"Powered by Jesus" steht auf dem Plakat in der Lutherkirche Hannover. Das Ziel der jungen Influencer, die sich hier zum Social-Media-Bootcamp treffen: Über ihren Glauben sprechen und die Reichweite ihrer Social-Media-Kanäle erhöhen.
Hannover (epd). Die Seitentür der Lutherkirche in Hannover steht offen, junge Menschen sitzen auf den Stufen, blinzeln mit einem Kaffee in der Hand in den blauen Himmel, klönen und lachen. Auch das Innere der Kirche strömt eine lockere Start-up-Atmosphäre aus. Vor den bunten Kirchenfenstern steht eine Bar, es gibt Fritz-Kola und Prinzenrolle. Auf Stehtischen liegen Laptops und Post-it-Zettel, in roten Sitzsäcken fläzen sich Jugendliche, ein Baby krabbelt über den Kirchenboden.
Seit Freitag findet in der Jugendkirche in Hannovers Nordstadt ein viertägiges „Social-Media-Bootcamp für Creator:innen und Influencer:innen“ statt. Junge Menschen und ihr Glaube: in Zeiten von Gewalt, Krisen, gesellschaftlichen Umbrüche und sinkenden Kirchenmitgliedszahlen ein Thema, das nicht nur kirchenintern interessiert. Das ZDF ist mit einem Kamerateam gekommen, sie drehen einen Film für die Reportagereihe „37 Grad.“
Die rund 20 Bootcamp-Teilnehmer interessiert das mediale Interesse nur am Rande. Leben in und mit Medien sind sie gewohnt, Videos und Fotos ihre alltäglichen Begleiter. Die 16- bis 35-Jährigen sind aus ganz Deutschland nach Hannover gereist, sie kommen aus München, Dresden, Göttingen. Ihr Ziel: Ihre Social-Media-Kanäle zu pushen, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen, Tipps auszutauschen.
„Wir haben hier die ganze Bandbreite: von Influencern, von denjenigen, die ihre ersten Schritte machen, bis zu Fortgeschrittenen, die sich weiter professionalisieren wollen“, sagt Rainer Koch, Referent für missionarische Dienste in der hannoverschen Landeskirche. Er bildet mit dem Landesreferenten für Jugendarbeit beim EC, Patrick Senner, das Leitungsduo des Bootcamps.
Auch die Ausrichtung der Kanäle ist verschieden. Manche Teilnehmer verantworten Instagram, TikTok und Co für ihre Ortskirche oder Gemeinde, manche sehen sich als digitale Missionare, wieder andere erzählen aus ihren Leben, ihr Glaube schwingt eher beiläufig mit.
So wie bei Johanna Degenstein. „Ich liebe die Social-Media-Welt“, schwärmt die 27-Jährige. Unter ihrem Namen hat die Mainzerin seit 2012 einen Instagram-Kanal mit mehr als 1.800 Followern, auf dem sie, „Gedanken und Fotos von Menschen, die ich liebe“ teilt. Ihren Followern stellt sich die Fotografin als „creativ soul“, „human lover“ und „dog mom“ vor.
„Mir ist Authentizität wichtig“, sagt sie. „Menschen sollen so sein dürfen, wie sie sind, jeder hat seinen Platz in dieser Welt.“ Es sei gut, dass es in den sozialen Kanälen einen Umschwung von Perfektion hin zum „Echten“ gibt, sagt die junge Frau mit dem Nasenring und den weiß lackierten Fingernägeln.
Ihren Glauben möchte Johanna keiner Institution zuordnen. Sie sei streng christlich erzogen worden. „Ich glaube an Jesus“, sagt sie und ergänzt: „Ich will ihn jetzt aber nicht übelst publik machen, meine Liebe zu ihm schwingt nur immer mit.“ Johanna lacht. „Ich weiß, dass sich das jetzt vielleicht sehr christlich anhört, aber ich glaube, dass Jesus sein Licht weitergibt - auch durch mich.“
Für Rainer Koch macht die Vielfalt der Teilnehmer das Bootcamp aus. "Wir denken Kirche entgrenzt, sagt er. An der Schulung könnten alle teilnehmen, die sich für christliche Werte einsetzen und Sympathien für die Evangelische Kirche haben.
In der Lutherkirche geht es mit dem Modul „Storytelling“ weiter. Eike Schmidt spricht über die Macht der Bilder. Der gelernte Puppenspieler, der unter anderem für die Sesamstraße arbeitet, zeigt den jungen Influencern ein Foto lächelnder Menschen. Darunter stehen die Worte „empowered lieben“. Schmidt fragt: „Braucht es die Worte?“ Die Teilnehmer zögern, Schmidt antwortet: „Nicht wirklich. Man sieht auch so, dass dort glückliche, liebende Menschen zu sehen sind. Es wirkt, als erkläre man einen Witz.“
Die Zuhörer lachen - auch Timon. Der 18-Jährige ist im Vorstand der evangelischen Jugend Hannover und dort im Social-Media-Team. „Wir wollen die Präsenz unseres Jugendverbandes in den sozialen Netzwerken erhöhen“, sagt Timon. Wichtig sei ihm, dass der christliche Glaube nicht zu platt, missionarisch und konservativ kommuniziert werde. „Wir wollen das locker herüberbringen.“ Dafür dürfte das Bootcamp viele Anregungen geben.