Hannover, Gütersloh (epd). Zehn Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf eine Tagesbetreuung für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr gibt es noch immer zu wenig Kita-Plätze in Niedersachsen. Aktuellen Berechnungen zufolge könnte es erst 2030 gelingen, die Lücke zu schließen, teilte die Bertelsmann Stiftung am Dienstag in Gütersloh mit. Dem jüngsten „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ der Stiftung zufolge wird es genauso lange dauern, kindgerechte Personalschlüssel in allen Gruppenformen zu erreichen.
In Niedersachsen liegt die Quote der unter dreijährigen Kinder in Kindertagesbetreuung mit 34 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt (36 Prozent). Tatsächlich wünschen sich laut Bertelsmann Stiftung jedoch 47 Prozent der Eltern für ihr Kind in dieser Altersgruppe eine Betreuung. Bei den ab Dreijährigen liegt die Betreuungsquote mit 92 Prozent im Bundesdurchschnitt. Allerdings haben hier 96 Prozent der Eltern Bedarf an einer Kindertagesbetreuung. Im Ergebnis fehlen in dem Bundesland 41.600 Kita-Plätze.
Niedersachsen könne den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nach wie vor nicht bedarfsgerecht erfüllen, sagte Kathrin Bock-Famulla, Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung. „Die Kinder bekommen keinen Zugang zu frühkindlicher Bildung, während die Eltern Familie und Beruf schwieriger vereinbaren können.“
Gleichzeitig würden noch 56 Prozent der Kita-Kinder in Gruppen mit nicht kindgerechten Personalschlüsseln betreut. Die Bertelsmann Stiftung empfehle ein Verhältnis von eins zu drei, in den Krippengruppen sei eine Vollzeit-Fachkraft aber rechnerisch für 3,4 Ganztagskinder zuständig. „Es ist davon auszugehen, dass die Kitas in Niedersachsen aktuell ihren Bildungsauftrag für die Mehrheit der Kinder nicht erfüllen können“, sagte Bock-Famulla.
Bis zum Jahr 2025 werden nach den Berechnungen in Niedersachsen rund 5.000 Fachkräfte fehlen, nur um die Betreuungsbedarfe der Eltern zu erfüllen. Bis 2030 wäre zwar rechnerisch ausreichend Personal vorhanden - allerdings nur, wenn der Bedarf nicht steige. Um den enormen Personalmangel bereits jetzt abzufedern, müssten die vorhandenen Fachkräfte von nicht-pädagogischen Aufgaben entlastet werden, zum Beispiel durch Mitarbeitende in der Verwaltung und Hauswirtschaft. Auch die Gewinnung und Qualifizierung von Quereinsteigerinnen bleibe wichtig.