Konfis entdecken Gott in ihrem Leben
How to explore God? Wie können Konfis Gott in ihrem Leben entdecken? In unserem Beitrag gehen wir diese Frage in drei Schritten an: Zunächst beschreiben wir Voraussetzungen, unter denen wir uns mit dieser Frage beschäftigen: Skills. Danach skizzieren wir eine kleine Auswahl von unserer Meinung nach zeitgemäßen Ansätzen, mit denen sich das Themenfeld erschließen lässt: Tools. Im dritten Schritt präsentieren wir einen Vorschlag, wie das Thema in der Praxis Gestalt finden kann: Skins.
Skills
Für die Bearbeitung der Frage, wie in der Konfi-Arbeit das Thema „Gott“ ins Spiel gebracht und für das Leben von Konfis bedeutsam umgesetzt werden kann, gehen wir von bestimmten Voraussetzungen aus.
Nach unserem Verständnis steht das Wort „Gott“ – unabhängig von verschiedenen Schreibweisen – als geprägter Begriff oder auch „smarte Variable“1 für das, was für uns das Wichtigste im Leben und im Sterben ist.2 Es geht also ums Ganze unserer Existenz. Das Thema geht also auch die etwas an, die nicht an „Gott“ glauben, und führt zu den Kernfragen unseres persönlichen Selbstverständnisses.
Gott ist für uns keine Projektion. Die Frage, ob es Gott überhaupt geben kann angesichts des Leidens in der Welt, wird nicht von vornherein verneint. Wir rechnen mit der Möglichkeit, dass Gott uns begegnet, wenn wir uns mit all unseren existenziellen Fragen, Zweifeln und Hoffnungen auf den Weg zu ihm machen. Es gilt die Zusage aus Jeremia 29,13: „Wenn ihr mich sucht, werdet ihr mich finden.“ Der Vielfalt der Gotteserfahrungen ist keine Grenze gesetzt und kann sich für jeden und jede anders gestalten.
Mit allen Sinnen und an allen Orten lassen sich Gottes Spuren entdecken. Die gesammelten Erfahrungen der biblisch-christlichen Überlieferung bieten gemeinsam mit vielen anderen religiösen Traditionen Anknüpfungspunkte, die durchaus experimentell ausprobiert werden dürfen.3 Der überwältigende Blick in den Sternenhimmel kann genauso wie eine kirchenpädagogische Erkundung alter Steinfiguren zur Berührung mit Gottes Gegenwart führen.
Es lohnt sich, Kraft-Orte des Glaubens aufzusuchen und ebenso, Menschen zu begegnen, die von ihren Erlebnissen mit Gott glaubwürdig erzählen. Neben lebenserprobten Erwachsenen gewinnen die Erfahrungen jugendlicher Teamer*innen zunehmend an Bedeutung. Nicht viel älter als die Konfis, leuchten die Zeugnisse ihres Glaubens in der Nähe der eigenen Lebensgestalt unmittelbarer ein.
Um Gott im Leben zu entdecken, ist die biografische Perspektive entscheidend. Die je individuelle Lebens- und Glaubensgeschichte der Konfis muss in den Blick genommen werden, um die Relevanz der Gotteserfahrung subjektiv plausibel zu machen. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass immer weniger Jugendliche in ihrem Alltag mit Religion in Berührung kommen. „Die Bedeutung des Biografischen wächst in dem Maße, wie die Selbstverständlichkeit des Religiösen abnimmt.“4
Angesichts der unübersichtlichen Vielfalt von Lebensbezügen werden Jugendliche eingeladen, in Form einer biografischen Selbsterzählung ihre Lebensstränge zu einer eigenen „Story“ zusammenzubinden, die Sinn und Identität stiftet.5 Auf unser Thema bezogen: Meine persönliche Geschichte wird ein Teil der großen Story Gottes, die aber immer noch größer ist als alle unsere Stories zusammen.
