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BETRACHTET: Der Baader Meinhof Komplex. Das Filmplakat

Von Andreas Behr


Das Filmplakat

Zwischen Juni 2016 und Januar 2017 war im Haus der Geschichte in Berlin die Ausstellung „Inszeniert. Deutsche Geschichte im Spielfilm“ zu sehen. Das gleichnamige Begleitbuch versammelt Texte, Bilder und Plakate. In sieben Abschnitten wird der Darstellung deutscher Geschichte im Film nachgegangen, wobei im Wesentlichen deutsche Filme vorgestellt werden. Den Ausstellungsmacher*innen ist dabei eine sinnvolle Auswahl gelungen, die natürlich nie vollständig sein kann.

Die Themenbereiche behandeln den Holocaust, den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg, Flucht, Vertreibung und Integration, die Wirtschaftswunderzeit, die Rote-Armee-Fraktion sowie die DDR.

Das Buch macht deutlich, dass Filme immer miteinander kommunizieren, indem sie aufeinander verweisen, sich zitieren oder ergänzen. Das Material ist aber auch gut dafür nutzbar, um zu einzelnen Filmen zu arbeiten. Insbesondere Filmplakate eignen sich, um Motiven und Ausrichtung von Filmen nachzuspüren.


Das Plakat

Plakate sollen Werbung für einen Film machen; sie müssen also auf einer einzelnen Seite mehr leisten, als nur über den Film zu informieren. Gute Filmplakate deuten bereits Handlungsstränge des Films an. Ebenso greifen sie die Ästhetik des jeweiligen Films auf.

Das Plakat zu DER BAADER MEINHOF KOMPLEX gleicht ein Fahndungsplakat, wie es in den 1970er- und beginnenden 1980er-Jahren in öffentlichen Einrichtungen wie z.B. der Post zu sehen war. Die grafische Gestaltung findet dabei einen Stil, der weder die 1970er-Jahre kopiert noch im Jahr 2008, dem Erscheinungsjahr des Films, State of the Art gewesen sein dürfte.

Der Film sollte dann auch gleichermaßen gelobt und gescholten werden, weil er die Geschichte der „Anarchistische[n] Gewalttäter“, wie es auf dem Fahndungsplakat heißt, ästhetisiere.

Auf dem Filmplakat sind die Porträts der Schauspieler*innen in ihrer jeweiligen Maske zu sehen. Die Darstellung ist so überzeugend, dass man gar nicht sicher ist, ob es sich um Schauspieler*innen oder doch um die Mitglieder der RAF handelt. Diese Unsicherheit entsteht auch dadurch, dass die Namen der Schauspieler*innen nicht dem jeweiligen Foto zugeordnet sind, wie es auf einem Fahndungsplakat üblich, ja, notwendig wäre.

Die Fotos sind monochrom gehalten, schwarz auf rot, in den politischen Farben, ohne Graustufen. Es sind keine Schnappschüsse oder Passfotos, die Dargestellten haben für die Aufnahme posiert und Rockstar-Attitüden an den Tag gelegt.

Zentriert in der unteren Hälfte platziert sind der Titel des Films sowie die Namen der Produktionsfirma, des Produzenten Bernd Eichinger, des Regisseurs Uli Edel sowie der Verweis auf das Buch von Stefan Aust, das dem Film zugrunde liegt.

In zwei Zeilen – ganz oben und unter dem Filmtitel – sind die Namen der Schauspieler*innen, alles bekannte und beliebte Personen, von denen auch heute noch viele den deutschen Film prägen. (Wer den Film sieht, wird feststellen, dass die Liste an beteiligten Top-Schauspieler*innen sogar noch länger ist.)

Das Plakat bekommt etwas Ikonisches; es zeigt nichts, was zu zeigen abstoßend wäre. Ohne Weiteres kann es zuhause aufgehängt werden und so einen Verweis darstellen, welche Schauspieler*innen und welche Art Film hier jemand mag, womöglich sogar als Vorbilder sieht.

Dabei kann aus dem Blick geraten, dass der Film die Geschichte eines Terrornetzwerkes erzählt, wobei er trotz aller Ästhetisierung und dem Willen zu guter, spannungsgeladener Kinounterhaltung klar Stellung bezieht: Die Beweggründe der Terrorist*innen um Andreas Baader und Ulrike Meinhof sollen zwar neutral dargestellt, die Gründe für den Weg in den terroristischen Kampf ergründet werden, aber die Taten der RAF werden nicht gutgeheißen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Fahndungsplakat und anderen Darstellungen der echten RAF. Sie haben etwas Ikonografisches. Wo das Herz links schlägt, schwingt auch bei denen, die Gewalt als politisches Mittel ablehnen, Bewunderung für Baader, Meinhof, Ensslin und die anderen Terrorist*innen mit. Sie waren – und sind manchmal immer noch – Rockstars in Teilen der linken Szene.

Diese Ambivalenz vermag das Filmplakat auch denen nahezubringen, die sich mit den politischen Zielen der Baader-Meinhof-Bande bzw. mit der Zeit nach 1970 nicht identifizieren können.

 


DER BAADER MEINHOF KOMPLEX
Regie: Uli Edel
Drehbuch: Stefan Aust
Produktion: Bernd Eichinger
Deutschland 2008.
Mit Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu, Johanna Wokalek, Alexandra Maria Lara, Nadja Uhl, Bruno Ganz, Jan Josef Liefers, Heino Ferch, Hannah Herzsprung, Niels Bruno Schmidt u.v.a.