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Gott als Frage

von Christina Harder

Philosophieren über „Gott“ in meinem Leben und dem Leben anderer. Unterrichtsbausteine für den Sekundarbereich I (Jahrgänge 8-10)

Gott? Ach Gott! Ja, ich hörte von ihm. Ich habe ihn mir auch schon manchmal vorgestellt. Aber – er hat sich noch nicht bei mir vorgestellt.
Gott? Wer, wie, was, wieso weshalb, warum? Das ist hier die Frage. „Gott“ als Frage: Wie genau lautet sie? Ist es die Frage nach Gott, oder eine Frage an Gott? Und – interessiert diese Frage hier bei uns in Deutschland überhaupt noch jemanden außer den Theolog*innen und einigen übriggebliebenen Gläubigen?

Jugend ohne Gott?

In der Shell-Jugendstudie 2019 gaben nur 39 Prozent der befragten Jugendlichen an, der Glaube an Gott sei ihnen wichtig, während 41 Prozent sagten, ihnen sei er unwichtig. 17 Jahre zuvor war das Mehrheitsverhältnis noch andersherum: Für 51 Prozent der befragten Jugendlichen war der Glaube an Gott wichtig, für 30 Prozent unwichtig (vgl. Abb. 1). Die Situation scheint hiernach eindeutig: Der Glaube an Gott verliert für Jugendliche an Relevanz. Können wir mittlerweile also von einer „Jugend ohne Gott“ sprechen? Erledigt sich damit auch „Gott“ als Frage schlechthin?

Andere Studien wie bspw. die Repräsentativstudie „Jugend-Glaube-Religion“ von Friedrich Schweitzers et al. aus dem Jahr 2018 zeigen hierzu einen differenzierten Befund auf. Zunächst: Die Zugänge junger Menschen zu Glaube, Religion und Kirche sind facettenreich und heterogen. Wenn Jugendliche auf die Frage „Ist der Glaube an Gott für dich eher wichtig oder eher unwichtig?“ antworten, ist damit noch nicht geklärt, wen oder was sie eigentlich mit dem Wort „Gott“ verbinden. So wird in der o.g. Studie deutlich, dass Heranwachsende mit Eintritt in die Adoleszenz mehr Autonomie für sich, ihre Identitätsbildung und Lebensgestaltung beanspruchen. Damit ist der Wunsch verbunden, den eigenen Glauben selbst zu gestalten und inhaltlich zu füllen.1 Mit dem Wort „Gott“ verbinden Jugendliche nicht in allen Fällen eine ausgeprägte Vorstellung, die bspw. von christlichen Symbolen, Bildern oder biblischen Erzählungen ausgeht. Vielmehr nehmen sie sich auch hier die Freiheit, Vorstellungen aus verschiedenen Traditionen – nicht selten über aktuelle Filme und Serien vermittelt – nach individuellem Bedarf und Bedürfnis selbst zu sampeln. Immerhin geht aber noch fast die Hälfte von einem personalen Gott als Gegenüber aus, mit dem kommuniziert werden kann und das Sicherheit vermittelt.2 Grundsätzlich ist es aber laut der Studie notwendig und sinnvoll, neben dem traditionell-christlich vermittelten Gottesbild ein offeneres, weiteres Verständnis von „Gott“ einzusetzen und anzubieten.3 Die Frage nach „Gott“ ist demzufolge für viele Jugendliche also nicht gänzlich erledigt. Vielmehr hängt es davon ab, wie die Frage gestellt wird; oder besser gesagt: wie offen Jugendliche die Frage nach „Gott“ selbst stellen dürfen.

Die im Folgenden vorgestellten Unterrichtsbausteine gehen daher von der Grundannahme aus, dass „Gott“ als Frage für zahlreiche Jugendliche durchaus noch interessant ist. Dabei bleibt zugleich im Blick, dass Heranwachsende ihre Vorstellungen von einer „höheren Macht“ oder dem, was sie im Leben „unbedingt angeht“ und „woran sie ihr Herz hängen“, jedoch nicht unbedingt mit dem Wort „Gott“ belegen.

