Hannover (epd). Ein zivilgesellschaftliches Bündnis aus mehr als 40 Initiativen und Organisationen hat vor der Einführung von Bezahlkarten für Flüchtlinge in Niedersachsen gewarnt. Durch solche Karten drohe Geflüchteten eine „systematische Diskriminierung und Ausgrenzung“, erklärte das Bündnis am Mittwoch in Hannover in einem Appell an die Landesregierung. Die rot-grüne Koalition solle sich auf ihre Versprechen besinnen und die Gleichbehandlung aller Menschen im Land sicherstellen, statt mit der Bezahlkarte ein neues Diskriminierungsinstrument zu schaffen. Zu den Unterzeichnern des Appells zählen der Landesflüchtlingsrat, der Landesjugendring und der Niedersächsische Integrationsrat.
Am 26. April hatte der Bundestag die Einführung einer Bezahlkarte für Menschen beschlossen, die im Asylverfahren oder mit einer Duldung Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Die Karte ermöglicht Beschränkungen im Zahlungsverkehr und bei der Verfügbarkeit von Bargeld. Der Beschluss folge auf eine massive Kampagne gegen Geflüchtete, erklärte das Bündnis.
Diese Kampagne vermittele den Eindruck, Menschen würden allein deshalb nach Deutschland kommen, um hier von Sozialleistungen zu leben. Wissenschaftliche Studien zeigten jedoch, dass die Hoffnung auf Rechtsstaatlichkeit und einen Arbeitsplatz sowie bereits dort lebende Angehörige oder Freunde entscheidend dafür seien, welches Land Menschen zu erreichen versuchten.
„Wer vor Krieg und Gewalt flieht, wird sich nicht davon abhalten lassen, weil es in Deutschland eine Bezahlkarte gibt“, heißt es in dem Appell. Die Bezahlkarte werde ihren vorgegebenen Zweck nicht erreichen, Geflüchtete jedoch in essenziellen Lebensbereichen diskriminieren. Sie sei „Ausdruck einer populistischen Symbolpolitik, die Schutzsuchende weiter ausgrenzt, diskriminiert und kontrolliert“.
Konkret sollen die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz künftig auf eine Bezahlkarte ohne Kontobindung gebucht werden. Überweisungen und Lastschriften können eingeschränkt oder gar vollkommen ausgeschlossen werden. Die Betroffenen sollen nur einen kleinen Betrag in bar abheben können - einige Bundesländer wie Brandenburg und politische Parteien wie die CDU in Niedersachsen haben hier einen Betrag in Höhe von 50 Euro im Montag für Erwachsene und von 10 Euro für Kinder vorgeschlagen.
Die Bezahlkarte funktioniert nur in Geschäften mit dafür ausgestatteten Lesegeräten, etwa für Mastercard oder Visa. Auf Flohmärkten, beim Gemeindefest oder in der Schulcaféteria kann sie somit nicht genutzt werden. Eine Einschränkung von Überweisungen führt dem Bündnis zufolge zu gesellschaftlichem Ausschluss von Geflüchteten: Die Mitgliedschaft in Sport- und gemeinnützigen Vereinen, der Kauf eines Deutschland-Tickets für die Bahn, der günstige Einkauf im Internet und sogar der Handyvertrag - all dies werde erschwert oder gar verhindert.
Eine Bezahlkarte könne dann sinnvoll sein, wenn sie - wie in Hannover - diskriminierungsfrei umgesetzt werde, hieß es weiter. Die Ausgabe einer „Social Card“ biete Möglichkeiten der Digitalisierung und vereinfache Verwaltungsprozesse, ohne dass der Zahlungsverkehr und die Verfügbarkeit von Bargeld eingeschränkt werde. Die hannoversche "Social Card” gerate nun aber in Gefahr, wenn die Landesregierung allen Kommunen vorgebe, Bargeldauszahlungen zu beschränken und Überweisungen zu verbieten.