Jedes Jahr gedenken wir der Zeiten, als sich in Deutschland Hass gegenüber Jüd*innen Bahn brechen konnte. Und heute haben Menschen in Deutschland wieder Angst: Menschen, die in der Öffentlichkeit eine Kippa tragen und bedroht werden. Familien, die einen Gottesdienst feiern zum Fest der Versöhnung und nur durch eine schwere, verriegelte Tür dem grausamen Hass nicht zum Opfer fallen. Jugendliche, die einen zierlichen Davidstern an der Halskette lieber verstecken, wenn sie allein zu Fuß unterwegs sind.
Wie ist das Verhältnis zwischen Jüd*innen und Christ*innen in Deutschland heute – immer auch mit dem Blick auf die Vergangenheit? Was heißt es heute in diesem Land eigentlich jüdisch zu sein? Was macht diesen Glauben aus? Und wo sehen sich Jüd*innen selbst in unserer Gesellschaft?
Die hier vorgestellten Filme stellen eine kleine Auswahl an Geschichten bereit, die es möglich macht, sich diesen Fragen zu widmen. Mehr Geschichten finden sich unter www.medienzentralen.de.
Masel Tov Cocktail
Mickey Paatzsch und Arkadij Khaet,
Deutschland 2020, Kurzspielfilm 30 Min.
Empfohlen ab 16 Jahren
Dimitrij, genannt Dima, 16, ist Sohn russischer Einwanderer und Jude. Als sein Klassenkamerad Tobi ihn eines Tages mit einem ziemlich schlechten Witz über das Schicksal der Juden in Deutschland provoziert, reagiert er mit Gewalt. Natürlich folgen auf diese Tat Sanktionen. Dima soll sich bei Tobi entschuldigen. Mit Blumen …
In der temporeichen Tragikomödie konfrontiert Dima sein Publikum mit einem aberwitzigen Cocktail aus Fakten, Emotionen und Irrtümern. Die Lehrerin will ihn über Familienerfahrungen der Shoa berichten lassen – dabei war sein Urgroßvater russischer Soldat und nicht im Konzentrationslager. Sein jüdischer Großvater sympathisiert mit der AfD – wünscht sich aber eine jüdische Frau für seinen Enkel. Der jüdische Freund würde nie bei einem arabischen Imbiss essen – werden damit doch Raketen gegen Israel finanziert. Und überall liegen Stolpersteine.
Der Kurzfilm wurde unter anderem als „Leuchtturmprojekt gegen Antisemitismus“ mit dem CIVIS-Medienpreis ausgezeichnet. In der Begründung heißt es, der Film spiele gekonnt mit Klischees, entlarve Stereotype und sei im besten Sinne provokativ.
Geeignet ist der Film für Schüler*innen ab etwa 16 Jahren. Er ist bis 5. April 2021 in der ARD-Mediathek zu sehen. Die Anschaffung für das Medienportal der Bücherei- und Medienarbeit ist geplant.
Der Kleine Nazi
Petra Lüschow, Deutschland 2010
Kurzspielfilm 13 Min.
Empfohlen ab 14 Jahren
Alle Jahre wieder der gleiche Stress: Um am Heiligen Abend die letzten Vorbereitungen zu erledigen, lässt Familie Wölkel ihren achtjährigen Sohn tagsüber bei Oma. Leider haben die kognitiven Fähigkeiten der alten Dame nachgelassen und so schmücken sie und der Enkelsohn den Weihnachtsbaum festlich mit Devotionalien des sogenannten „Dritten Reichs“, die vergessen in einer Kiste auf dem Dachboden lagerten.
Unbeeindruckt von den Vorwürfen von Sohn und Schwiegertochter verteidigt sie ihren Weihnachts-schmuck mit allen Mitteln. Mutter und Vater Wölkel müssen nun eine renitente alte Dame beruhigen und ihrem enttäuschten Sohn eine altersgemäße Erklärung dafür liefern, warum der Baum umdekoriert werden muss. Es hat sich nämlich noch weiterer Besuch zum Festabend angekündigt – die erwachsene Tochter bringt einen Freund aus Israel mit. Jetzt ist rasches Handeln erforderlich!
Der Kurzfilm eignet sich schulartübergreifend für Schüler*innen ab 14 Jahren sowie für den Einsatz in der Berufsbildenden Schule und steht mit umfangreichem Arbeitsmaterial als Download und auf DVD zur Verfügung.
Kippa
Lukas Nathrath, Deutschland 2018
Kurzspielfilm 25 Min., Dokumentation 30 Min.