„Nach Gott fragen“ – geht nicht, ohne „Nach dem Menschen (zu) fragen“4

Im Religionsunterricht der Jahrgänge 7/8 ebenso wie in 9/10 wird das Fragen nach Gott im entsprechenden inhaltsbezogenen Kompetenzbereich „Gott“ bzw. „Nach Gott fragen“ eng mit Fragen nach dem eigenen Leben und sinnstiftenden Lebensperspektiven verbunden.5 Aus diesem Grund bietet sich eine Verknüpfung mit dem inhaltsbezogenen Kompetenzbereich „Mensch“ bzw. „Nach dem Menschen fragen“ an.6 „Gott“ als Frage bleibt damit nicht auf einer metaphysisch- oder theologisch-abstrakten Ebene, sondern wird biografisch konkret und lebendig. „Dabei ist die Frage nach Gott zunächst nichts anderes als die Frage danach, wie ich mich selbst im Hier und Jetzt erlebe und wie ich mich darüber hinaus im Ganzen der Zeit und des Raumes wahrnehme; wie ich mich selbst als Mensch in der langen und nach vorne offenen Geschichte verstehe und wie ich als Teil des Lebens auf die zurückreichende Evolution des Lebens blicke. Vielleicht als ein Wunder, als Bewußtsein (sic!), als Dazugehöriger, Getragener und Vertrauender?“7
Davon ausgehend lassen sich folgende Kompetenzen formulieren, die mit den im Folgenden vorgestellten Unterrichtsbausteinen angeeignet werden:

Die Schüler*innen

  • setzen sich mit der Frage auseinander, woran sie glauben, was sie im Leben trägt und woran sie ihr Herz hängen;
  • beschreiben die grundlegende Bedeutung von Glauben und Vertrauen für ihr eigenes Leben ebenso wie für das Leben anderer Menschen und setzen dies in Beziehung zur Frage nach „Gott“;
  • setzen sich mit den Glaubensbekenntnissen anderer Menschen auseinander und erörtern die Relevanz „Gottes“ im eigenen Leben wie im Leben anderer Menschen;
  • setzen eigene Vorstellungen von einem „Höchsten“, „Heiligen“, von „Gott“ in Beziehung zu Vorstellungen anderer Menschen von „Gott“ ebenso wie zu biblischen Gottesbildern.

Philosophieren als gemeinsame Suchbewegung

„Gott“ als Frage stellt keine einzelne Frage an den Anfang, sondern öffnet quasi einen ganzen Fragenkatalog. Daher bietet sich das didaktische Konzept des Philosophierens bzw. Philosophischen Gesprächs als Rahmen für das Lernarrangement an. Es besteht wie das Theologisieren bzw. Theologische Gespräch aus drei Teilen, die in einer zirkulären Struktur miteinander verbunden und aufeinander bezogen sind:

  • Philosophie von (Fragen und Gedanken der Jugendlichen),
  • Philosophie für (Fragen und Gedanken aus der philosophischen, hier zudem aus der theologischen und biblischen Tradition)
  • Philosophieren mit (der Diskurs, der aus der Begegnung der Fragen und der Denktradition entsteht).8 

Die Schüler*innen erhalten innerhalb dieses didaktischen Rahmens eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich mit „Gott“ als Frage in ihrem Leben und im Leben anderer Menschen individuell auseinanderzusetzen. Sie können eigene Fragen formulieren, die sie für sich als lebensrelevant erachten. Von da aus können sie sich in eine gemeinsame Suchbewegung mit den Mitschüler*innen ebenso wie mit der Lehrperson9 begeben. Ganz bewusst ist an dieser Stelle vom Philosophieren die Rede, um den Bezugsrahmen möglichst weit und offen zu halten, in dem sich die Schüler*innen mit „Gott“ als Frage auseinandersetzen können.

