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'Der verlorene Sohn' von Rembrandt Harmenszoon van Rijn

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Rembrandt Harmenszoon van Rijn: Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, um 1666/1669 Öl auf Leinwand, 262 x 206 cm, St. Petersburg, Eremitage 

Rembrandt Harmenszoon van Rijn: Die Heimkehr des verlorenen Sohnes

 

Bildbeschreibung
Das Bild ist bestimmt durch die leicht nach vorn gebeugte Gestalt des alten Vaters, vor dem der zurückgekehrte jüngere Sohn kniet. Neben diesen beiden den größten Teil der linken Bildhälfte einnehmenden Personen befinden sich auf der rechten Seite eine große aufrecht stehende Gestalt, hinter der leicht versetzt eine zweite Gestalt sitzt. Aus einem Fenster im Hintergrund links schaut eine Frauengestalt auf die Vater-Sohn-Gruppe. Am Torbogen lehnt ein Zuschauer, der das Geschehen ebenfalls aus dem Hintergrund beobachtet.  Die im ganzen sehr dunkel wirkende Szene lässt die leuchtend glänzende Personengruppe von Vater und Sohn um so stärker hervortreten. Das Gesicht des Vaters ist  leicht nach rechts gebeugt, die Augen scheinen fast geschlossen zu sein. Das von links kommende Licht lässt seine große Stirn besonders auffällig wirken. Gerahmt ist das Gesicht von einer gebundenen Kopfbedeckung, grauem Kopfhaar und einem langen leicht in der Mitte geteilten Bart. Über den Schultern trägt der Vater einen kurzen bis zu den Unterarmen reichenden roten Umhang. Seine offenen, leicht gespreizten Hände ruhen etwas versetzt auf dem hellen Rücken und der hellen Schulter des Sohnes. Dieser ruht bei geschlossenen Augen mit dem kahlgeschorenen,  leicht zur rechten Seite gedrehten Kopf an der Brust des Vaters. Die offensichtlich nach vorne gehobenen Arme sind fast ganz vom Oberkörper verdeckt. Im Gegensatz zu  allen anderen Personen des Bildes trägt der Sohn lediglich ein zerschlissenes, leinenfarbenes, einfach gegürtetes Unterkleid. An seiner rechten Seite erkennt man in einem  Schaft den Knauf eines kurzen Schwertes. Das einfache Schuhwerk des Sohnes trägt deutliche Spuren der Abnutzung. Der linke Fuß ruht - mit der nackten Fußsohle zum Betrachter - neben dem ausgezogenen Schuh. 

Abgesetzt durch  zwei Stufen steht leicht in den Hintergrund gerückt auf der rechten Seite eine nachdenkliche große Gestalt. Sie trägt eine Kopfbedeckung, hat einen langen roten Umhang und trägt feste Stiefel. Das bärtige helle Gesicht ist leicht nach unten geneigt. Die zusammengelegten Hände ruhen auf einem dünnen Stock. Offensichtlich handelt es sich bei der Gestalt um den älteren Sohn. Links neben ihm sitzt mit übergeschlagenem Bein ein Mann mit einem dunklen Hut. Er fasst sich mit der rechten Hand an die linke Brust.

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Bildverständnis

Das Bild veranschaulicht Rembrandts großartige Interpretation des neutestamentlichen Gleichnisses vom verlorenen Sohn aus dem Lukas-Evangelium Kap. 15 Vers. 11-32. In verschiedenen Zeichnungen hat Rembrandt das Gleichnis Zeit seines Lebens immer wieder aufgegriffen und bearbeitet.

Das große Tafelbild aus seinen letzten Lebensjahren stellt zweifelsohne den Höhepunkt seiner lebenslangen Bemühungen um das Verständnis des Gleichnisses dar. Handelt es sich zum einen zweifelsohne um eines von zahllosen  Historienbildern, die Rembrandt zu den unterschiedlichsten Geschichten der Bibel gemalt hat, so ist zum anderen doch festzuhalten, dass das Bild in seiner Intensität und Ausdruckskraft zugleich als ein überaus persönliches Glaubenszeugnis des alt  gewordenen Rembrandts  verstanden werden kann. Bereits die Größe des Bildes, die die dargestellten Personen dem Betrachtenden lebensgroß vor Augen stellt,  zieht den Betrachter bzw. die Betrachterin in das bewegende Geschehen hinein. Dies wird verstärkt durch das gewählte Hochformat. Gleichzeitig  wirkt das Bild im ganzen  ruhig und feierlich. 

