Auf dem Weg zur Konfirmation – Konfi-Arbeit 2020

Von Andreas Behr

 

Konfi-Arbeit ist so zu denken, dass sie den Konfis gut tut! Sollen wir also nur machen, was Konfis Spaß macht? Das sei ferne. Es geht im Konfer auch um Lernprozesse, um Bildung im besten Sinne: Junge Menschen sollen ein Verständnis ihrer eigenen Geschichte mit Gott ausbilden. Dazu braucht es Didaktik und Gottvertrauen, Unterrichtsmethoden und eine geregelte Ordnung, Vermittlung von Wissen und Raum für Experimente. Und ja, es soll auch Spaß machen. Nicht nur den Konfis, sondern allen Beteiligten.
Konfi-Arbeit ist Beziehungsarbeit. Und Konfi-Arbeit hat die Konfis im Blick und dann erst alles andere. Ihnen soll der Konfer dienen. Konfis sind nicht dazu da, Hilfsdienste zu leisten, Gottesdienste aufzufüllen und den Bestand an Kirchenmitglieder zu sichern. Ein Gedanke, der manchmal durchscheint, wenn es zum Beispiel heißt: Konfis sind unsere Zukunft.


Zur Begrifflichkeit

Der Begriff Konfirmandenunterricht ist durch den Begriff der Konfi-Arbeit abgelöst worden. Das ist einem Paradigmenwechsel geschuldet: Es wurde Abstand genommen von der klassischen Unterweisung Jugendlicher, die eher frontal erfolgte. Katechese war früher, heute ist Resonanz1.  
Mit dem Begriff Konfi-Arbeit soll betont werden, dass man mit den Konfis mittels Methoden aus der Jugendarbeit einen Weg beschreiten will, auf dem sie sich selbst auf die Konfirmation vorbereiten können. Konfirmandenunterricht steht für eine objektorientierte Haltung, bei der die Jugendlichen als Objekte angesehen werden, in die Wissen hineingefüllt wird. Konfi-Arbeit steht für eine subjektorientierte Haltung, bei der die Jugendlichen als Subjekte angesehen werden, die mit eigenen theologischen Vorstellungen kommen und auf ihrem je individuellen Weg zur Konfirmation begleitet werden.
Im Hinblick auf gendergerechte Sprache etabliert sich zunehmend die Abkürzung Konfi-Arbeit. Schon weil Konfis kaum sagen werden: „Ich gehe heute zur Konfi-Arbeit“, bleibt aber der Begriff Konfi-Unterricht wohl erhalten, was auch aus anderen Gründen seine Berechtigung hat2. Als Kürzel haben sich regional unterschiedliche Begriffe etabliert wie Konfir, Konfa, Konfus oder andere. In Anlehnung an die offizielle Seite zur Konfi-Arbeit der Landeskirche Hannovers – www.konfer-zeit.de – wird hier der Begriff Konfer benutzt.


