Zeitrechnung im Judentum, im Islam und im Christentum
Wir haben das Jahr 2024 nach Christus. Oder doch das Jahr 5784? Oder 1445? Mindestens drei Jahreszahlen für dasselbe Jahr – wie kann das sein und was ist da eigentlich richtig? Wir teilen doch ganz selbstverständlich wichtige geschichtliche Ereignisse in die Jahre vor Christus und nach Christus ein, das Geburtsjahr hilft uns bei der Orientierung in der Geschichte und wird auf der ganzen Welt als verbindlich angesehen. Das war und ist aber nicht immer so, und die Jahreszahlen und Kalender berichten von ganz unterschiedlichen Perspektiven auf die Zeit.
Jede Religion hat ihren Beginn der Zeitrechnung auf ein wichtiges Ereignis gelegt; Christen zählen die Jahre ab Jesu Geburt, Juden ab dem überlieferten Datum der Erschaffung der Welt und im Islam wird der Zählung ein bedeutendes Ereignis aus dem Leben Mohammeds zugrunde gelegt. Damit verknüpft sind auch die jeweiligen Kalender und die religiösen Feiertage.
Die Zählung der Jahre ab einem bestimmten Ereignis ist aber nicht das einzige Unterscheidungsmerkmal der unterschiedlichen Kalender und Zeitrechnungen. Hinzu kommt z.B. die Frage, ob der Lauf der Sonne oder der des Mondes als Grundlage gesehen wird.
Schauen wir uns die unterschiedlichen Zeitrechnungen und Kalender an:
Zeitrechnung im Judentum
Die jüdische Zeitrechnung beginnt mit dem Jahr, in dem Gott der Überlieferung nach die Welt erschaffen hat. Dies wird, nach heutiger Zählung, auf das Jahr 3761 vor Chr. angesetzt. Demnach befinden wir uns im sechsten Jahrtausend. Auch wenn der jüdische Kalender einen hohen religiösen Stellenwert hat, wird er im alltäglichen Leben größtenteils durch den weltweit gebräuchlichsten, den Gregorianischen Kalender (s.u.), abgelöst.
Der jüdische Kalender ist „lunisolar“, es handelt sich also um einen Mond-Sonnen-Kalender. Die Monate orientieren sich am Lauf des Mondes, das Jahr richtet sich nach dem Sonnenlauf. Der Kalender hat zwölf Monate, die immer mit dem Neulicht beginnen, also dann, wenn die schmale Mondsichel zu sehen ist. Die Monate sind abwechselnd 29 und 30 Tage lang, aber so kommt das (Mond-)Jahr nur auf 354 Tage und die besonderen Festtage würden sich immer wieder in den Jahreszeiten verschieben. Damit dies nicht passiert, werden in einem kompliziert errechneten System in 19 Jahren sieben Schaltmonate eingefügt.
Der erste Monat im Jahr ist Tischri, der etwa im September/Oktober des Gregorianischen Kalenders liegt. Das jüdische Neujahrsfest, Rosch ha-Schana, heißt übersetzt „Kopf des Jahres“. Laut mündlicher Überlieferung war an Rosch ha-Schana die Schaffung der Welt abgeschlossen.
Der höchste jüdische Feiertag ist Jom Kippur, ein strenger und besinnlicher Fasten- und Ruhetag, an dem Jüdinnen und Juden über ihre Beziehungen zu Gott und ihren Mitmenschen nachdenken.
Weitere jüdische Festtage in 2024 – und auch die anderer Religionen und Kulturen – findet man im „Interkulturellen Kalender“, der auf der Internetseite des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge heruntergeladen werden kann.1
Zeitrechnung im Islam
Die islamische Zeitrechnung beginnt mit dem 16. Juli des Jahres 622, dem Datum der Auswanderung des Propheten Mohammed aus Mekka. Dieses wichtige Ereignis, das einen Wendepunkt in der Geschichte der muslimischen Gemeinschaft beschreibt, wird Hidschra genannt, der muslimische Kalender somit häufig Hidschra-Kalender.