Rembrandt wählt für seine Deutung des Gleichnisses den Kernpunkt der Erzählung Jesu: das Erbarmen des Vaters gegenüber dem reuevollen Kind (wörtlich: teknon). Auffällig rückt Rembrandt dabei die Hände des Vaters in den Mittelpunkt. Anders als in der Erzählung, in der von einer Umarmung des Vaters die Rede ist, liegen die Hände wie  ein Segen auf den Schultern des Sohnes. Die Geste ist Ausdruck von Vergebung und Liebe. Diese sind  ein zutiefst inneres, verborgenes Geschehen, das durch die behutsame Berührung und die geschlossenen Augen des Vaters und des Sohnes unterstrichen wird. Die Innigkeit und Vorbehaltlosigkeit dieser Beziehung wird durch Gegensätzlichkeit im Äußeren noch verstärkt. So begegnen sich im Vater und Sohn Jung und Alt, Reichtum und Armut. Während der Vater steht, kniet der Sohn, während der Vater aus dem Haus getreten ist, kommt der Sohn aus der Fremde. Auch wenn wir das Gesicht des Sohnes nur wenig erkennen können, so wird doch die tiefe Verbundenheit beider Personen durch das hell glänzende Licht noch einmal hervorgehoben. 

Rechts neben den Stufen sind zwei Personen zu sehen, deren Zuordnung zunächst unklar ist. Offensichtlich greift Rembrandt zurück auf eine Maltradition seiner Zeit, die das Gleichnis vom verlorenen Sohn gern mit dem Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner kombinierte. (1) Der sitzende Mann, ein Verwalter, schaut auf den zurückkehrenden Sohn und schlägt sich mit seiner rechten Hand an die Brust. So vertritt er die Sünder und Zöllner der biblischen Geschichte(vgl. Lk 18,9-14). Entsprechend vertritt die ein wenig rätselhaft schauende zweite Person die Pharisäer und Schriftgelehrten. Angedeutet durch den roten Umgang und den Bart handelt es sich dabei um den älteren Sohn, auch wenn das biblische Gleichnis davon erzählt, dass der ältere Sohn bei der Heimkehr seines Bruders auf dem Feld war.  Doch wie in vielen anderen Bildern verbindet Rembrandt auch hier die verschiedenen Erzählmotive zu einem dramatischen Moment, in dem die Spannungen und Provokationen der Geschichte sichtbar werden. So wird auch  das Fest, das der Vater in seiner Freude für alle ausrichtet, lediglich mit einem Bild, auf dem ein Flötenspieler zu sehen ist, im Hintergrund angedeutet.(2) Zentral bleibt die bedingungslose, liebende Zuwendung des Vaters zu seinem Sohn, die alle Zuschauenden berührt und in unterschiedlicher Weise reagieren lässt.

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Bildeinsatz im Unterricht

Das Bild lässt sich u. a. zu folgenden Themen einsetzen: 
Gottesbilder, Rechtfertigung, Schuld und Vergebung 
Die Auseinandersetzung mit Rembrandts Bild im Unterricht wird geleitet sein von den unterschiedlichen Personen, die auf dem Bild zu erkennen sind. Nouwen hat in seiner eigenwilligen, geistlichen Betrachtung des Bildes einen Weg nachgezeichnet, der vom jüngeren Sohn über den älteren Sohn hin zum Vater führt. Er spürt dabei den unterschiedlichen Eigenanteilen nach, die der Betrachter bzw. die Betrachterin mit diesen Personen möglicherweise verbindet. So werden im Geflecht der verschiedenen Zuordnungen der Personen ihre  verschiedenen Gefühle und Gedanken nachvollziehbar. Auch  Rembrandt selbst wird sich nicht nur mit der Rolle des verlorenen Sohnes identifiziert haben, als er sich  am Ende seines in vielen Teilen auch gescheiterten Lebens noch einmal mit dem biblischen Gleichnis auseinandergesetzt hat. Neben Unverständnis, Neid und Bitternis, die aus dem Gesicht des älteren Sohnes sprechen, ist es vielleicht sogar die Rolle des alten Vaters selbst, zu der Rembrandt eine Nähe gesucht und gefunden hat. Die Ähnlichkeit des Gesichtes des Vaters zu einigen Selbstportraits Rembrandts, die von  einigen Interpreten beschrieben wird, kann für eine solche Annahme sprechen.(3) 
Auf diesem Hintergrund bieten sich neben einer genauen Bildbeschreibung  verschiedenen Methoden an, das Bild im Unterricht zu bearbeiten. 
Insbesondere kann Rembrandts Bild als eigenes Standbild nachgestellt oder auch neu inszeniert werden. Aus den Rollen heraus können Gedanken und Dialoge entwickelt werden, die zudem zu einer Fortführung und Weiterentwicklung der Geschichte führen können. Eine besondere Rolle kann für die Schülerinnen und Schüler dabei dem jungem Zuschauer (Zuschauerin?) in der Mitte des Bildes zukommen. Seine zentrale Beobachterrolle kann bei der Erschließung des Bildes  hilfreich sein.  Neben weiteren Methoden wie zum Beispiel dem perspektivischen Schreiben (zum Beispiel: Brief des älteren Sohnes an einen Freund, Tagebucheintragung des jüngeren Sohnes, Festtagsrede des Vaters bei der Rückkehr des jüngeren Sohnes)(4), bei dem die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Erfahrungen, Hoffnungen und Wünsche einbringen, bieten sich weiter an: 

