Bei Anruf Lachen

Nachricht 25. April 2024

Von Christine Süß-Demuth (epd)

Lachen sorgt für gute Laune, trainiert das Zwerchfell, die Immunabwehr steigt, Ängste und Spannungen werden gelöst. Und es ist ansteckend. Auch wenn man gar nicht weiß, warum jemand lacht. Und: Es gibt sogar ein Lachtelefon.

Wunstorf/Tuttlingen (epd). Bei Anruf Lachen: „Tief einatmen und die Mundwinkel nach oben ziehen, Luft anhalten und dann mit Ha, ha, ha, ausatmen“, erklärt die Expertin am „Lachtelefon“ im niedersächsischen Wunstorf. Das warme Lachen der ausgebildeten Lachyoga-Trainerin ist ansteckend. Obwohl es sich anfangs etwas seltsam anfühlt, grundlos mit einer Unbekannten gemeinsam zu lachen: Es funktioniert.

Drei Minuten „einfach so“ am Telefon zu lachen sorge für gute Laune und trainiere das Zwerchfell, sagt die Mitgründerin des „Lachtelefons“, Sandra Mandl. Die Idee dazu hatte sie zusammen mit anderen im Sommer 2019: „Weil es viel schöner ist, gemeinsam zu lachen.“ „Nimm dir Zeit zum Lachen, es ist die Musik der Seele“, ist die Devise des anonymen und kostenfreien Angebots, bei dem rund 100 Ehrenamtliche mitarbeiten. Seit ein TikTok-Video das spendenfinanzierte Angebot kürzlich im Internet bekannt gemacht habe, riefen besonders viele Kinder und Jugendliche an, sagt Mandl.

Der indische Arzt Madan Katari entwickelte in den 1990er Jahren das Konzept des Lachyogas, einer Kombination von einfachen Yogatechniken und spielerischen Lachübungen. Im Jahr 1998 begründete er auch den Weltlachtag am ersten Sonntag im Mai. Dieses Jahr ist er am 5. Mai.

Lachen sei ansteckend, auch wenn man gar nicht wisse, warum jemand lache, erklärt Psychiater Michael Titze aus dem baden-württembergischen Tuttlingen im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Lachen ist Ausdruck reiner Befreiung, vollkommener Spannungslösung.“

Doch was genau passiert, wenn wir lachen? Im Gehirn werde das Areal aktiviert, das für die Steuerung des Lachmuskels im Gesicht zuständig sei, erklärt Titze, der in Deutschland als ein Pionier therapeutischen Humors gilt und mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht hat. 17 Muskeln im Gesicht ziehen die Mundwinkel nach oben und sorgen für einen glücklichen Ausdruck.

Im ganzen Körper werden beim Lachen rund 300 Muskeln angespannt. Für kurze Zeit ist der Organismus sehr aktiv, der Stoffwechsel wird angeregt, Glückshormone werden freigesetzt. Die Wirkung ist auch im Blut messbar. Dort bilden sich vermehrt Inhaltsstoffe, die der Immunabwehr dienen.

Der Begründer der Lachforschung, der US-Psychiater Willam F. Fry (1924-2014), verglich das Lachen sogar mit Sport. 20 Sekunden Lachen entsprechen ihm zufolge etwa der körperlichen Leistung von drei Minuten schnellem Rudern oder Laufen.

Im Jahr 1964 gründetet Fry im kalifornischen Stanford ein Institut für Gelotologie, so der Fachbegriff für Lachforschung. Weil er von seinen Kollegen im wahrsten Sinne des Wortes belächelt wurde, habe Fry seine Arbeit nur mit finanzieller Unterstützung seiner wohlhabenden Frau beginnen können, erzählt Titze.

Um ernst genommen zu werden, sprach auch Titze anfangs von „paradoxer Intervention“ statt von Humortherapie. Lachen löse Ängste und Spannungen, wirke stimmungsaufhellend und schmerzsenkend, erklärt Titze, der die internationale Gesellschaft für therapeutischen Humor „Humorcare“ gegründet hat. So ergab beispielsweise eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Meta-Analyse, dass Lachen nachweisbar das Level des Stresshormons Cortisol senkt.

Therapeutisches Lachen funktioniere sogar bei Menschen, für die das Lachen anderer eine Qual sei, erklärt der Forscher: Sogenannte Gelotophobiker seien oft verspottetet worden und fürchteten sich davor, ausgelacht zu werden. Denn Lachen kann auch ausschließen. Im Rahmen einer Therapie könnten Gelotophobiker aber einen entspannteren Umgang mit dem Lachen lernen, sagt Titze.

Lachen mache Mut und sei ein gutes Mittel gegen die Unwägbarkeiten des Lebens, ist Pfarrerin Bettina von Kienle aus dem Schwarzwaldort Villingen überzeugt. Sie ist Klinikseelsorgerin und Humortrainerin. Ihre Erfahrung: Hilfreich sei, sich an glückliche Momente zu erinnern, auch im Angesicht von Krankheit und Tod. Und der kirchliche Segen, etwa am Ende eines Gottesdienstes, ist für Kienle „eine Art Lächeln Gottes“.

epd-Service
Info
Das Lachtelefon ist in Deutschland täglich von 9 bis 21 Uhr telefonisch erreichbar: 05031/ 519 43 80. "Lachen online - für 3 min", täglich um 19:30 Uhr und von Montag - Freitag zusätzlich um 7:25 Uhr per Zoom: https://us02web.zoom.us/j/82141937089
Internet
https://lachtelefon.de/ www.michael-titze.de Studie zu Cortisol: http://u.epd.de/2zcy