Empfohlen ab 16 Jahren
Der Film nach einer wahren Begebenheit zeigt das Schicksal des fünfzehnjährigen Oskar, der an seiner neuen Schule bereits Freundschaften geschlossen hat. Nachdem seine Klasse zufällig von seinem jüdischen Glauben erfährt, wird er von einer Gruppe muslimischer Mitschüler beleidigt und bedroht. Überfordert mit der Situation sind auch seine Eltern, deren Appelle an die Schulleitung und den Lehrkörper ignoriert werden. So ist es schließlich Oskar selbst, der auf sehr unkonventionelle Art versucht, einen Ausweg aus dieser Situation zu finden.
In der Dokumentation „Kippa – die Reportage. Antisemitismus in Deutschland“ kommen Menschen jüdischen Glaubens zu Wort, auch der (reale) Vater und die Großeltern des im Film dargestellten Jugendlichen, sowie Menschen muslimischen Glaubens. Sie alle begeben sich auf eine Spurensuche nach den Ursachen für antisemitisches Verhalten und nach Möglichkeiten zu einer Lösung bestehender Konflikte.
Der im Film gezeigte Konflikt entzündet sich an dem problematischen Verhältnis von Muslimen und Juden vor dem Hintergrund der Spannungen im Nahen Osten. Damit können exemplarisch kulturelle und religiös bedingte Konflikte in der Schule thematisiert und die Basis für sachliche Diskussionen geschaffen werden. Allerdings kann der Film insbesondere bei muslimischen Schüler*innen starke Emotionen hervorrufen und bedarf daher unbedingt einer intensiven Vor- und Nachbereitung.
Er eignet sich für Schüler*innen ab Klasse 10 und steht als DVD mit umfangreichem Zusatzmaterial zur Verfügung.
Jüdisches Leben. Feste, Feiertage, Rituale
Inka Lezius, Deutschland 2017
Dokumentation 26 Min.
Empfohlen ab 10 Jahren
Begleitet wird der fast dreizehnjährige Noam auf dem Weg zur seiner Bar Mizwa, dem Ritual, das ihn zu einem erwachsenen Mitglied in seiner jüdischen Gemeinde macht. In der kurzen Dokumentation wird die Geschichte des Judentums als älteste der drei großen monotheistischen Weltreligionen erzählt, aus der das Christentum und der Islam hervorgingen.
Der Film mit dem etwas nüchternen Titel ist in vier kurze Episoden von jeweils etwa sieben Minuten unterteilt. Die Kapitel „Was ist jüdisch?“, „Der Schabbat“, „Besondere jüdische Feste“ und „Jüdische Feste im Jahreskreis“ geben einen Einblick in die Geschichte und Rituale des Judentums. Im Mittelpunkt steht aber immer ein jüdischer Junge im heutigen Deutschland und dessen Umgang mit seiner Religion. Besonderheiten in der Schule, die Vorbereitung auf die Bar Mizwa, Ernährungsvorschriften und Feiertage stehen neben typischen Vorlieben wie Sport oder das Treffen mit Freunden.
Besonders geeignet ist der Film für Jugendliche, die ihren eigenen Glauben (oder Nichtglauben) entdecken und ihre religiöse Identität entwickeln. Deshalb empfiehlt sich der Film explizit auch für die Konfi-Arbeit.
Die Aktualität der Dokumentation und die klare Gliederung in vier kurze Teile begünstigen den Einsatz im Unterricht. Sie eignet sich sowohl zur Vorstellung unterschiedlicher Religionen in der Grundschule, als auch schulformübergreifend in den Jahrgängen 5 und 6.
Auf der DVD finden sich umfangreiches Zusatzmaterial sowie eine Vielzahl von Arbeitsblättern, die für den Unterricht genutzt werden können.
Göttlich 1: Judentum, Christentum, Islam
Cécile Déroudille, Frankreich 2016
Dokumentation 78 Minuten
Empfohlen ab 10 Jahren
Die DVDs Göttlich 1 und Göttlich 2 stellen die fünf Weltreligionen in ihren Besonderheiten und Unterschieden zueinander dar. In den jeweils ca. 26-minütigen Sequenzen wird je eine Religion vorgestellt. Kinder und Jugendliche gliedern die kurzen Dokumentationen mit einleitenden Fragen. Themen sind die Definition der Religion, ihre Entstehungsgeschichte und die geografische Verbreitung, verschiedene Strömungen, Riten, Symbole und religiöse Gegenstände, Festtage und vieles mehr. Gefragt wird auch nach der freien Wahl der Religion, der Möglichkeit zu konvertieren und nach der Vorstellung eines Lebens nach dem Tod. Die Erklärungen werden häufig auch in einen Kontext zu anderen Religionen gesetzt und von Mitgliedern der entsprechenden Glaubensgemeinschaft vorgetragen.
