Soziologe Hurrelmann besorgt über Stresslevel unter Jugendlichen

Nachricht 05. Dezember 2024

Bildungsforscher plädiert für mehr Beratung bei der Studienwahl

Innere Belastungen, Ängste, Depressionen: Immer mehr Junge fühlen sich gestresst. Der Bildungsforscher Klaus Hurrelmann beobachtet eine "Generation im Dauerkrisenmodus". Ein großes Problem sei die Orientierungslosigkeit am Ende der Schulzeit.

Hannover (epd). Der renommierte Berliner Sozial- und Bildungsforscher Klaus Hurrelmann hat sich angesichts der steigenden Zahl junger Menschen, die unter Stress leiden, alarmiert gezeigt. Mehr als 40 Prozent der zwischen 14- und 29-Jährigen fühlten sich einer aktuellen Trendstudie zufolge gestresst, dies sei ein „erschreckendes Ergebnis“, sagte er beim Schülerforum der evangelischen Landeskirche Hannovers am Mittwoch in Hannover. Hurrelmann sprach auf dem Podium zum Thema „Studium für alle - aber zu welchem Preis?“.

Noch überwiege die optimistische Haltung unter Jugendlichen, betonte der Soziologe. Der Anteil der Stressgeplagten habe sich aber in der Corona-Zeit verdreifacht, gegenwärtig sei er noch immer doppelt so hoch wie vor der Pandemie. Er sehe eine „Generation im Dauerkrisenmodus“. Besonders hoch sei das Stressniveau bei den Studierenden. Umfragen zufolge beschäftige junge Menschen vor allem die Angst vor individueller wirtschaftlicher Not. „Materielle Ängste haben die Angst vor dem Klimawandel verdrängt.“

Eine wesentliche Ursache für das Stressempfinden liege in der Orientierungslosigkeit vieler junger Menschen am Ende ihrer Schulzeit. Vielen falle es schwer, eine Entscheidung für den weiteren Ausbildungsweg zu treffen, sagte Hurrelmann. „Deswegen machen viele nach dem Abi erstmal eine Pause. Ein Gap Year wird immer populärer.“

Was ein Studium biete und welche beruflichen Wege es eröffnen könne, sei für viele immer weniger greifbar, gab Hurrelmann zu bedenken. Das liege auch daran, dass es in Deutschland mittlerweile rund 12.000 Bachelor-Studiengänge und 8.000 Master-Studiengänge gebe. Der Eindruck liege nahe: „Ich habe also keine richtige Chance, mich zu orientieren.“

Hurrelmann plädierte für mehr Potenzialanalysen schon in der Schule und mehr Begleitung während der ersten drei Hochschulsemester. Bei der Wahl der Ausbildung oder des Studienfachs den Fokus ausschließlich auf persönliche Stärken, Neigungen und Wünsche zu setzen, könne die Entscheidung jedoch umso quälender machen. „Ein Patentrezept gibt es nicht, aber eine Beratung, die brauchen junge Menschen.“

Zum Schülerforum unter dem Motto „Du hast Zukunft“ waren am Mittwoch mehr als 1.600 Jugendliche ins Hannover Congress Centrum gekommen. Eröffnet wurde die Veranstaltung von der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, und Landesbischof Ralf Meister.