Experte: Kirche muss mutige Schritte der Veränderung gehen

Nachricht 28. Mai 2023

Rastede, Kr. Ammerland (epd). Das Selbstverständnis der Kirche muss sich nach Ansicht des Organisationsberaters Steffen Bauer grundsätzlich wandeln. „Selbst wenn wir als Kirche alles Geld, alles Personal, alle Gebäude behalten könnten - wir müssten uns dennoch tiefgreifend verändern, weil sich unsere Gesellschaft so sehr verändert“, sagte der Leiter der Ehrenamtsakademie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau am Donnerstag in einem Impulsreferat vor der in Rastede tagenden Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg.

Traditionelle Formen des Glaubens werden Bauer zufolge kaum noch weitergegeben. Die sonntäglichen Gottesdienste spielten für immer weniger Menschen eine Rolle. Dagegen nehme die Bedeutung eher lebensbiografisch geprägter Gottesdienste zu.

In allen Landeskirchen habe ein massiver Sparkurs eingesetzt, um dem immer deutlicheren Verlust an Mitgliedern und Finanzkraft entgegenzuwirken, sagte Bauer. Auch wenn die oldenburgische Kirche im vergangenen Jahr wieder die Taufzahlen wie zu der Zeit vor der Pandemie erreicht habe, könne es gut sein, dass sie im Jahr 2030 die Zahl von 300.000 Gemeindemitgliedern unterschreite. „Die Aufgabe evangelischer Kirchenleitung beschränkt sich deshalb nicht auf die Verwaltung des Bestehenden, sondern auf die Gestaltung des Bevorstehenden.“

Bauer appellierte an die Delegierten, die Kirche zu verändern. Einerseits gelte es, das „Kerngeschäft“ zu erhalten, andererseits Neues zu denken und dieses mit Bestehendem zu verknüpfen. „Wer jetzt nicht neue Formen von Kirche wenigstens ausprobiert und nur am Bestehenden festhält, der ist nicht mehr auf der Höhe unserer Gesellschaft in ihrer Vielfalt, sondern nimmt sie nur noch ausschnitthaft wahr.“

Der Experte schlug vor, den Kirchengemeinden in den Regionen mehr Entscheidungsfreiheiten zu geben und die Verwaltungen deutlich zu verschlanken. Regionale und professionelle Geschäftsführungen könnten Kirchengemeinden erheblich entlasten. „Dazu müssen sie aber auch lernen, loszulassen, zu unterbrechen, zu beenden.“ Die Zukunft könne in Teams bestehen, die gemeindeübergreifend mit Haupt- und Ehrenamtlichen unterschiedlichster Professionen zusammenarbeiten.

Nicht zuletzt wies Bauer auf die wachsende Bedeutung des Digitalen hin. Schon heute empfänden viele junge Leute ihr Smartphone als eine Art Körperteil. „Wir sind bleibend Kirche für die Menschen, die keine Stimme in unserer Gesellschaft haben, aber wir müssen noch viel mehr Menschen die Möglichkeit geben, auf ihre Weise ihre Lebens-, Glaubens- und Gotteserfahrungen einzubringen.“ Dies geschehe zunehmend im Internet. Es sei inzwischen „der größte Marktplatz“, auch für Religiosität. „Da gehören Erfahrungen mit unserem Gott hin, davon bin ich überzeugt.“