In einem niedrigschwelligen Frage- und Antwortstil präsentiert die französische Dokumentation die Weltreligionen eingebunden in geschichtliche Zusammenhänge und theologische Bezüge. Persönliche Antworten z. B. einer buddhistischen Nonne oder eines katholischen Priesters erhöhen deren Authentizität. Die Kinderfragen und eine kurze Überschrift gliedern die Fülle der Informationen in übersichtliche Sequenzen, die beim Download des Films auch einzeln angezeigt werden können. Sie ist für Schüler*innen ab dem Sekundarbereich I sowie für den Religionsunterricht in Berufsbildenden Schulen geeignet.
Ergänzend dazu empfiehlt sich der Einsatz der Medienbags Sabbat und Synagoge sowie Feste und Lebenszyklen. Lehrkräfte können die im Film gezeigten Gegenstände im Unterricht fassbar machen und ihren Einsatz demonstrieren.
Germans & Jews – eine neue Perspektive
Janina Quint und Tal Recanati
USA/Deutschland 2016
Dokumentation 76 Minuten
Empfohlen ab 14 Jahren
Anlässlich eines gemeinsamen Abendessens von in den USA und in Deutschland lebenden Jüd*innen geht die Dokumentation der Frage nach, wie es um die jüdische Gemeinschaft in Deutschland 75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg bestellt ist. Was trennt und was verbindet jüdische und nicht-jüdische Deutsche? Hat sich das Zusammenleben normalisiert?
Welchen Einfluss haben neue nationalsozialistische Tendenzen und was sehen jüdische Menschen aus dem Ausland, wenn sie auf Deutschland schauen? Teilnehmende schildern Erlebnisse aus Familiengeschichten, begründen, warum sie wieder in Deutschland leben oder sich das nicht vorstellen können.
Der Film ist gleichermaßen unbequem und provokant, unerwartet und aufschlussreich. Gerade deswegen regt er, insbesondere vor dem Hintergrund aktueller antisemitischer Gewalttaten in Deutschland, zur Diskussion und zur Versöhnung an. Geeignet ist er für Schüler*innen ab dem 10. Jahrgang, des Sekundarbereichs II sowie für Berufsbildende Schulen. Er steht in der Medienarbeit zur Ausleihe zur Verfügung.
Kaddisch für einen Freund
Leo Khasin, Deutschland 2011
Spielfilm 94 Min.
FSK 12
Aufgewachsen in einem palästinensischen Flüchtlingslager hat der vierzehnjährige Ali Messalam von klein auf gelernt, „die Juden“ zu hassen. Nach der gemeinsamen Flucht mit seiner Familie aus dem Libanon gelangt er schließlich nach Berlin Kreuzberg. Hier sucht Ali Anschluss bei den arabischen Jugendlichen im Kiez. Doch dafür muss er erst beweisen, was er draufhat. Er soll als Mutprobe in die Wohnung seines jüdisch-russischen Nachbarn Alexander einbrechen. Im Exzess verwüsten die Jugendlichen die Wohnung des alten Mannes. Doch nur Ali wird von dem vorzeitig zurückkehrenden Alexander erkannt und bei der Polizei angezeigt. Um einer Verurteilung und der damit verbundenen Abschiebung zu entgehen, bleibt ihm nur eine einzige Chance: Ali muss den verhassten alten Mann um Verzeihung bitten. Seine Mutter bringt ihn dazu, Verantwortung zu übernehmen und bei der Renovierung der Wohnung des störrischen Alten zu helfen. Dabei lernen sich die beiden Protagonisten näher kennen, und nach und nach entsteht eine Freundschaft, die es schwer hat, in dem konfliktgeladenen Umfeld zu bestehen.
Die beiden Charaktere bleiben authentisch in ihrer Rolle und kämpfen die scheinbar immerwährenden Kämpfe zwischen den Religionen, zwischen den Alten und Jungen, zwischen Traditionen und Veränderungen. Und sie versuchen Wege zu finden, die starken Mauern aus Misstrauen und Wut zu überwinden.
Geeignet für die Erwachsenenbildung und Schüler*innen ab 12 Jahren. Der Film steht digital zum Download mit zahlreichen Arbeitshilfen zur Verfügung.