Hannover (epd). Der amtierende Kirchentagspräsident und frühere Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) ist Befürchtungen entgegengetreten, die deutsche Ukrainepolitik könne einen Keil in die Gesellschaft treiben. „Von einer Spaltung sind wir weit entfernt“, sagte de Maizière am Mittwochabend während einer Podiumsdiskussion der Reihe „Wortwechsel“ in der evangelischen Marktkirche in Hannover. Gesprächspartnerin war die designierte Präsidentin des Kirchentags 2025 in Hannover und ehemalige thüringische Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne).
Unter dem Motto des für kommenden Juni geplanten Kirchentags in Nürnberg „Jetzt ist die Zeit!“ sprachen de Maizière und Siegesmund über politische Herausforderungen angesichts des Klimawandels und des Kriegs in der Ukraine. Beide waren sich einig, dass Deutschland dem überfallenen Land mit Waffen helfen müsse. Jedoch bewege man sich dabei in einem ethischen Dilemma, betonte der ehemalige Verteidigungsminister. Denn „das Liefern von Waffen führt zu mehr Toten.“ Die Entscheidung erfordere daher Demut, Abwägung und eine breite Kontroverse.
Der Widerspruch gegen die Ukrainepolitik der Bundesregierung, wie er etwa vom Philosophen Jürgen Habermas, von Sahra Wagenknecht (Linke) oder auch von AfD-Politikern formuliert werde, habe eine vergleichsweise geringe Resonanz, sagte de Maizière. Er vermisse die gesamtgesellschaftliche Debatte. Derweil nehme er eine „Atomisierung“ der Gesellschaft wahr, in deren Folge soziale Blasen entstünden. Das Land habe „zu wenig gemeinsame Lagerfeuer“, an denen die Menschen zusammenkommen. Parteien, Kirchen und Gewerkschaften seien immer weniger solche Orte, beklagte de Maizière. Indes wachse das Misstrauen gegenüber Institutionen und Medien.
Siegesmund ergänzte auch mit Blick auf die bevorstehenden Kirchentage, dass es Christen ausmache, Zerrissenheit in politischen Fragen zu zeigen und auszuhalten. Angesichts der krisenhaften Gegenwart müssten die Menschen zudem darüber sprechen, was Halt gebe und auf welchem Wertefundament sie stünden. In Anbetracht des Klimawandels betonte die frühere Landesumweltministerin, dass Bürgerinnen und Bürger auch im Alltag und vor Ort „Ohnmachtsgefühl durch gutes Handeln bekämpfen“ könnten. Zugleich brauche es klimapolitisch sowie bei der „Frage zu Krieg und Frieden“ einen „neuen Generationenvertrag“.