Bischof aus Südafrika. Mit großer Freundlichkeit und Herzlichkeit sagt er: „Wir waren eure Kinder, … nun sind wir Geschwister.“ Ich musste einen Moment schlucken. Dann denke ich: Kürzer lässt sich der gemeinsame Weg und die notwendigen Veränderungen in den Beziehungen theologisch nicht beschreiben. Geschwister suchen sich einander nicht aus. Gott sendet uns füreinander zueinander. Vom Norden in den Süden und umgekehrt. Er beauftragt uns mit seiner Mission. Es bleibt die Aufgabe, immer wieder neu zu fragen, was diese Mission in unserem Kontext heute ist, damit Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und das Leben in Fülle11  haben.
Was aber bedeutet der Auftrag der Mission im Blick auf andere Religionen? Das ökumenische Dokument „Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt“12  formuliert als Grundlage für das christliche Zeugnis zuerst: Für Christ*innen ist es ein Vorrecht und eine Freude, Rechenschaft über die Hoffnung abzugeben, die in ihnen ist, und dies mit Sanftmut und Respekt zu tun (vgl. 1. Petr 3,15).
Das Dokument hält fest, dass nach offener und ehrlicher Begegnung am Ende „die Bekehrung dabei jedoch letztendlich das Werk des Heiligen Geistes ist (vgl. Joh 16,7-9; Apg 10,44-47).“ Hinter diesem Satz verbirgt sich nicht Feigheit vom Glauben zu reden, sondern die Gewissheit, dass es immer Gottes Mission ist und er selbst für seine Sache eintritt.
Das war ein weiter Weg von den Anfängen des ELM und der ersten Missionskonferenz in Edinburgh bis hierhin. Unsere Partner sind dankbar, dass wir ihn gemeinsam gegangen sind und weitergehen.
2018 fand die Weltmissionskonferenz in Arusha, Tanzania statt. Die Konferenz wollte einen christlichen Beitrag für mehr globale soziale Gerechtigkeit und Frieden leisten. Unter dem Leitwort „Im Geiste voranschreiten: Zu verwandelnder Nachfolge berufen“ wurde über die Weiterentwicklung des Missionsverständnisses beraten. Dazu ist der Kontext in Afrika hilfreich gewesen; gleichzeitig macht die Konferenz die Erfahrung, dass es auch Themen gibt, die in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlich gewichtet werden und wo das Gespräch nicht immer möglich ist. Europa ist nicht mehr das Zentrum der Christenheit, im globalen Süden gibt es auch andere Themenprioritäten. Gemeinsam auf dem Weg bleiben heißt auch hier: Hören, Akzeptieren und an dem Gemeinsamen im Glauben festhalten. Nur so kann aus kolonialistischer Mission gemeinsam gelebte Missio Dei werden.

Anmerkungen

  1. Steege: Ludwig Harms, 32.
  2. Lüdemann: Grüßet alle meine Kinder, Band VI, 33f.
  3. In den ersten Jahrzehnten wurden nur Männer ausgebildet und entsandt. Deren Ehefrauen folgten ihnen später.
  4. Mwombeki, Begegnung auf Augenhöhe?, 75. F. Mwombeki war von 2006 bis 2016 Generalsekretär der Vereinigten evangelischen Mission (VEW) in Wuppertal.
  5. Tamcke, Die Missionsanstalt Hermannsburg in Deutschland, 35.
  6. Gremmels, Die Hermannsburger und das „Dritte Reich“, 73 ff.
  7. A.a.O., 94.
  8. Schendel, Die Missionsanstalt Hermannsburg in der Zeit des Nationalsozialismus, 83.
  9. Vgl. Hasselhorn, Bauernmission in Afrika, 212.
  10. Vgl. zum Beispiel LWB, Das Selbstverständnis der lutherischen Kirchengemeinschaft; pdf: https://kurzelinks.de/8nbo (25.052024).
  11. Siehe 1. Timotheus 2,4 und Johannes 10,10.
  12. https://kurzlinks.de/nizy (25.052024).

 

Literatur

  • Gremmels, Georg (Hg.): Die Hermannsburger und das „Dritte Reich“. Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission und des Ev.-luth. Missionswerkes in Niedersachsen Band XIII, Münster 2005
  • Hasselhorn, Fritz: Bauernmission in Afrika. Die Hermannsburger Mission im Spannungsfeld der Kolonialpolitik 1880 – 1939, Erlangen 1988
  • Knuth, Anton, Unterdrückt oder befreit?, in: Mission, Kolonialismus, Partnerschaft, Theologische Impulse der Missionsakademie 20, Hamburg 2022
  • Lüdemann, Ernst-August (Hg.): Grüßet alle meine Kinder, Hermannsburg 1998
  • Lutherischer Weltbund (Hg.): Das Selbstverständnis der lutherischen Kirchengemeinschaft. Ein Studiendokument, o.O. 2015, https://kurzelinks.de/8nbo (pdf-Datei; 06.05.2024)
  • Mwombeki, Fidon: Begegnung auf Augenhöhe?, in: Zeitschrift für interkulturelle Theologie (ZMiss) 2010, 72-85
  • Schendel, Gunther: Die Missionsanstalt Hermannsburg in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Gremmels, Georg: Die Hermannsburger und das „Dritte Reich“, Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission und des Ev.-luth. Missionswerkes in Niedersachsen Band XIII, Münster 2005
  • Steege, Heinrich: Ludwig Harms, Hermannsburg 1958
  • Tamcke, Martin: Die Missionsanstalt Hermannsburg in Deutschland, in: Lüdemann, Ernst-August (Hg.): Vision Gemeinde Weltweit, Hermannsburg 2000