epd-Gespräch: Sarah Franke
Hannover (epd). Er soll Wertschätzung für Mütter vermitteln und ist in vielerlei Hinsicht doch nicht unproblematisch: Der Muttertag. Welche Auswirkungen hat es etwa, wenn das Verhältnis zwischen Kindern und Eltern belastet ist? Sozialpädagogin Beate Janisch erklärt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), wie Mütter und ihr erwachsener Nachwuchs mit Streit umgehen und ihre Beziehung verbessern können
epd: Frau Janisch, was ist das Besondere an der Beziehung zwischen Mutter und Kind?
Beate Janisch: Das ist eine riesengroße Frage, die sich eigentlich nicht in wenigen Sätzen beantworten lässt - jede Mutter-Kind-Beziehung ist schließlich individuell. Bedingt durch die Schwangerschaft ist diese Beziehung erst einmal die engste und intensivste. Kinder sind abhängig von der Zuwendung der engsten Bezugspersonen, meist Mutter und Vater. Sie erlangen erst nach und nach immer mehr Autonomie. Eltern haben die Aufgabe, das Kind darin liebevoll zu unterstützen und zu begleiten. Das Besondere der Eltern-Kind-Beziehung im Vergleich zu anderen Beziehungen ist, dass diese geprägt ist von besonders starken Gefühlen. Demgegenüber steht ein Prozess des Weiter-Loslassen-Müssens und der Wunsch, dass es den Kindern im Leben gut gehen soll.
epd: Was sind typische Konflikt-Themen zwischen erwachsenen Kindern und ihren Müttern?
Janisch: Oft geht es um Ablösungsprozesse und fehlende Anerkennung. Wir alle buhlen zu Beginn unseres Lebens um die Liebe und Anerkennung unserer Mütter und Väter. Wenn es gut läuft, bekommen wir beides in ausreichendem Maße. Wird das Kind eigenständiger und erwachsen, haben manche Eltern Schwierigkeiten damit, loszulassen. Das ist ja auch nicht so einfach! Schließlich waren sie 18 Jahre verantwortlich. Manchen Eltern fällt es schwer, zu akzeptieren, wenn ihr Kind andere Lebensentwürfe oder Wertvorstellungen als sie selbst entwickelt.
Im Grunde drehen sich die Konflikte zwischen Eltern und erwachsenen Kindern häufig um mangelnde Akzeptanz, Anerkennung und Grenzen, die nicht eingehalten werden. Welche Bedürfnisse haben das Kind und die Mutter oder der Vater? Auch Eltern wünschen sich in der Regel, von ihren Kindern geliebt und anerkannt zu werden. Kenne ich die Bedürfnisse des Anderen - und wenn ja, respektiere ich sie? Welche Erwartungen gibt es?
epd: Was können Eltern und ihre erwachsenen Kinder tun, um ihre schwierige Beziehung zu verbessern?
Janisch: Es gibt zwei wichtige Schritte. Zuerst bei sich selbst zu schauen: Was sind meine Bedürfnisse, wo sind meine Grenzen? Was macht mich wütend oder kränkt mich? Was freut mich aber auch? Sie sollten nämlich nicht nur nach Defiziten schauen. Wenn ich besser weiß, was mir fehlt oder wo meine Grenzen überschritten wurden, kann ich darüber reden. Es ist ratsam, bei sich zu bleiben und in Ich-Botschaften zu sprechen: „Ich fühle mich traurig, weil …“ Der zweite wichtige Schritt ist, sich in die Perspektive des Gegenübers zu versetzen und zu überlegen, welche Gefühle, Interessen oder Bedürfnisse den Anderen oder die Andere leiten könnten.
Wie in jeder Beziehung ist auch zwischen Eltern und erwachsenen Kindern Kommunikation das A und O. Dabei sollte man nicht vergessen, dass Mütter, Väter, Töchter und Söhne eigenständige Persönlichkeiten haben. Jede Mutter, jede Tochter, ist auch eine Frau. Wir bleiben zwar immer Eltern und Kind. Mutter und Tochter sind dennoch nur eine Rolle von vielen. Als Menschen haben beide nun einmal unterschiedliche Perspektiven.
epd: Wenn das Konfliktlösen allein nicht klappt: Wann ist Mediation sinnvoll, wann eine Therapie?
Janisch: Mediation ist immer dann möglich, wenn die Themen einigermaßen eingrenzbar sind und man gemeinsam nach Lösungen suchen kann. Ein Thema kann zum Beispiel der Wunsch nach mehr oder weniger Kontakt sein. Gerade beim Verhältnis zwischen Müttern und Töchtern ist solch ein Eingrenzen von Themen nicht so leicht, wenn auch ältere Verletzungen eine große Rolle spielen. War das Verhältnis schon in der Kindheit und in der Jugend schwierig, ist es vielleicht sinnvoller, mit einem Therapeuten zu arbeiten - und zwar meist erst einmal eine Person für sich. Wenn nämlich eine Person ihr Verhalten ändert, kommen die anderen nicht umher, auch etwas zu verändern.
epd: Ist das Mutter-Kind-Verhältnis schlecht, machen Tage wie der Muttertag oder Geburtstage vielleicht traurig. Was können Mütter und Kinder tun, damit es ihnen emotional besser geht?
Janisch: Ganz generell geht es um die Frage: Wie gehe ich damit um, wenn im Moment der Kontakt nicht so gut oder auch gar nicht da ist? Unabhängig davon, ob es gerade möglich ist, miteinander in den Austausch zu gehen: Es ist sowohl für Mütter als auch für Kinder hilfreich, sich auf das eigene Leben und die eigenen Ziele zu konzentrieren, andere Kontakte entstehen zu lassen und zu pflegen. Es gibt heutzutage immer mehr „Wunschfamilien“. Die engsten Personen müssen nicht Eltern oder biologische Geschwister sein. Auch wenn Mütter und Väter immer eine besondere Rolle im Leben spielen, ist es ebenso möglich, mit anderen Menschen Erlebnisse zu teilen, die einem in der Beziehung zur Mutter wichtig wären. Bedürfnisse können auch vielfältige Art und Weise befriedigt werden.