Meister: Coronakrise fördert gesellschaftlichen Wandel - Landesbischof hält "Systemrelevanz" für Unwort des Jahres
Die Coronakrise beschleunigt nach Ansicht des hannoverschen Landesbischofs Ralf Meister den Wandel - gesellschaftlich und auch innerhalb der Kirche. Mit Blick auf die Zukunft müsse deshalb selbstkritisch der bisherige Weg hinterfragt werden.
Hannover (epd). Die Coronakrise befördert nach Ansicht des hannoverschen Landesbischofs Ralf Meister den gesellschaftlichen Wandel. "Viele Dinge, die uns schon länger ein Unwohlsein verursachten, schauen wir jetzt klarer an", sagte der evangelische Bischof am Donnerstag in Hannover in seinem Bericht vor der erstmals rein digital tagenden Landessynode. "Manche Dinge, von denen wir dachten, die bräuchten noch Zeit bis zum Wandel, entschwinden jetzt rasant, wie beispielsweise die absurde Vielfliegerei." Mit Blick auf die Zukunft müsse deshalb selbstkritisch der bisherige Weg hinterfragt werden.
Auch die Kirche müsse und werde sich verändern, sagte der Bischof vor dem Kirchenparlament. Dazu habe die hannoversche Landeskirche einen Zukunftsprozess gestartet. "Vielleicht hilft uns dabei sogar die Corona-Pandemie, weil sie uns schmerzhaft zeigt, in welchen Grenzen wir agieren und welche Möglichkeiten bisher noch nicht ausreichend genutzt wurden."
In der politischen Hierarchie belege derzeit die Gesundheit den Spitzenplatz, dicht gefolgt von Wirtschaft und Bildung, sagte der Bischof. Der Schutz der Bevölkerung und die Sorge um die besonders verletzlichen Menschen seien notwendig und richtig. Dennoch dürften andere Bereiche dabei nicht aus dem Blick geraten, darunter auch die existenziellen religiösen Fragen.
Scharfe Kritik äußerte Meister in diesem Zusammenhang am Begriff der "Systemrelevanz": "Nach meiner Meinung müsste dieses Wort das Unwort des Jahres 2020 werden", sagte er. Denn dieses Wort werfe sofort die Frage auf, ob die anderen dann "irrelevant" seien, ergänzte der Bischof später vor Journalisten: "Einen solchen Begriff kann eine Gesellschaft, die auf Gemeinschaft aus ist und zusammenhalten will, nicht ertragen. Es ist ein gefährlicher Begriff, der leichtfertig verwendet worden ist." Besser sei es, etwa von gesellschaftlichen Prioritäten zu sprechen.
In seinem Bericht appellierte Meister an die Kirchen, die Zusammenarbeit mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren zu suchen und dabei eigene Ideen und Räume einzubringen. Als Beispiele dafür nannte er den von Vertretern von Kirchen, Ärzten und Wissenschaften begründeten Niedersächsischen Ethikrat und die Initiative "Niedersachsen hält zusammen".
Die hannoversche Landeskirche ist mit 1.235 Gemeinden mit rund 2,4 Millionen Mitgliedern zwischen Göttingen und der Nordsee die größte evangelische Landeskirche in Deutschland. Ihr sind drei Viertel aller evangelischen Kirchengemeinden in Niedersachsen angegliedert. Die Synode tagt noch bis zum Freitag per Videokonferenz.
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