Konfer ist nicht wie Schule

Aus den Studien zur Konfi-Arbeit wissen wir, dass Konfis ihre Konfi-Zeit unter anderem dann als gut bewerten, wenn sie diese nicht wie Schule erlebt haben. Da in der Jugendarbeit ähnlich wie in der Schule zunehmend auch eine Methodenvielfalt genutzt wird und der klassische Frontalunterricht weitestgehend verschwunden ist, ist der Unterschied zur Schule hier oft nicht mehr auffällig.
Anders als in der Schule geht es im Konfer aber nicht darum, bestimmte Kompetenzen zu erlangen und diese womöglich auch noch zu prüfen und zu benoten. Wissensvermittlung und Kompetenzerwerb spielen im Konfer weiterhin eine wichtige Rolle, aber sie sind hier nur Mittel zum Zweck. Dieser besteht darin, den Konfis Möglichkeiten zu eröffnen, sich mit dem Glauben ihrer Vorfahren, der Gesellschaft und ihren eigenen Glaubensvorstellungen auseinanderzusetzen. Konfer soll auch deshalb nicht wie Schule sein, damit Konfis im kirchlichen Kontext ein besonderes Lernumfeld erleben können. Gerade weil Schule gut und wichtig ist, muss Kirche nicht Schule an einem anderen Ort sein. Sie kann ein eigenes Lernumfeld kreieren.
Was Hartmut Rosa für die Schule fordert, kann im Konfer längst gelebt werden: „Lehrer wie Schüler, beide müssen bereit sein, Wege auszuprobieren, bei denen sie nicht sicher sind, ob sie ans Ziel führen3.“  Im Konfer kann es sogar passieren, dass das Ziel gar nicht feststeht. Konfer soll zwar auf die Konfirmation vorbereiten, aber eben nicht dadurch, dass Lernziele erreicht werden, die vor allem in einem kognitiven Wissen bestehen. Deshalb wird es immer wieder Konfi-Einheiten geben, in denen es so etwas wie eine Lernzielkontrolle oder eine Ergebnissicherung nicht gibt, ja nicht geben kann, weil die Konfis individuell ihre je eigenen Lern-, Denk- und Glaubensweg gehen sollen.
Von Prüfungssituationen ist Abstand zu nehmen: „Wir sind nicht Herren über euren Glauben, sondern Gehilfen eurer Freude!“ (2. Korinther 1,24)


Konfer ist wie Schule

Ganz unabhängig vom jeweiligen Modell der Konfi-Arbeit vor Ort gibt es hier neben allen erlebnispädagogischen Methoden, Momenten des Theologisierens mit Konfis und kreativen, produktorientierten Einheiten immer auch Unterrichts-Momente4. Wissen, Kenntnisse und Kompetenzen sollen den Konfis auf ihrem Weg immer wieder angeboten und dann auch vermittelt werden. Zudem kann mancher Weg überhaupt erst begangen werden, wenn man sich durch den Erwerb notwendiger Kenntnisse und Fähigkeiten vorbereitet hat. Wer erfahren will, wie es ist, sich in Bekenntnis und Gebet einer Glaubensgemeinschaft „einzuklinken“, muss das Credo und das Vaterunser auswendig können.
Wer über ethische Konsequenzen des Glaubens nachdenken will, muss den Dekalog keineswegs auswendig können, aber dessen Sinn verstehen. Wer einen Gottesdienst vorbereiten will – und Konfis sollen gegen Ende der Konfi-Zeit einen Vorstellungsgottesdienst ausarbeiten –, muss Grundlagen erlernen über Liturgie, Bibeltexte, Sprechen und Verhalten vor der Gemeinde etc.
Deshalb ist es für Hauptamtliche wichtig, pädagogisches Handwerkszeug parat zu haben. Das Moderieren eines Gesprächs, das Setzen eines Impulses, klare Anweisungen für eine Aufgabe oder auch die Erstellung eines Ablaufplans, der Konfis Orientierung gibt auf einem Lernweg, all das funktioniert im Konfer nach den gleichen Prinzipien und Mechanismen wie in der Schule. Deshalb ist anzustreben, dass alle in der Konfi-Arbeit Tätigen so gut wie möglich pädagogisch ausgebildet sind. Für Hauptamtliche heißt dies, dass Pädagogik in Aus- und Fortbildung eine wichtige Rolle spielen muss. Für Ehrenamtliche bedeutet dies im Normalfall5, dass sie von den Hauptamtlichen nicht nur die Inhalte vermittelt bekommen, die sie dann wiederum im Konfer weitergeben sollen, sondern dass sie ebenso auch pädagogisches Grundwissen erhalten und sich fortbilden dürfen.


