Wie heißt nochmal dieses Fest, bei dem alles schön dekoriert ist und die Kinder so lange aufbleiben dürfen, wie sie möchten, aber keine Geschenke bekommen?“, fragt der sechsjährige Felix. „Du meinst bestimmt Silvester“, antworte ich ihm. Er haucht: „Ja, darauf freue ich mich!“ Und rennt strahlend davon.
Dieses kurze Gespräch macht deutlich: Felix weiß schon, dass es Feste gibt, die immer wieder kommen: Weihnachten, sein Geburtstag und eben Silvester.
Nachdem ihn im Kindergartenalter die Jahreszeiten sehr interessiert haben, beginnt er nun, im Grundschulalter, ein Gefühl dafür zu entwickeln, was Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bedeuten. Regelmäßigkeiten und immer wiederkehrende Alltagserfahrungen haben ihm dabei geholfen.
Das ist typisch für Kinder in seinem Alter. Während Kleinkinder sogenannte zeitlose Wesen sind, bei denen der Tag in Schlafens-, Essens- und Spielphasen eingeteilt ist, entwickeln Kinder zwischen drei und vier Jahren eine erste Vorstellung von Zeit und Zeitspannen. Sie klassifizieren Zeit nach dem, was sie sehen: So ist für sie z.B. ein großer Hund älter als ein kleiner. Im Vorschulalter, wenn das Verständnis für Zahlen und Mengen wächst, wächst auch das Verständnis dafür, dass die Zeit überall gleich gültig ist und gleich gemessen wird. Grundschulkinder beginnen die Uhr zu lesen und wissen, dass die Zeit auch an Orten vergeht, an denen sie sich gerade nicht aufhalten. Sie können Zeitabschnitte miteinander vergleichen und Unterschiede in der Dauer erkennen. Sie bekommen eine erste Ahnung der Bedeutung von großen Zeitspannen und Strukturen. Die Einordnung der Zeitabschnitte Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in die richtige Relation ist allerdings noch schwer: So kann es durchaus passieren, dass ein Kind, dessen Elternteil ihm gerade vom Leben der Ritter erzählt, nachfragt, welches Pferd das Elternteil denn damals geritten hätte. Ab Mitte der Grundschulzeit können Kinder eine Zeitdauer zuverlässig abschätzen und das Zeitgefühl ähnelt mehr und mehr dem der Erwachsenen.
Folglich ist es sinnvoll, den Jahresfestkreis noch nicht mit Felix und seinen Klassenkamerad*innen zu besprechen, sondern ihn erst ab Mitte der Grundschulzeit aufzugreifen. Natürlich spricht nichts dagegen, auch vorher schon die einzelnen Feste des Kirchenjahres zu thematisieren und zu begehen; mit dem abstrakten Modell des Festkreises sollten Schüler*innen jedoch nicht zu früh konfrontiert werden, um Überforderungen zu vermeiden.
Doch was unterscheidet die kirchlichen Festkreise eigentlich von dem (kalendarischen) Jahreskreis? Es ist vor allem ein wesentlicher Punkt: der Beginn. Das Kirchenjahr beginnt mit dem ersten Advent und endet mit dem Ewigkeitssonntag bzw. Christkönig (katholisch), während das Kalenderjahr bekanntlich im Januar seinen Beginn nimmt.