„Gott“ als Frage in Zeiten der Digitalität

„Gott“ als Frage ist so alt wie die Menschheit selbst.10 Die Auseinandersetzung insbesondere mit der Erfahrung von Kontingenz und Unverfügbarkeit des Lebens haben die Menschen zu allen Zeiten danach fragen lassen, was hinter den Dingen der sichtbaren Welt liegen könnte. Wo kommt das Leben her, und wo geht es hin? Was trägt und verleiht dem Leben Sinn?

Heranwachsende in Deutschland fragen heute, wie erwähnt (s.o.) nicht gleich explizit nach „Gott“, wenn sie nach Ursprung und Sinn ihres Lebens fragen. Dennoch sind die Fragen im Kern noch die alten, wie sie schon viele Menschen vor uns stellten. Grundlegend geändert haben sich allerdings die Medien, über die insbesondere junge Menschen heute Gedanken und Fragen miteinander austauschen. Aus diesem Grund werden für die folgenden Unterrichtsbausteine digitale Tools entweder von vornherein als Medium oder als mögliche Alternative zu analogen Medien vorgeschlagen.

Der didaktische Mehrwert digitaler Medien ist nicht per se gegeben. Entscheidend bleibt das Lernarrangement ebenso wie die inhaltlichen Impulse, die den Schüler*innen Angebote zur eigenen Auseinandersetzung mit „Gott“ als Frage angeboten werden.

Eigene Ideen und Austausch über die Mitrede-App PLACEm11

Für die einerseits individuelle Auseinandersetzung mit „Gott“ als Frage und die andererseits gemeinsame Suchbewegung im Rahmen des Philosophierens bietet sich eine Portfolioarbeit an, die den Lernprozess begleitet. Das Portfolio enthält in der Regel mehrere sog. Einlagen, die die Auseinandersetzung mit konkreten Fragen und Inhalten abbilden. In einem Portfolio spiegelt sich besonders gut der Lernprozess wider.

Als digitale Version einer Form der Portfolioarbeit kann die kostenlose und DSGVO-konforme Mitrede-App PLACEm des gemeinnützigen Vereins „Politik zum Anfassen e.V.“ genutzt werden. Sie hat gegenüber analogen Mappen-Portfolios den Vorteil, dass die Schüler*innen nicht nur eigene PLACES erstellen können, in denen sie ihre Gedanken und Ideen sammeln, sondern zu denen sie Mitschüler*innen über einen QR-Code Zugang gewähren und sie beteiligen können. So kann über die PLACES ein digitaler Austausch stattfinden, der die analogen Philosophischen Gespräche ergänzt und vertieft. Darüber hinaus bleiben die Ideen und Gedanken im Prozess digital erhalten.

Weniger zeitintensiv und einfacher wäre eine alternative Nutzung der PLACEm-App: Die Lehrperson richtet einen PLACE ein, den sie über einen QR-Code mit den Schüler*innen teilt. Diese können nun an Umfragen, an einem oder mehreren Quiz teilnehmen oder aber eigene Ideen mit Bildern, Texten und Links auf den Marktplatz des PLACEs einstellen.

Einen Überblick über Funktionsweise und Möglichkeiten von PLACEm geben die beiden nebenstehenden Grafiken.

Woran glaubst du?

Das Lernarrangement zu „Gott“ als Frage wird mit einer Umfrage (M 1) eröffnet. Die Schüler*innen nehmen auf einer Skala von 1 bis 5 Stellung zu Aussagen über Glaube und Vertrauen. Explizit von „Gott“ ist an dieser Stelle noch nicht die Rede. Die Aussagen implizieren jedoch verschiedene Vorstellungen von „Gott“. Eine hohe Zustimmung zu der Aussage „Ich glaube ausschließlich das, was wissenschaftlich bewiesen ist“ bspw. dürfte nicht zusammenpassen mit der Zustimmung zu Aussagen, die grundlegende (mono-)theistische Vorstellungen abbilden, wie: „Ich glaube an eine höhere Macht, die in das Weltgeschehen und in mein Leben hineinwirkt.“ Daneben gibt es zahlreiche Aussagen, die klassisch pantheistische ebenso wie deistische Sichtweisen enthalten; aber auch solche, die mit verschiedenen Vorstellungen von Gott kompatibel sind. Interessant dürfte es hier werden, wenn sich logische Inkonsistenzen abzeichnen.

