Hannover (epd). Angesichts der Militäroffensive der äthiopischen Regierung gegen die Regionalregierung der Provinz Tigray hat die EU-Kommission vor einer humanitären Katastrophe gewarnt. "Die militärische Eskalation in Äthiopien bedroht die Stabilität des ganzen Landes und der Region", sagte der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarcic, dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Freitag). Das Risiko, dass die Gewalt sich ausbreite, sei sehr real. Lenarcic forderte die äthiopische Regierung auf, den Hilfsorganisationen schnell und bedingungslos Zugang zur Region Tigray zu gewähren.
"Ich fürchte, dass diese Krise katastrophale humanitäre Folgen für das ganze Land hat", sagte der EU-Kommissar. Schon vor der Krise seien rund 3 Millionen Menschen in Tigray und 15 Millionen Menschen im gesamten Land auf humanitäre Hilfe angewiesen gewesen. Lenarcic verwies auch auf 100.000 Flüchtlinge, die Äthiopien aufgenommen habe. Er hatte das ostafrikanische Land vor wenigen Wochen besucht.
Die Äthiopien-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Annette Weber, sagte: "Wenn sich der Konflikt regional ausweitet, würde das zu großen Migrationsschüben auch nach Europa führen." Es könne zudem sein, dass das Nachbarland Sudan wieder destabilisiert werde. "Alle Beobachter in der Region sind sehr nervös", sagte Weber. Niemand gehe davon aus, dass Ministerpräsident Abiy Ahmed Ali den Krieg gewinnen könne. Auch die Kirchen müssten auf eine Friedenslösung drängen, forderte die Politik-Expertin. Abiy sei evangelikaler Christ. Der interreligiöse Rat in Äthiopien und der Weltkirchenrat müssten sich mit ihm in Verbindung setzten.
Der Konflikt in Äthiopien war eskaliert, nachdem Abiy wegen der Corona-Pandemie die für den Sommer geplanten Parlamentswahlen verschoben hatte, ohne einen konkreten neuen Termin zu nennen. Abiy, der sich zunächst stark um Aussöhnung der verschiedenen Ethnien im Land bemüht hatte, wurde 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
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