epd-Gespräch: Julia Pennigsdorf
Hannover (epd). Angesichts von Wetterextremen plädiert Modeschöpferin Martina Glomb für eine modulare, anpassungsfähige und langlebige Garderobe. „Fast Fashion ist einer der Treiber des Klimawandels“, sagte die Professorin für Modedesign an der Hochschule Hannover im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Lösung sei deshalb, statt immer neue saisonale Wegwerf-Kleidung hochwertige, durchdachte, umweltfreundliche Garderobe zu kaufen, die je nach Wetter veränderbar ist. Glomb setzt sich seit Jahren für Nachhaltigkeit ein. Sie hat zwölf Jahre für die Mode-Ikone Vivienne Westwood gearbeitet und mit ihren Studierenden im Auftrag des niedersächsischen Innenministeriums die Dienstkleidung der Polizei weiterentwickelt.
Die Zukunft gehöre Kleidung, die sich an das Leben der Menschen anpasse, sagte Glomb. „Wir können nicht ständig alles neu kaufen, sondern müssen Kleidung mit Vernunft und Weitsicht auswählen.“ Kleidungsstücke müssten veränderbar sein - je nach Anlass, Wetter und Temperatur. Als Beispiele nannte die Designerin Parkas, aus denen Futter, Kapuze und Kragen getrennt werden können, lange Hosen, die zu kurzen werden, Jacken, die sich in eine Weste wandeln, oder Hemden mit variablen Kragenformen.
Ein Blick in heiße Länder zeige, dass sommerliche Businessoutfits möglich seien. „Ich sehe keinen Grund, der gegen kurzärmelige Hemden und Bundfalten-Bermudas im Büro spricht“, sagte die in Bremen geborene Designerin. Bei Hitze seien locker sitzende Hemdkleider unschlagbar. „Solche Kleider sind durchaus auch für Männer denkbar.“
Naturmaterialien wie Wolle und Leinen seien bei Hitze sehr zu empfehlen, sagte Glomb. „Wolle ist langlebig, wärmt und kühlt gleichermaßen und reinigt sich selbst.“ Leinen sei an heißen Tagen ebenfalls angenehm. „Der Nachteil ist höchstens, dass Leinen schnell knittert, aber vielleicht ändern sich Wahrnehmung und Kleiderregeln ja, und wir kommen weg von glattgebügelten Hemden und sehen, dass ein gut geschnittenes Leinenhemd mit Knitterfalten durchaus Stil hat.“
Baumwolle erteilte Glomb eine Absage: „Sie gilt hierzulande ja als etwas Gutes, Natürliches“, sagte die Designerin. „Das ist sie aber ganz und gar nicht.“ Beim Anbau von Baumwolle werde zu viel Wasser verbraucht, Baumwollfelder seien mit Chemikalien durchseucht.
Eine gute Ökobilanz bescheinigte Glomb neuartigen Synthetikfasern. Funktionsbekleidung sei aus Berufen, in denen die Menschen körperlich arbeiten und schwitzen, nicht wegzudenken. „Es können ja nicht alle Leinenhemden tragen.“ Wichtig sei es, zu prüfen, woraus Funktionstextilien gefertigt seien - aus Erdöl oder biobasierten Fasern. Zukunftsweisend sei etwa die Zellulosefaser Lyocell, die auch unter dem Namen Tencel bekannt ist. Sie werde aus Holz hergestellt und sei biologisch abbaubar.
Handlungsbedarf sieht Glomb in einer für den Endverbraucher verständlichen Zertifizierung. „Zurzeit ist es für den Kunden schwierig zu erkennen, ob seine Funktionsbekleidung petrochemisch hergestellt wurde oder aus biosynthetischer Faser.“ Das Gleiche gelte für Retouren-Systeme. „Es gibt einfach noch keine vernünftige Kreislaufwirtschaft für Textilien. Da versagen wir total.“