Die Umfrage und erste Verortung in Glaubensfragen lässt sich auf digitalem Wege mit der PLACEm-App durchführen und das Ergebnis im PLACE anzeigen sowie speichern. Auch Tools wie oncoo12 eignen sich hierfür. Oncoo bietet den Vorteil, dass das Ergebnis der Umfrage mittels einer Zielscheibe unmittelbar visualisiert werden kann. Ein erstes Philosophisches Gespräch könnte direkt anknüpfen. Genauso möglich sind analoge Methoden: bspw. das „Hummeln“13. Bei dieser Methode „hummeln“ die Schüler*innen zwischen den Aussagen, die auf Din A3-Plakaten gedruckt im Raum verteilt sind, hin und her. Ohne miteinander zu sprechen, können sie die Aussagen schriftlich kommentieren, zudem Klebepunkte in drei verschiedenen Farben vergeben: grün für „Ich stimme zu“, rot für „Ich stimme nicht zu“, gelb für „Ich habe eine Frage dazu.“ Das Ergebnis dient auch hier als Impuls für das folgende Philosophische Gespräch.

Woran dein Herz hängt = „Gott“?

Die Schüler*innen erhalten Auszüge der Auslegung des ersten Gebotes in Martin Luthers Großem Katechismus (M 2). Nun wird das Wort „Gott“ eingeführt – nicht abstrakt-theoretisch, sondern auf einer konkret-existenziellen Ebene: Woran hängst du dein Herz, und worauf verlässt du dich im Leben? Ist DAS dein „Gott“? Welche Vorstellungen von „Gott“ lassen sich insbesondere aus den Passagen herausarbeiten, in denen Luther mit gegenteiligen Beispielen den Unterschied zwischen „Gott“ und „Abgöttern“ aufzuzeigen versucht?

Mittels der Think-Pair-Share-Methode setzen sich die Schüler*innen mit diesen Fragen auseinander und kommen erstmals darüber ins Gespräch, welche Vorstellungen sie eigentlich mit dem Wort „Gott“ verbinden. Sie erhalten die Aufgabe, einen kurzen Brief an Martin Luther zu schreiben, in dem sie Stellung nehmen zu der Frage: Woran du dein Herz hängst = „Gott“? Das Ergebnis stellen sie in ihren gleichnamigen PLACE ein und können entscheiden, mit welchen Mitschüler*innen sie ihn teilen möchten. Die Lehrperson muss an dieser Stelle dafür zu sorgen, dass jede*r Schüler*in an mindestens zwei anderen PLACES beteiligt wird. Denkbar ist auch, dass die Lehrperson den Marktplatz eines gemeinsamen PLACE nutzt, auf dem alle Schüler*innen ihre Ideen mit Bild und Text veröffentlichen können. Das hätte den Vorteil, dass alle Ergebnisse im Laufe des Prozesses der Auseinandersetzung mit „Gott“ bei der Lehrperson zusammenlaufen und die Schüler*innen die Beiträge aller anderen Mitschüler*innen sehen können. Diese Entscheidung hängt letztlich von der Größe der Lerngruppe ab ebenso wie von der Gruppendynamik und den einzelnen Schüler*innen.

Als vertiefenden Impuls zu der konkret-biografischen Frage danach, woran das eigene Herz hängt, kann M 3 „Von Schätzen im Leben“ herangezogen werden. Die Fantasy-Erzählung von dem Ring der Macht, um den sich in J.R.R. Tolkiens Romantrilogie „Herr der Ringe“ alles dreht, bietet den Schüler*innen die Möglichkeit, sich mit der Frage auseinanderzusetzen: Sind alle „Schätze im Leben“ immer lebensdienlich? Damit könnten sie Luthers Kriterium vertiefend erörtern, woran „Gott“ in Abgrenzung zu „Abgöttern“ bzw. „falschen Göttern“ erkannt werden kann.