Erfahrungen mit Gott machen Jugendliche in ihrer Begegnung mit Kirche nicht nur in ihrer Zeit als Konfi. Ein gutes Zusammenspiel aller Akteur*innen fördert die Entwicklung einer individuellen religiösen Bildungsbiografie. Die Verknüpfung mit Angeboten für Kinder, Familien und Jugendliche, die Nachbarschaft zum Religionsunterricht, die achtsame Gestaltung kasueller Übergänge und seelsorgerlichen Begegnungen verbinden sich zu einem Ganzen.6 Sie ermöglichen jungen Menschen, im Laufe der Jahre unterschiedlichste Erfahrungen hin zu ihrem eigenen Glaubens-Stil zu entwickeln.7 Gott zu entdecken, ist ein Abenteuer für das ganze Leben.
Tools
In der Literatur zu Konfi-Arbeit finden sich viele Beispiele zur konkreten Arbeit mit Jugendlichen in dem Themenbereich „Gott / Gottesvorstellungen“. Drei möchten wir hier kurz vorstellen8:
1. „Konfis auf Gottsuche“
In ihrem Buch „Konfis auf Gottsuche“ gehen Hans-Ulrich Keßler und Burkhardt Nolte von der Annahme aus, dass jeder Mensch, unabhängig von der eigenen Verortung im christlichen Glauben, über Bilder von Gott verfügt, die eigene religiöse oder kirchliche Erfahrungen widerspiegeln und die eigene Interpretation von Erlebnissen beeinflussen.9 Die auf eigenen Erfahrungen beruhenden Gottesbilder sind sozusagen der Filter für die Deutung weiterer Erlebnisse als auf Gott hin zu deutende Ereignisse. Um Ereignisse religiös deuten zu können, braucht der Mensch ein Repertoire an metaphorischen Gottesbildern. Dieses wirkt der Festlegung auf ein Gottesbild entgegen. Wo vielfältige Erlebnisse als Deutungsrahmen für Gottes Handeln verstanden werden, kann Gott auf vielfache Weise gedeutet werden. Keßler und Nolte setzen dies in der Einheit „Gott – mach dir (k)ein Bild“10 um, indem die Konfis ausgehend von den Veränderungen in ihren eigenen Gottesvorstellungen von Kindheit bis Konfi ein Bild auf einer Holzfliese gestalten. Zu den gestalteten Bildern werden passende Verben zu möglichen Handlungen Gottes gesucht (beschützen, begleiten, richten etc.). Zu exemplarischen Lebenserfahrungen wird die jeweils passende Fliese gesucht. Die Konfis erleben, wie sich Gottesvorstellungen durch unterschiedliche auf Gott hin gedeutete Erlebnisse verändern können. Damit wird ganz konkret, dass Gott nicht auf ein Bild festgelegt werden kann.
2. „Spirittools“
Auf Grundlage ihrer Rostocker Langzeitstudie zu Gottesverständnis und Gottesbeziehung von Kindern in mehrheitlich konfessionslosen Kontexten11 hat Anna-Katharina Szagun das Materialset „Spiritools“12 entwickelt, mit dem Gottesbilder und Gottesbeziehungen anschaulich dargestellt werden können. Eine der wesentlichen Erkenntnisse der Studie liegt darin, dass frühkindliche Gotteskonzepte geprägt werden von den Bildern, die Kindern im Erleben, in Gesprächen und als Antworten auf ihre Fragen angeboten werden. Aus vielfältigen „Versatzstücken“13 konstruieren Kinder ihre eigenen Gottesvorstellungen. Die Aufgabe der begleitenden Erwachsenen sieht Szagun darin, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, ein mitwachsendes Gottesbild zu entwickeln. Durch die ständige Weiterentwicklung und Anpassung an Lebenserfahrungen kann dieses mitwachsende Gottesbild eine lebenslange Quelle von „Orientierung, Kraft, Mut und Zuversicht“14 werden.