Doch auch der kirchliche Kalender ist ein wiederkehrender. Er strukturiert das kirchliche Leben Jahr für Jahr – auch im Zusammenspiel mit den Jahreszeiten. In der dunklen Jahreszeit bringt Weihnachten Licht in die Dunkelheit. Im Frühling verkündet Ostern den Sieg des Lebens über den Tod und wenn im Herbst die Blätter fallen, wird in den Kirchen des Todes und der Verstorbenen gedacht.1
Die Orientierung christlicher Feste und Feiertage am Zeitmaß des Jahres hat ihren Ursprung im frühen Christentum. Die regelmäßige Feier des Sonntags als den Tag, an dem Christus von den Toten auferstanden ist, gab zunächst den wöchentlichen Rhythmus für die Gottesdienstfeier vor. Mit der Einführung von Ostern in der Mitte des zweiten Jahrhunderts gab es dann den ersten festen, jährlich begangenen christlichen Feiertag. Hinzu kamen einzelne Gedenktage zu Ehren der Heiligen, die im Laufe der Zeit immer mehr wurden und zur weiteren Ausgestaltung des Kirchenjahres beitrugen. Im vierten Jahrhundert entstanden neue Christusfeste, dazu gehörten auch Weihnachten und die Erscheinung des Herrn. Etwas später bildete sich aus den Vor- und Nachbereitungen um Ostern herum der Osterfestkreis mit der Fastenzeit, der Karwoche, der Osterzeit, Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Auf ähnliche Weise entstanden der Weihnachtsfestkreis mit dem Advent und der Weihnachtszeit um Weihnachten herum. Im Zuge der Verehrung Marias, der Mutter Jesu, erfreuten sich Marienfeste zunehmender Beliebtheit. Im Hochmittelalter vervollkommneten die sogenannten Ideenfeste wie das Herz-Jesu- oder das Christkönigfest das Kirchenjahr.2
Auch heute orientiert sich die Grundordnung des Kirchenjahres der römisch-katholischen Kirche an diesen Traditionen. Sie gliedert das Kirchenjahr in drei Hauptteile:
- den Weihnachtsfestkreis mit den vier Adventssonntagen, dem Weihnachtstag, den Sonntagen nach Weihnachten, der Erscheinung sowie der Taufe des Herrn,
- die Fastenzeit und den österlichen Festkreis mit der Fastenzeit, der Heiligen Woche und den sieben Sonntagen bis Pfingsten sowie
- die Zeit im Jahreskreis, die vom Fest der Taufe des Herrn bis Aschermittwoch sowie vom Pfingstmontag bis zum ersten Adventssonntag andauert. Die Sonntage des Jahreskreises werden vom Sonntag nach dem Fest Taufe des Herrn (zweiter Sonntag) bis zum Hochfest Christkönig (33./34. Sonntag) durchgezählt.3
Da die Reformatoren Marien-, Heiligen-, Apostel- und auch Herrenfeste, sofern sie sich nicht biblisch und christologisch begründet waren, relativierten, veränderte sich der evangelische Festkalender nach und nach. Heute beginnt das evangelische Kirchenjahr (wie das katholische) mit dem ersten Sonntag im Advent und endet mit dem Ewigkeitssonntag.
Auch das evangelische Kirchenjahr ist in drei große Festkreise unterteilt:
- Der Weihnachtsfestkreis umfasst die Zeit vom Ersten Advent bis zum letzten Sonntag nach Epiphanias.
- Es folgt der Osterfestkreis, der mit dem Pfingstfest endet. In ihm liegen die Passionszeit, die am Aschermittwoch beginnt, die Karwoche mit Gründonnerstag und Karfreitag, das Osterfest, die Sonntage nach Ostern, Himmelfahrt sowie das Pfingstfest.
- Am Sonntag nach Pfingsten beginnt die Trinitatiszeit. Die höchstens 24 folgenden Sonntage werden nach Trinitatis gezählt und sind abhängig vom Ostertermin. Der zehnte Sonntag nach Trinitatis wird heute als Israelsonntag begangen. Ihm folgen das Erntedankfest, der Reformationstag am 31. Oktober, der Buß- und Bettag (an einem Mittwoch) und der Ewigkeitssonntag, auch Totensonntag genannt, an dem die Gemeinde der Verstorbenen des Jahres gedenkt.4
Die Unterschiede zwischen den Jahresfestkreisen und dem Jahreslauf deutlich zu machen und dabei die Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede zwischen evangelischen und katholischen Festen und Traditionen aufzugreifen, ist Aufgabe eines konfessionell-kooperativen Religionsunterricht – wenn auch keine leichte. Es gilt, sie strukturiert und didaktisch reduziert anzugehen. Eine Vermischung der Festkreise oder auch das Weglassen ganzer Festzeiten, wie es viele Materialien im Internet vorschlagen, halten wir für wenig sinnvoll. Besser ist es, die Festkreise nebeneinanderzustellen und den Schüler*innen so Gelegenheit zu geben, Gemeinsamkeiten und Unterschiede selbst zu entdecken.
Dies könnte wie folgt geschehen:
Die Schüler*innen versammeln sich in einem Sitzkreis und werden von der Lehrkraft gebeten, die ausgelegten Materialien zu strukturieren. Handlungsorientiert entsteht so ein Jahreskreis mit Jahreszeiten- und Monatsnamen sowie Gegenständen, die zu den einzelnen Jahreszeiten passen.
Anschließend erhalten die Schüler*innen Symbole und Kurztexte, die die Feste des Kirchenjahres erläutern. Die Lehrkraft sollte hier mit den Symbolen und Texten beginnen, die der Mehrheit der Schüler*innen vertraut sein dürfte. Also bei mehrheitlich evangelischen Kindern mit den evangelischen Materialien5 (M 1).