Die Sehnsucht in mir als Weg zu „Gott“?

Charakteristisch für das didaktische Prinzip des Philosophierens ebenso wie des Theologisierens ist der „große Werkzeugkasten“ voller möglicher Impulse, um das Gespräch weiterzuführen und zu vertiefen. Diesen setzt die Lehrperson flexibel ein, je nachdem, in welche Richtung die Fragen, Gedanken und Ideen der Schüler*innen das Gespräch führen. Als weiteren, ggf. vertiefenden Impuls können die beiden Lieder (M 4) eingebracht werden. In ihnen geht es um die menschliche Sehnsucht, jedoch aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln: In dem Lied „Ich bin die Sehnsucht in dir“ von den Toten Hosen kommt das Wort „Gott“ nicht vor. Es könnte dennoch Assoziationen mit einem bedrohlichen Gottesbild wecken: „Gott“ als eine innere Stimme, die nicht zum Schweigen zu bringen ist, weil sie mit dem nicht immer lebensdienlichen menschlichen Sehnen und Hoffen eng verwoben ist – ähnlich wie der „Schatz“ in der „Herr der Ringe“-Trilogie. In dem neueren geistlichen Lied „Da wohnt ein Sehen tief in uns“ hingegen kommt „Gott“ explizit zur Sprache: als Adressat und zugleich heilsamer Orientierungspunkt des menschlichen Sehnens und Hoffens. Beide Lieder können zueinander in Beziehung gesetzt werden – mit Blick auf die zentrale Frage hierbei: Was hat menschliche Sehnsucht/menschliches Sehnen mit „Gott“ zu tun? Welche Vorstellungen von „Gott“ sind jeweils damit verbunden?

„Gott“ als Frage: Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum?

In den Materialien unter M 5 sind zahlreiche Impulse mit Denkaufgaben für das Philosophische Gespräch zu „Gott“ als Frage aufgelistet: Lieder, in denen es explizit oder implizit um „Gott“ geht; ein Satire-Video, aus dem trotz oder wegen des eher satirischen Charakters Vorstellungen von „Gott“ herausgefiltert werden können. Diese gilt es, in Beziehung zu biblischen Aussagen von „Gott“ und schließlich sich selbst dazu in Beziehung zu setzen: Sind diese Vorstellungen für mich in irgendeiner Weise relevant? Sind sie für mein Leben lebensdienlich? Kann /möchte ich daran glauben? Die aufgelisteten biblischen Texte bieten den Schüler*innen eine Auswahl, um Bezüge zu biblischen Gottesbildern herstellen zu können.

Ein lebendiger Austausch setzt voraus, dass die Schüler*innen durchgehend die Offenheit und Freiheit des Diskurses wahrnehmen können. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Lehrperson im Vorfeld selbstkritisch mit eigenen Vorstellungen auseinandersetzt – mit denen, die sie für das eigene Leben annimmt, ebenso wie mit denen, die sie selbst ablehnt.

Deutlich sollte außerdem durchgehend sein, dass Glaube an „Gott“, wie auch immer er oder sie vorgestellt wird, ein lebenslanger, offener, freier Prozess ist. Frei ist dabei zugleich die Entscheidung, ob dieser Weg mit „Gott“ überhaupt angetreten werden will. Die Auseinandersetzung mit „Gott“ als Frage im Religionsunterricht sollte für die Schüler*innen möglichst an keiner Stelle den Eindruck erwecken, das Ziel sei, sie auf den „rechten Weg“, nämlich auf den mit „Gott“, zu bringen.