Konfer ist anders als Schule

Längst haben Methoden der Jugendarbeit wechselseitig Einzug in den anderen Ort gehalten; Entwicklungen der Pädagogik wirken sich auf Schule wie Gemeinde aus. Der Unterschied zwischen Schule und Konfer liegt also nicht in der Methodik.
Konfer und Schule unterscheiden sich vor allem in einem entscheidenden Punkt: Hier wie dort gilt zwar das Überwältigungsverbot; Jugendliche dürfen nicht gezwungen werden, religiöse Handlungen zu vollziehen oder gar ein Bekenntnis abzugeben. Trotzdem kann und soll im Konfer Religion nicht nur im Sinne eines beobachtenden und reflektierenden Probehandelns erlebt werden, sondern hier wird Religion im Vollzug ausprobiert. Pointiert gesagt: Im Konfer wird wirklich gebetet. Allerdings muss dies auch hier zwanglos erfolgen.
Im Religionsunterricht erleben Schüler*innen sowohl Religionskunde als auch religiöses Probehandeln mit einer Lehrkraft, die selber der christlichen Religion angehört und – so ist zumindest die Idee – selber einen Glauben hat. Die Schüler*innen können aber am Unterricht teilnehmen, ohne selbst glauben zu müssen oder ihn gar zu „haben“.
Im Konfer glauben gewissermaßen Hauptamtliche und Konfis gemeinsam, d.h. sie gehen bewusst einen Glaubensweg zusammen. Dabei kommt es auch zum Vollzug religiöser Handlungen und bei der Konfirmation auch zu einem öffentlichen Bekenntnis6.


Konfis und Gottesdienst

Konfis sollen in den Gottesdienst gehen. Damit ist im allgemeinen der Gottesdienst am Sonntag um 10.00 Uhr gemeint, der dann oft zum Zielgruppengottesdienst für Konfis und Senior*innen wird. Konfis sollen in den Gottesdienst gehen, weil sich hier Glaubenspraxis einüben und Zurüstung für den Alltag finden lässt. Das geschieht aber nicht von selbst, schon gar nicht durch einen Gottesdienstzwang. „Die Annahme, dass Jugendliche den Gottesdienst ablehnen, weil sie ihn nicht kennen, und dass mit zunehmender Gewöhnung an die Gottesdienstformen und mit Kenntnis von Ablauf und Liturgie des Gottesdienstes eine Beheimatung stattfindet, die zu einer Wertschätzung des Gottesdienstes durch Jugendliche führt, wird durch empirische Daten deutlich widerlegt7.“  Studien zeigen, „dass die von den Mitarbeitenden angegebene Zielsetzung, ein positives Verhältnis zum Gottesdienst anzubahnen, nicht nur nicht erreicht wird, sondern sich ausgeprägte gegenteilige Effekte einstellen8.“
Es ist einfach, aus diesen Erkenntnissen Konsequenzen zu ziehen: Gottesdienstpflicht muss einer Plausibilität für den Gottesdienstbesuch weichen. Konfis, die häufig den Gottesdienst mitgestalten, am Ende ihrer Konfi-Zeit einen Vorstellungsgottesdienst erarbeiten und mit der Gemeinde feiern, verstehen, warum es sinnvoll ist, den Gottesdienst zu besuchen. Was ich selber gestalten soll, muss ich vorher anschauen und kennenlernen. Deshalb übernehmen Konfis heute nicht nur das Sammeln der Kollekte oder das Austeilen der Gesangbücher. Sie gestalten Lesungen, suchen Lieder aus und üben sie mit der Gemeinde ein, sie übernehmen liturgische Teile, erarbeiten Gebete und sprechen diese dann auch. Gelegentlich sind sie auch aktiv bei der Feier der Sakramente beteiligt.
In der Konfi-Arbeit lernen sie aber auch, wie man einen Gottesdienst mitfeiert. Es muss eingeübt werden, wie ich eine Lesung höre, wie ich mich auf ein Gebet konzentriere oder wie ich aus einer Predigt einen Gedanken mitnehme.
Wenn der Gottesdienst auf diese Weise in der Konfi-Arbeit vorkommt, stellt sich eine ganz neue Herausforderung: Mit jedem Konfi-Jahrgang hat man mehr junge Leute in der Gemeinde, die Gottesdienste gestalten können. Das sollte ihnen dann auch ermöglicht werden. Hier kann die Jugendarbeit gut anknüpfen, indem Jugendliche diese Expertise auch weiterhin in die Gemeinde einbringen.