Wir befinden uns nach dem islamischen Kalender im Jahr 1445.
Der islamische Kalender richtet sich nach dem Mondjahr aus, das elf Tage kürzer ist als das Sonnenjahr. Diese Abweichung wird durch einen Schalttag, der innerhalb von 30 Jahren elfmal an den letzten Monat angehängt wird, nur teilweise ausgeglichen. So verschieben sich die islamischen Feiertage nach und nach in andere Jahreszeiten. Da es hier mit jahreszeitlich zugeordneten Aktivitäten und Verabredungen wie z.B. in der Landwirtschaft schwierig wird, ist in muslimisch geprägten Ländern ebenfalls der Gregorianische Kalender (s.u.) in Gebrauch.
Ein neuer Monat beginnt, ähnlich wie im jüdischen Kalender, wenn die Mondsichel am Himmel sichtbar wird. Die Monate haben ebenfalls abwechselnd 29 oder 30 Tage. Die Woche hat, wie in anderen Kalendern auch, sieben Tage, einen Feier- oder Ruhetag gibt es nicht. Allerdings treffen sich Muslime (und in manchen Gemeinden auch Musliminnen) zum Freitagsgebet in der Moschee.
In diesem Jahr (2024) beginnt das neue islamische Jahr am 7. Juli. Das Neujahrsfest wird zwei Tage lang gefeiert, weil ein neuer Tag bereits mit dem Sonnenuntergang beginnt.
Die wichtigsten Feiertage im Islam sind das Ramadan-Fest und das Opferfest.
Ramadan ist der neunte Monat im islamischen Kalender und erinnert an die „Nacht der Bestimmung“, in der der Koran durch den Erzengel Gabriel an den Propheten Mohammed offenbart wird. Der Monat ist ein Fastenmonat, der für die innere Einkehr und auch das soziale Engagement steht. Das Zuckerfest liegt dann am ersten Tag des nächsten Monats (Shawwal).
Das Opferfest wird vier Tage lang gefeiert und verweist auf die Geschichte Ibrahims (Abrahams), der Gott seinen Sohn opfern soll, dann aber doch von einem Engel gestoppt wird.
Die christliche Zeitrechnung
Die christliche Zeitrechnung galt keineswegs schon gleich nach der Geburt Jesu und sie galt auch nicht überall auf der Erde. Erst ab ungefähr dem Jahr 1000 n. Chr. hatte sich in einigen Ländern die Zählung nach Christi Geburt durchgesetzt.
Bereits zum Ende des fünften Jahrhunderts hatte der in Rom lebender Mönch Dionysius Exiguus versucht, das Geburtsjahr Christi auszurechnen. Er war Übersetzer und Lehrer und orientierte sich vor allem an den Berichten der vier Evangelisten. Nun findet sich dort kein genaues Datum zur Geburt Christi und es unterliefen ihm doch ein paar Fehler. Inzwischen wissen wir durch den Vergleich der astronomischen und der geschichtlichen Daten, dass Jesus genau genommen schon in der Zeit zwischen 7 und 4 vor Christus geboren sein muss. Herodes starb z. B. schon vier Jahre vor Christus.
In der christlichen Welt galt bis 1582 der Julianische Kalender, ein Sonnenkalender. Er wurde im Jahr 45 v. Chr. von Julius Caesar eingeführt. Er stimmte mit seinen 356,25 Tagen schon fast mit unserem heutigen Kalender überein, war aber trotz eines Schalttages, der alle vier Jahre hinzugefügt wurde, noch nicht genau genug. Der astronomische Frühlingsbeginn hatte sich im Laufe der Jahre um elf Tage nach vorn, also Richtung Jahresbeginn verschoben. Papst Gregor XIII. ließ sich von bedeutenden Astronomen beraten und erließ dann folgende Regelungen: Auf den 4. Oktober 1582 folge der 15. Oktober, dadurch wurden die elf verlorenen Tage wieder aufgeholt. Weiterhin sollte alle vier Jahre ein Schalttag eingeführt werden, mit der Ausnahme, dass die Jahre, die am Ende der Jahreszahl zwei Nullen haben und die Jahre, deren Zahl dividiert durch 400 keine natürliche Zahl ergeben, keine Schaltjahre sein sollten. Kompliziert!