Bildvergleich mit Darstellungen von Rembrandt und anderen Künstlern (5)

  • Künstlervergleich des  „protestantischen Künstlers“ Rembrandts mit seinem katholischen Zeitgenossen Rubens

  • Digitale Bildbearbeitung

  • Arbeitsblatt mit Sprechblasen [Link]

  • Textvergleich von Lukas 15,11-32 mit Matthäus 20,1-16

Anmerkungen
(1) Vgl. Henri K.M. Nouwen: Nimm sein Bild in dein Herz, Freiburg i.B. 12. Auflage, 2002, 81.
(2) Firnisse, aus Leinöl oder Harz bestehende Schutzanstriche, führen oftmals dazu, dass Gemälde erheblich nachdunkeln. Die Abbildung des Flötenspielers ist auf der vorliegenden Darstellung nicht mehr zu erkennen. Sie befindet sich rechts neben dem Kopf des Zuschauers in der Mitte des Bildes. 
(3) Vgl.  Henri K.M. Nouwen: Nimm sein Bild in dein Herz, Freiburg i.Brsg. 12. Auflage, 2002, 117: „Bald, nachdem Rembrandt den Vater und dessen segnende Hände gemalt hatte, starb er. Neben dem linken Fuß des Sohnes steht die Signatur: RF, das heißt Rembrandt fecit – Rembrandt hat es gemalt. Rembrandts Hände haben unzählige Menschengesichter und Menschenhände gemalt. Hier, in einem seiner letzten Bilder, hat er das Gesicht und die Hände Gottes gemalt. Wer hat für dieses lebensgroße Bild Gottes Modell gestanden? Rembrandt selbst? Das Vater des Verlorenen Sohnes ist ein Selbstbildnis, aber nicht im herkömmlichen Sinn. Rembrandt eigenes Gesicht kommt in verschiedenen seiner Bilder vor. Es erscheint als der Verlorene Sohn im Bordell, als angsterfüllter Jünger auf dem See, als einer der Männer, die den Leichnam Jesu vom Kreuz abnehmen. Was hier aber zutage tritt, ist nicht Rembrandts Gesicht, sondern seine Seele, die Seele eines Vaters, der so viele Tode erlitten hat.“
(4) Siehe Wiebke Theermann: Der verlorene Sohn – drei Methoden, in: werkstatt ku/ru März 2004 Nr.88 Arbeitsstelle für ev. Religionspädagogik Ostfriesland, 6. 
(5) Rembrandt: Der verlorene Sohn kehrt heim, 1636; Rembrandt: Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, 1642; H. Bosch: Der verlorene Sohn, um 1510; A. Dürer: Der verlorene Sohn bei den Schweinen, 1496; M. Slevogt: Der verlorene Sohn 1898/99 (Triptychon), H. Thoma, Der verlorene Sohn, 1919 u. a. m. 


Texte
Zum Gottesbild: 
„Liebe ist nicht Liebe, die sich wandelt, wenn sie trifft auf Wandel.“ (Shakespeare) 

Zu Glaube und Selbstwertgefühl 
„Viele konsumorientierte  Wirtschaftszweige leben davon, dass sie das geringe Selbstwertgefühl ihrer Konsumenten ausnützen und mit materiellen Mitteln spirituelle Erwartungen schaffen. Solange ich ‚klein’ gehalten werde und mich ‚gering’ schätze, kann ich leicht verführt werden, Dinge zu kaufen, auf Veranstaltungen zu gehen oder an Orte zu reisen, die eine radikale Veränderung in meiner Selbsteinschätzung versprechen, selbst wenn sie völlig außerstande sind, das zuwege zu bringen.“ (Henri K.M. Nouwen: Nimm sein Bild in dein Herz, 128)


Literatur
Isabel Kuhl: Rembrandt Harmensz. van Rijn, Prestel Verlag München 2004

Volker Manuth: Mit Verlaub, bist Mennonit, Papist, Arminianer oder Geuse? Kunst und Konfession bei Rembrandt, in: Gemäldegalerie Staatliche Museen zu Berlin (Hg.): Rembrandt. Genie auf der Suche, Berlin 2006, 51-63. 

Lothar Teckemeyer: Der verlorene Sohn, in: Werkstatt KU/RU Anregungen I , 7-11 Arbeitsstelle für ev. Religionspädagogik Ostfriesland o.J.

Wiebke Theermann: Der verlorene Sohn – drei Methoden, in: werkstatt ku/ru März 2004 Nr.88 Arbeitsstelle für ev. Religionspädagogik Ostfriesland

Christian Tümpel: Rembrandt, 10. Aufl. 2002

Jörg Zink: Diabücherei Christliche Kunst, Bd. 21 - Jesus-Geschichten III , Reden + Gleichnisse. Betrachtung und Deutung, Eschbach1987


Internetadressen

http://de.wikipedia.org/wiki/rembrandt
www.rembrandtonline.org
http://www.wga.hu/frames-e.html?/html/r/rembran/index.html