In der Arbeit mit den „Spiritools“ werden Gegenstände, die für zentrale Gottesmetaphern stehen (Licht, Kraft etc.), zur Darstellung eines eigenen Gottesbildes verwendet. Verschiedenfarbige Figuren können, a. das eigene momentane Gefühl von Gottesnähe bzw. Gottesferne abbilden und b. darstellen, welche Emotionen mit einzelnen Bestandteilen des Gesamtbildes verknüpft sind. Um zu betonen, dass Gottesvorstellungen und -beziehungen dem Wandel des Lebens unterliegen, ist es bei der Arbeit mit den „Spiritools“ von entscheidender Bedeutung, dass entweder die bisher wahrgenommenen Veränderungen des eigenen Gottesbildes mit in das Gesamtbild einfließen oder deutlich gemacht wird, dass dies Bild nur eine Momentaufnahme ist.
3. „Gott schön schreiben“
Sandra Bohlken beschreibt in „Gott schön schreiben“15 Übungen für Konfis, in denen über die eigene Schrift und Gestaltung ein Zugang zu den eigenen Gottesvorstellungen geschaffen werden kann. „Gott schreiben“ steht dabei in enger Verbindung zu den Zuschreibungen Gottes. „Gott schön schreiben“ darf hierbei nicht absolut verstanden werden. Bewusst können auch die unschönen oder schwierigen Seiten Gottes dargestellt werden. Mit Hilfe von verschiedenen Schriftweisen und Schrifttypen, Symbolen und Bildern werden die Konfis angeregt, ein eigenes Gottesbild zu reflektieren oder zu entwickeln.
Im zweiten Teil ihrer Einheit entwickeln die Konfis eigene Zuschreibungen und Namen für Gott, indem sie von ihren eigenen Gefühlen und den dahinter verborgenen Sehnsüchten ausgehen. So können Gottesnamen entstehen wie „Die (…) mir gerecht wird“ oder „Der (…) mich achtet“16. Indem sich die Konfis hier an eigene Gefühle erinnern, diese mit Sehnsüchten verbinden und auf Gott hin deuten, können sie in der Begegnung mit traditionellen Gottesnamen die Gefühle und Sehnsüchte hinter diesen erahnen.17
Skins18
Als Praxisidee haben wir den Vorschlag, im Laufe der Konfizeit eine Art digitales Sammelalbum zu erstellen, in dem die Konfis ihre persönlichen „Gotteserfahrungen“ (Videos, Bilder, Erlebnisse, Orte, Interviews etc.) festhalten. Die mit dem eigenen Handy erstellte Sammlung kann nach Absprache – und in Auswahl – zu einem Gemeinschaftswerk zusammengestellt und z.B. bei einem Vorstellungsgottesdienst präsentiert werden. Alternativ kann natürlich auch mit der klassischen „Schatzkiste“ gearbeitet werden, die sich im Verlauf der Konfizeit mit Bildern, Texten, Gegenständen etc. füllt. Die einzelnen Sammelbilder können z.B. mit Hilfe der im Abschnitt „Tools“ beschriebenen Gestaltungsansätze entwickelt werden.
Ergänzend dazu schlagen wir hier in Spiegelstrichen weitere methodische Impulse vor, die je nach Vorliebe und Talent mit den Konfis durchgeführt werden können.19
- Gottesvorstellungen auf Spiegelscherben clustern
- „Hier ist Gott“ – Expeditionen zu Gottes-Orten
- „Gott in meinem Leben“ als Körperübung
- Gott und ich – ein Fadenbild
- Eine Fantasiereise zu Psalm 23
- Gottes Nähe als Klangraum
- Bilder von Gott in den Psalmen
- Gottes-Geschichten-Schatz
- Von Gott umgeben in den Medien
- Ein Jahr ohne Gott – ein Experiment
- Meine Gottes-Schatzkiste
Anmerkungen
- Beuscher, God is in the house, 20.
- Oder wie bei Rosenow, Subjektorientierte Religionspädagogik konkret, 14: „‘Gott‘ ist (…) die Kurzformel für unsere Erfahrung der Unverfügbarkeit, für eine besondere Perspektive, aus der wir unser Leben sehen, für die Bereitschaft, konkrete Vollzüge im Horizont des mitgesetzten Anderen zu betrachten.“
- Vgl. Niemeyer, 100 Experimente mit Gott.