Die Schüler*innen finden sich zusammen (Symbol und Text), lesen ihre Texte und beginnen zunächst in Partnerarbeit zu überlegen, an welcher Stelle im Jahreslauf ihr Fest liegen könnte. Sollten die Schüler*innen kein oder sehr wenig Vorwissen zu dieser Thematik mitbringen, könnten sie im Internet z.B. unter www.religonen-entdecken.de mehr über ihr Fest recherchieren, bevor im Gesprächskreis die Feste dem Kalenderjahr zugeordnet werden.
Natürlich ist es hierbei möglich, eine didaktische Reduktion vorzunehmen. Es dürfte den Schüler*innen z.B. deutlich leichter fallen, erst einmal nur die Hochfeste zuzuordnen und weitere Festtage erst zu einem späteren Zeitpunkt zu ergänzen. Bei dieser Reduktion sollten jedoch keine ganzen Festzeiten entfallen.
Je nach Leistungsniveau der Klasse könnte nun noch über die Zeitenvarianz der Feste sowie über die liturgischen Farben mit den Schüler*innen gesprochen werden. Warum feiern wir einige Feste immer am gleichen Termin? Warum verschieben sich andere? Warum bedeckt immer wieder ein andersfarbiges Tuch den Altar (M 2)?6
Ein Arbeitsblatt, auf dem die Schüler*innen den Festkreis notieren, kann diese Phase abschließen (M 3).
In einem zweiten Schritt erhalten die Schüler*innen nun Texte zu den katholischen Traditionen (M 4), die wieder in Partnerarbeit gelesen werden.
Den Kindern wird sicher im sich anschließenden Gespräch schnell deutlich, dass viele Feste dem bereits gelegten (evangelischen) Festkreis ähneln, jedoch anderes begangen werden. Die passenden Texte können also leicht den bereits vorhandenen Symbolen zugeordnet werden. Allerdings werden die Schüler*innen auch schnell entdecken, dass sich einige Texte nicht zuordnen lassen. Sie benötigen ergänzende Symbole (M 5), die die Lehrkraft nun bereitlegt. Nach der Text-Symbol-Zuordnung werden die neuen Paare im Bodenbild ergänzt.
Auch dieser Phase könnte mit einem Arbeitsblatt abgeschlossen werden (M 6).
In der nun folgenden Phase bekommen die Schüler*innen die Aufgabe, das Bodenbild zu Papier zu bringen. Ein ökumenischer Festkreis soll entstehen. Wie die Schüler*innen dies angehen ist ihnen überlassen. Der Rohling (M 7) dient dabei lediglich als Orientierung.
Für die Lehrkraft heißt es an dieser Stelle besonders auf die Kreativität der Schüler*innen zu vertrauen. Die Kinder sollen ausprobieren, ggfs. scheitern und evtl. auch zu nicht ganz gelungenen ökumenischen Festkreisen gelangen, um die Schwierigkeit der Darstellung bewusst zu erfahren. Eine Dokumentenkamera oder ein Overheadprojektor ermöglicht einen gemeinsamen Blick auf die Ergebnisse. Mit Sicherheit sind dabei auch gelungene Entwürfe entstanden, die dann der Ausgangspunkt für weitere Recherchen, ein Lapbook oder eine Stationenarbeit zu den Festen des Kirchenjahres werden könnten.
Anmerkungen
- Vgl. www.kirchenjahr-evangelisch.de (15.02.2023)
- Vgl. www.katholisch.de/dossier/122-kirchenjahr (15.02.2023)
- Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenjahr (15.02.2023)
- Ebenda.
- Als Symbole können die Bilder des Jahresfestkreises genutzt werden. Dazu muss der Kreis vergrößert werden. Die Symbole können dann ausgeschnitten und an die Schüler*innen verteilt werden.
- Das Osterfest ist z.B. solch ein beweglicher Feiertag. Jedes Jahr fällt der Termin auf ein anderes Datum. Auf dem Konzil von Nicaea wurde das Osterfest auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond festgelegt. Insofern bewegt sich das Osterdatum zwischen dem 22. März und dem 25. April.
Literatur
- Austen, Georg/ Willicks, Yvonne/ Heese, Julian: Gemeinsam das Kirchenjahr erleben, Paderborn 2021
- Bonifatiuswerk: Kirche im Kleinen – Feste des Kirchenjahres, Paderborn.
- Frede, Zita / Landwehr, Hedwig: Der Jahreskreis im Kirchenjahr. Kopiervorlagen für den Religionsunterricht in der Grundschule, Augsburg 2013
- Knop, Julia: Rund um den Glauben. 99 Fragen und Antworten, Freiburg 2019
- www. wikipedia.org/wiki/Kirchenjahr
- www.katholisch.de
- www.kirchenjahr-evanglisch.de