Brauchtumsforscher: Johannistag ist ein "schillerndes Datum"

Nachricht 23. Juni 2023

Drei Fragen an den Historiker Gerd Biegel

epd-Gespräch

Braunschweig (epd). Den Johannistag am 24. Juni bringen die meisten Menschen am ehesten mit dem Ende der Spargelernte in Verbindung. Dabei ist er einer der vielschichtigsten Feiertage des Jahres, sagt der Braunschweiger Historiker und Brauchtumsforscher Professor Gerd Biegel im Gespräch mit dem Evangelischen Pressdienst (epd): christlich und heidnisch zugleich - und ein Tag, der gleichzeitig den gegensätzlichen Elementen Feuer und Wasser huldigt.

epd: Am 24. Juni ist Johannistag, auch „Johanni“ genannt. Der Tag erinnert an die Geburt eines „Urchristen“: an Johannes den Täufer. Wer war dieser Mann und warum ist der 24. Juni „sein“ Tag?

Gerd Biegel: Johannes der Täufer gilt als einer der wirkungsmächtigsten Propheten zu Beginn des ersten Jahrhunderts nach Christus. Immerhin ist er der Mann, der Jesus in Jericho, im Fluss Jordan, getauft hat, dem heutigen Grenzfluss zwischen Israel und Jordanien. Der 24. Juni wird als sein Geburtstag gefeiert, weil das Lukas-Evangelium einen Hinweis gibt, wonach Johannes sechs Monate älter als Jesus war. Er wurde demnach also sechs Monate vor Heiligabend geboren.

Jede Taufe, die heute vollzogen wird, erinnert in gewissem Sinn an die Taufe Jesu, was etwa durch die Worte „Du bist getauft in Christi Namen“ bezeugt wird. Weil kaum ein anderes Datum so sehr in Verbindung mit der Taufe steht, feiern viele Kirchengemeinden verstärkt in der Zeit um Johanni Tauffeste. Dies geschieht dann oftmals nicht am Taufbecken in der Kirche, sondern so, wie es einst Johannes der Täufer tat: in der Natur, etwa an Flüssen oder Seen.

epd: Johanni war ursprünglich gar kein christlicher Termin. Was wurde einst gefeiert - und wie vollzog sich die Christianisierung dieses Datums?

Biegel: Der Johannistag ist ein schillerndes Datum. Christlich und heidnisch zugleich. Er ging aus dem Mittsommerfest der Kelten und Germanen hervor. Es ist die Zeit der Sommersonnenwende, in der die Sonne über der nördlichen Erdhalbkugel ihren höchsten Stand erreicht. Es sind die kürzesten Nächte des Jahres. Zur Sommersonnenwende, so glaubten die Germanen, steige Odin, der Göttervater, auf die Erde, um diese und ihre Ernten zu segnen.

Die Christen widmeten das im Brauchtum fest verankerte Fest einfach um und behielten viele der ursprünglich heidnischen Rituale bei. Nicht mehr Odin wurde angebetet, sondern der „Lichtbringer“ Christus. Die Kraft der Sonne an diesem langen Tag wurde in der Dunkelheit durch „Johannisfeuer“, durch Feuerwerk oder Feuerräder verstärkt und verlängert. Die Asche wurde anschließend über die Felder verstreut - zum Schutz vor Dämonen und für bessere Ernten.

In vielen Regionen, etwa in Skandinavien und im Baltikum, wird das Mittsommerfest bis heute gefeiert. Auch in einigen Regionen Deutschlands, etwa im Oberharz, hat sich ein starkes Brauchtum herausgebildet. Während in den skandinavischen Ländern eher die heidnische Tradition nachwirkt, knüpfen die Feste im übrigen Europa eher an deren christliche Transformation an.

epd: Neben Licht und Feuer spielt zu Johanni auch Wasser eine besondere Rolle. Woher kommt diese Bedeutung?

Biegel: Aus der Perspektive der christlich geprägten Johannisnacht geht es dabei natürlich um das Wasser der Taufe. Aber schon Kelten und Germanen maßen dem lebensspendenden Element eine besondere rituelle Bedeutung bei und huldigten ihm in der Mittsommernacht. So sollte ein stilles nächtliches Bad die Gesundheit fördern und die Menschen vor bösen Einflüssen bewahren.

Auch die in einigen Regionen Deutschlands bis heute verbreiteten Brunnenfeste haben uralte, vorchristliche Wurzeln. Indem man Brunnen und Quellen mit Blumen und Früchten schmückte und sie segnete, würdigte man eine wesentliche Lebensgrundlage. Zudem wurden manchen Quellen eine wundertättige Wirkung zugeschrieben. Ihr Wasser heilte von Krankheiten, schütze vor dem „bösen Blick“ und war, glaubt man alten Überlieferungen, sogar von Geistern bevölkert.