- Simojoki, Gott im Leben, 5.
- Vgl. Keupp u.a., Identitätskonstruktionen.
- Vgl. EKD (Hg.), Religiöse Bildungsbiografien ermöglichen.
- Vgl. u.a. Domsgen, Religionspädagogik, 292-319. Für eine individuelle Religiosität ist es notwendig, religiöse Kindheitsmuster zu überarbeiten und Gott und die Welt immer wieder neu zu erfinden, auch wenn im Ergebnis vieles „Patchwork“ bleibt.
- Die genauen Ausführungen zur praktischen Umsetzung sind den entsprechenden Materialien zu entnehmen.
- Keßler und Nolte, Konfis auf Gottsuche, 104.
- A.a.O., 104-119.
- Vgl. Szagun, Dem Sprachlosen Sprache verleihen.
- Die „Spiritools“ können im Michaeliskloster erworben werden. www.material-michaeliskloster.de/materia lien/kindergottesdienst/1018/spiritools-materialset-zur-arbeitshilfe-gottesbilder-ins-spiel-bringen?c=232 (gekürzt: https://bit.ly/3MHqZPA)
- Szagun, Gottesbilder ins Spiel bringen, 4.
- A.a.O., 5.
- Vgl. Bohlken, Gott schön schreiben.
- Vgl. ebd.
- Dieses Vorgehen lässt sich in den Vorschlägen von Gundula Rosenow zur Subjektorientierten Religionspädagogik konkret wiederfinden.
- In Computerspielen bezeichnet man als „Skins“ die Möglichkeit, Charakteren ein anderes Aussehen zu geben. Auf die praktische Durchführung der oben beschriebenen Methoden übertragen bedeutet dies, dass Jugendliche für ihre jeweils eigenen Gotteserfahrungen eine singuläre Ausdrucksform finden.
- Ausführlichere Beschreibungen der einzelnen Impulse finden sich im Materialteil als Download.
Literatur
- Beuscher, Bernd: „God is in the house”. Eine ökumenische Besinnung, in: das baugerüst (4) 2022, 19-21
- Bohlken, Sandra: Gott schön schreiben. Zugänge zum eigenen Gottesbild, in: KU Praxis 68: Gott suchen – draußen und drinnen, Gütersloh 2023
- Domsgen, Michael: Religionspädagogik, Leipzig 2019, 292-319
- EKD (Hg.): Religiöse Bildungsbiografien ermöglichen. Eine Richtungsanzeige der Kammer der EKD für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend für die vernetzende Steuerung evangelischer Bildungsarbeit, Leipzig 2022
- Keßler, Hans-Ulrich / Nolte, Burkhardt: Konfis auf Gottsuche. Der Kurs Handbuch für Unterrichtende, Gütersloh 2019
- Keupp, Heiner, u.a.: Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne, Reinbek 4. Auflage 2008
- Niemeyer, Susanne: 100 Experimente mit Gott. Von Abenteuer bis Zuversicht, Freiburg 2018
- Rosenow, Gundula: Subjektorientierte Religionspädagogik konkret. Praxisbausteine für Schule und Gemeinde, Stuttgart 2021
- Simojoki, Henrik: Gott im Leben. Die biografische Perspektive des Glaubens im Religionsunterricht, in: Religion 5 bis 10 (46) 2022, 4-7
- Szagun, Anna-Katharina: Dem Sprachlosen Sprache verleihen. Rostocker Langzeitstudie zu Gottesverständnis und Gottesbeziehung von Kindern, die in mehrheitlich konfessionslosem Kontext aufwachsen, Jena 2006
- Szagun, Anna-Katharina: Gottesbilder ins Spiel bringen, in: Michaeliskloster Hildesheim (Hg.), KIMMIK-PraxisGreenLine 07, Hildesheim 2015
- Wiemer, Axel: Gott ist kein Pinguin. Theologie in religionspädagogischer Perspektive, Göttingen 2011