Linguist Schlobinski: Falschbehauptungen können Sprache verändern

Nachricht 18. Februar 2025

epd-Gespräch: Julia Pennigsdorf

Hannover (epd). Der Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski appelliert an die Menschen, Falschbehauptungen nicht zu ignorieren, sondern ihnen stets entschieden entgegenzutreten. „In Zeiten von Lügen, Täuschungen, Fake News und propagandistischer Einflussnahme ist es extrem wichtig, immer wieder auf Wahrheit und Wahrhaftigkeit zu bestehen und diese zu verteidigen“, sagte Schlobinski dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Professor lehrte Germanistische Linguistik an der Universität Hannover und ist stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden.

Zwar sei es häufig schwierig und mühsam, Falschbehauptungen zu widerlegen, da diese aufwendig mit der Wirklichkeit abgeglichen werden müssten. „So wie es leichter ist, ein Glas zu zerbrechen und irgendetwas zu behaupten, auch wenn es falsch ist, so viel schwerer ist es, ein Glas aus den Scherben wieder zusammenzusetzen und Falschbehauptungen zu korrigieren“, sagte der Sprachwissenschaftler. Es gäbe zu diesem Aufwand jedoch keine Alternative. „Ignorieren hilft nicht und spielt Populisten und Propagandisten nur in die Hände“, sagte Schlobinski auch mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl.

Schlobinski plädierte etwa dafür, weiter „Golf von Mexiko“ zu sagen, auch wenn US-Präsident Donald Trump die Meeresbucht in „Golf von Amerika“ umbenannt habe. Was sich durchsetze, sei allerdings am Ende eine Frage der Definitionsmacht: „Wenn sich die Neubenennung in den USA durchsetzt - in der Google Maps App der USA ist diese bereits implementiert - und offiziell gebraucht wird, dann kann es durchaus sein, dass diese auch in anderen Ländern übernommen wird.“

Der Sprachforscher unterstrich die Bedeutung, weder rechten noch linken Sprachjargon zu übernehmen. Begriffe zu enttabuisieren oder zu tabuisieren sei eine Strategie von Rechtspopulisten und -radikalen, um Bedeutungsverschiebungen vorzunehmen und den gesellschaftspolitischen Diskurs zu beeinflussen. Eine Strategie, die gepaart mit nackter Gewalt aus totalitären Systemen bekannt sei. „Denken Sie an die Nazi-Herrschaft sowie aktuell an die russische Propaganda, wenn etwa ein Angriffskrieg als Spezialoperation und Kriegsverbrechen als Friedensmission bezeichnet werden.“

Der Reichtum der deutschen Sprache bietet dem Sprachexperten zufolge vielfältige individuelle Ausdrucksmöglichkeiten, die nicht ideologisch aufgeladen sind und einen offenen gesellschaftlichen Diskurs ermöglichen. Insbesondere Politiker sollten ihren „Politsprech, ihre Floskeln und Sprachschablonen“ selbstkritisch reflektieren, forderte er.

„Die zunehmende Aufmerksamkeits- und Erregungsrhetorik im politischen Diskurs der Demokraten sowie das ewige Beschwören von Begriffen wie ‚Zusammenhalt und Zusammenstehen' empfinde ich als wenig hilfreich.“ Politiker sollten stattdessen klar, deutlich und authentisch kommunizieren und „die Probleme lösen, die die Menschen umtreiben“, sagte Schlobinski.