Der neue Gregorianische Kalender hat sich erst nach und nach in Europa durchgesetzt. Vor allem die protestantischen Länder waren sehr skeptisch, schließlich wurde diese Reform durch den Vatikan verkündet. Heute ist der Gregorianische Kalender die einzige Grundlage bei internationalen Terminvereinbarungen.
Nach dem Gregorianischen Kalender hat das Jahr nun 365 und in Schaltjahren 366 Tage. Das neue Jahr beginnt zwölf Tage nach der Sonnenwende im Winter. Silvester und das Neujahrsfest waren ursprünglich keine christlichen Festtage, nun ist Neujahr inzwischen auch ein christlicher Feiertag und die Gemeinden erbitten im Neujahrsgottesdienst den Segen für das kommende Jahr.
Ostern, die Auferstehung Jesu, gilt als der höchste christliche Feiertag. Die frühen christlichen Gemeinden orientierten sich zunächst am jüdischen Pessach-Fest. Der Termin für das Osterfest variiert; im vierten Jahrhundert hatte die Kirche festgelegt, dass Ostern auf den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang fällt, also frühestens auf den 22. März und spätestens auf den 25. April. Himmelfahrt und Pfingsten sind vom Datum des Osterfestes abhängig und verschieben sich deswegen auch jährlich.
Auch in der christlich-orthodoxen Kirche ist Ostern das höchste Fest. Einige orthodoxe Gemeinden orientieren sich am sogenannten Neu-Julianischen Kalender, einem sehr genauen Kalendersystem, das dem Gregorianischen Kalender ähnelt. Die Präzision wird durch eine äußerst komplizierte Schaltjahrregelung herbeigeführt. Andere orthodoxe Gemeinden halten wiederum an der Berechnung der Feiertage nach dem Julianischen Kalender fest. Dort wird Ostern auf der Grundlage einer komplexen mathematischen Formel bezogen auf den Frühlingsvollmond und aber auch der Frühlingstag- und -nachtgleiche berechnet. Das Weihnachtsfest wird dort ebenfalls nach Julianischem Kalender bestimmt und findet dann am 7. Januar statt.
Dass die Zeitrechnung und der Kalender auch eine politische Dimension haben, wird am Beispiel der Ukraine deutlich. Schon seit 2017 feiert die autokephale (eigenständige) Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) Jesu Geburt am 25. Dezember (und nicht wie bisher am 7. Januar). Beide Tage waren arbeitsfreie Feiertage. Nun haben sich die Bischöfe der OKU im September 2023 darauf geeinigt, den Julianischen durch den Neujulianischen Kalender zu ersetzen, wobei den Gemeinden freigestellt wurde, ob sie sich, was die Feiertage betrifft, weiterhin an den Julianischen Kalender halten. Die unbeweglichen Feiertage wie Weihnachten und auch der Nikolaustag können gemeinsam mit katholischen und protestantischen Christen begangen werden. Der 7. Januar ist nun in der Ukraine kein arbeitsfreier Feiertag mehr. Damit hat sich die OKU deutlich von der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats distanziert.
Anmerkungen
- https://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/DE/2023/230924-am-interkulturelle-woche-kalender.html?nn=282388
Quellen
- www.bibelwissenschaft.de/ressourcen/wire- lex/5-inhalte-ii-kirchengeschichtsdidaktik/kalenderrechnung-christliche
- https://weltkirche.katholisch.de/artikel/ 46058-ukraine-schafft-weihnachtstag-im-januar-ab
- www.mdr.de/religion/religionen-kalender-zeitrechnung-100.html
- www.planet-wissen.de/gesellschaft/ordnungssysteme/kalender/index.html
- www.haus-der-religionen.de/interreligioe ser-kalender-fuer-niedersachsen