Konfirmierende Arbeit

Konfi-Zeit ist nicht mehr auf die Phase zwischen 7. und 8. Schuljahr beschränkt. Seit 1976 beginnt für manche Kinder die Konfi-Zeit bereits in der Grundschule.  So wächst die Zeit der Begleitung auf fünf oder sechs Jahre an. Konzeptionell sollten Gemeinden Kinder und Jugendliche in jedem Alter im Blick haben. Eine Vision könnte sein, Kinder von der Taufe im Säuglingsalter an zu begleiten, ihnen in jedem Alter Begegnungsmöglichkeiten mit Kirche zu bieten und die Konfi-Zeit nur als Teil einer kirchlichen Bildungsarbeit zu begreifen. Kinder und Jugendliche würden dann stets eine altersgemäße Begleitung durch die Kirche erfahren. Zunehmend würden sie auch selber Aufgaben in der Gemeinde übernehmen. In der Zeit als Konfis würden sie sich auf ihre Konfirmation vorbereiten, in der sie Segen erfahren, das Erwachsenwerden feiern und auch ein Bekenntnis ablegen. Dieses müsste aber nicht den Anspruch haben, lebenslang so gültig zu sein. Denn die konfirmierende Arbeit geht weiter. Immer wieder können sich Menschen neu zur Kirche verhalten und zum Glauben bekennen. Dabei gilt es zu bedenken: Konfis sind nicht unsere Zukunft, sie haben eine eigene Zukunft verdient!
Reformatorisch gesprochen, erwächst Glaube aus dem Wort: Glaube ist die Antwort eines Menschen auf den Zuspruch, dass das Evangelium ihm selbst gilt. Dies kann sich auch in der Konfi-Zeit ereignen, kann und darf aber nicht das Ziel der Konfi-Arbeit sein. Ob sich jemand von Gott ansprechen lässt, hängt auch davon ab, dass andere Menschen diesen Zuspruch hörbar machen. Insofern hat so ein Zuspruch seinen Platz in der Konfi-Arbeit. Im Konfer kann es aber nur um das Ziel gehen, Konfis in die Lage zu versetzen, den Zuspruch Gottes zu hören – in dem Moment, in dem er an sie ergeht – und dann antworten zu können. Ob und wann dies im Leben einzelner Konfis geschieht, bleibt dem Wirken des Heiligen Geistes überlassen und kann daher nicht Ziel einer Didaktik sein.

Anmerkungen:

  1. Behr, Andreas / Mickel, Ute: Zweiphasige Konfi-Zeit – konfirmierende Arbeit ab dem Grundschulalter (Konfi3), in: Ebinger, Thomas u.a.(Hgg.): Handbuch Konfi-Arbeit. 2. Aufl. Gütersloh 2018, ???.
  2. Ebinger, Thomas / Böhme, Thomas / Hempel, Matthias / Kolb, Herbert / Plagentz, Achim (Hgg.): Handbuch Konfi-Arbeit. 2. Aufl. Gütersloh 2018
  3. Ilg, Wolfgang u.a.: Konfirmandenarbeit in Deutschland: Empirische Einblicke, Herausforderungen, Perspektiven, Konfirmandenarbeit erforschen und gestalten. Bd. 3, Gütersloh 2009
  4. Keßler, Hans-Ulrich / Steffen, Kai: Didaktik und Konfi-Arbeit, in: Ebinger, Thomas u.a.(Hgg.): Handbuch Konfi-Arbeit. 2. Aufl. Gütersloh 2018
  5. Rosa, Hartmut: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, Frankfurt a.M. 2016
  6. Rosa, Hartmut / Endres, Wolfgang: Resonanzpädagogik. Wenn es im Klassenzimmer knistert. 2. Aufl. Weinheim 2016
  7. Saß, Marcell / Meyer, Karlo (Hg.): Mit Konfirmandinnen und Konfirmanden Gottesdienst feiern. Eine Orientierungshilfe, Gütersloh 2016
  8. Schweitzer, Friedrich u.a.: Konfirmandenarbeit im Wandel – Neue Herausforderungen und Chancen. Perspektiven aus der zweiten