Der Tod ist ein Thema, das Kinder zugleich ängstigt und fasziniert. Und viele Fragen aufwirft. Bilderbücher können helfen, darüber zu sprechen.
Bremen, Hannover (epd). Marlene und Paul unternehmen viel mit ihrem Opa und lieben ihn über alles. Doch seit einiger Zeit liegt er im Bett und wird immer schwächer. Dann stirbt Opa, die Eltern weinen und Paul fragt: „Und wann ist Opa vom Sterben wieder gesund? Er wollte uns doch noch eine Geschichte erzählen.“
Die Szene ist der Einstieg in das Bilderbuch „Geht Sterben wieder vorbei?“ von Mechthild Schroeter-Rupieper und Imke Sönnichsen, das sich kindgerecht mit dem Tod beschäftigt und erklärt, was danach kommt.
„Die Zahl der Kinderbücher, die Tod und Trauer zum Thema haben, nimmt zu“, sagt die Bremer Diakonin und Religionspädagogin Christine Poppe. Zusammen mit ihrer Kollegin, Pastorin Sina-Maria Wichmann, beobachtet sie den Markt mit Titeln dieser Art aufmerksam und gibt Eltern oder Großeltern Tipps. Bücher wie „Vogel ist tot“ von Tiny Fisscher und Herma Starreveld oder „Radieschen von unten“ von Katharina von der Gathen und Anke Kuhl bieten Anknüpfungspunkte, mit Kindern über das Sterben zu sprechen.
Für die beiden Expertinnen ist klar: Das Thema Tod fasziniert und ängstigt Kinder zugleich. Und es gehört einfach zum Leben dazu. „Das können Kinder täglich erfahren, beispielsweise wenn sie einen Marienkäfer finden, der nicht mehr krabbelt, wenn die Hauskatze stirbt oder die Nachbarin plötzlich tot ist“, verdeutlicht Pastorin Wichmann. „Schließlich haben Kinder ihre Augen und Ohren überall - und wollen sie auch überall haben.“
Und doch treffen die Diakonin und die Pastorin immer mal wieder auf die Überzeugung, dass Kinder von Themen wie Leiden und Sterben und damit beispielsweise auch von Beerdigungen ferngehalten werden sollten. „Da gibt es ein Grundbedürfnis, Kinder schützen zu wollen“, weiß Christine Poppe. Doch je unklarer, je verschwommener mit dem Tod umgegangen werde, warnt sie, desto schwieriger werde es für die Kinder: „Da können schlimme Fantasien wachsen.“
Ähnliche Erfahrungen hat die evangelische Theologin Margot Käßmann gemacht. „Der Tod von lieben Menschen schmerzt uns alle. Er tut weh, das lässt sich nicht wegdiskutieren“, sagt die ehemalige hannoversche Landesbischöfin. „Aber je mehr wir ihn verschweigen, desto mehr Macht geben wir ihm. Das ist dann wie bei Harry Potter: Lord Voldemort als 'der, dessen Namen wir nicht nennen', erhält genau dadurch einen Zugewinn an Macht. Mir liegt daran, dass wir Kinderfragen bewusst aufnehmen.“
Sina-Maria Wichmann, Pastorin im Bremer Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder, warnt besonders vor unklaren Formulierungen. „Wenn Eltern sagen, Opa ist eingeschlafen, kann das im schlimmsten Fall dazu führen, dass das Kind nicht mehr ins Bett gehen mag.“ Irritierend seien auch Sätze wie „Opa ist jetzt woanders“. „Da kommt schnell die Frage auf: Wo ist er denn jetzt? Und warum ist er nicht mehr hier?“
Statt „friedlich eingeschlafen“ besser von „friedlich gestorben“ sprechen, dazu rät beispielsweise Mechthild Schroeter-Rupieper, Familien-Trauerbegleiterin in Gelsenkirchen und eine der Autorinnen von „Geht Sterben wieder vorbei?“. Sie ist überzeugt, dass Bilderbücher zum Thema Tod verständlich aufklären und in der Trauer unterstützen können: „Weil sie Beispiele zeigen, wie man mit Verlust, Trauer, Trost und Hoffnung umgehen kann.“
Kinder müssten gestärkt werden, um Gefühle zulassen zu können. Das könne spätere Traumata verhindern. Kinder zu loben, weil sie sich zusammenreißen und nicht trauern würden, sei nicht hilfreich, warnt die Therapeutin: „Für unseren Lebensweg brauchen wir eine emotionale Muskulatur. Es wird wieder heilen, wenn ich Trauer zulasse. Wenn nicht, kann ich krank werden.“
In der Trauer könnten Rituale unterstützen, ergänzt Margot Käßmann: „Kerzen anzünden, Gebete sprechen, Briefe der Erinnerung schreiben oder Blumen ins oder auf das Grab legen: das sind einige der Formen, die Kindern helfen, Abschied zu nehmen.“ Sie betont: „Wir sollten Kinder nicht vom Tod abschirmen oder sie vertrösten. Wir können kindgerechte Worte, Rituale und Formen finden, ihn zu thematisieren. Dann hat der Tod nicht das letzte Wort, sondern das Leben.“
Was dabei wichtig ist: Kleine Kinder brauchen eher kurze und eindeutige Antworten, ältere beginnen, tiefer zu schürfen. Jugendliche können scharf und heftig, skeptisch und fordernd nachhaken. Doch wie auch immer die Fragen kommen: „Wir müssen nicht die perfekte Antwort haben, wir können uns auch gemeinsam auf die Suche machen“, meint Kita-Pastorin Sina-Maria Wichmann. Auch bei dieser Suche könnten Bilderbücher helfen, ergänzt ihre Kollegin Poppe: „Mittlerweile gibt es schon Titel, die eine multikulturelle Perspektive einnehmen und Themen wie den Suizid oder Sternenkinder aufgreifen.“