„Gott“ im Leben – Darum glaube ich (nicht) an Gott

Die Freiheit und Offenheit in der Auseinandersetzung mit „Gott“ als Frage ist für die Impulse in M 6 besonders zu beachten. Hier erhalten die Schüler*innen die Möglichkeit, den eigenen Glauben mit Statements prominenter Personen zu ihrem Glauben und ihren damit verbundenen Vorstellungen von „Gott“ in Beziehung zu setzen. Die Internetseite „Promis Glauben“14 bietet ein scheinbar schier unbegrenzte Auswahl an Glaubens-Statements prominenter Personen des öffentlichen Lebens, seien es kurze Video-Statements von Jürgen Klopp, Mark Forster oder Harald Lesch, Instagram-Statements oder einfach Text-Interviews. Die Schüler*innen können auswählen, wessen Glaubensperspektive und Vorstellung von „Gott“ sie interessiert und zu welcher sie ggf. eigene Vorstellungen in Beziehung setzen wollen.

Doch auch fünf Videos stehen zur Auswahl, in denen Personen begründen, warum sie nicht an „Gott“ glauben und was sie von Religion, Kirche usw. halten. Die Schüler*innen erhalten hier die Möglichkeit, sich mit Argumenten gegen den Glauben an „Gott“ auseinanderzusetzen. Zentral ist aber dennoch auch hier die Frage: Welche Vorstellungen verbinden diejenigen, die deutlich auf Distanz zum Glauben an „Gott“ gehen, mit dem Wort „Gott“? Was genau lehnen sie eigentlich für sich und ihr Leben ab?
Auch hier gilt es, jede Wertung von außen, vor allem seitens der Lehrperson, zu vermeiden, so dass die Schüler*innen sich an keiner Stelle überwältigt fühlen.

Und nun? – Was ist nun mit „Gott“?

Im Idealfall ist den Heranwachsenden im Verlauf der Auseinandersetzung mit „Gott“ als Frage bewusstgeworden, dass der Glaube an „Gott“ ein Weg ohne endgültiges Ende ist; dass auch Vorstellungen von „Gott“ je nach biografischer Situation sehr facettenreich und fluide sind – also nicht viel anders als in der Bibel selbst.

Eine Unterrichtseinheit zu „Gott“ als Frage jedoch kommt irgendwann an ein vorläufiges (!) Ende. Dieses ließe sich bspw. mit dem kostenlosen KI-Kunstgenerator „Wombo Dream“15 gestalten. Die Schüler*innen erhalten die Aufgabe, mithilfe der Kunst-KI zwei Bilder zu generieren, die ihrer Vorstellung von „Gott“ am nächsten kommen, und ein oder zwei Bilder, die weit von ihren eigenen Vorstellungen entfernt sind. Diese Bilder stellen sie ebenfalls in einen ihrer PLACEs oder auf den Marktplatz eines gemeinsamen PLACEs ein und begründen ihre Auswahl mit einem kurzen Text. Denkbar wäre, sie darüber hinaus zu bitten, ein eigenes Glaubens-Statement hinzufügen: Mit „Gott“ verbinde ich zum jetzigen Zeitpunkt in meinem Leben …; dieser „Gott“ ist für mich in meinem jetzigen und /oder zukünftigen Leben (nicht) von Bedeutung, weil …; ich kann / möchte (nicht) an ihn glauben / auf ihn vertrauen, weil …

Literatur

  • Harder, Christina: „Hier geht’s um voll was Wichtiges!“. Mit philosophischen Gesprächen Räume für religiöse Bildung öffnen, in: Loccumer Pelikan 1/2022, 49-53.
  • Klein, Kerstin: Unterrichtsmethoden klipp und klar, 2. Auflage, Hamburg 2016
  • Lauster, Jörg: Gott – Das Gesicht des Weltgrundes, in: Loccumer Pelikan 2/2023,
  • Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.): Kerncurriculum für die Integrierte Gesamtschule Schuljahrgänge 5-10, Evangelische Religion, Hannover 2009
  • Schmidt, Wolf-Rüdiger: Leben ist mehr. Fragen nach Gott in unserer Zeit, Gütersloh 1988
  • Schweitzer, Friedrich et al.: Jugend-Glaube-Religion, Eine Repräsentativstudie zu Jugendlichen im Religions- und Ethikunterricht, Münster / New York 2018