Hannover (epd). Der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover sieht in der Corona-Krise die Chance für nachhaltige Veränderungen in der Wirtschaft. Das Bewusstsein für die Probleme etwa in der Fleischwirtschaft oder der Automobil-Industrie sei durch die Folgen der Pandemie geschärft wie nie, sagte Meister dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Jetzt, da sich die Probleme nicht mehr beiseiteschieben lassen, müssen wir gründlicher, wahrhaftiger über unsere Form des Wirtschaftens nachdenken." Meister ist auch Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD).
Die Automobilkrise etwa stelle "Grundfragen an unsere Mobilität", sagte der Bischof. "Die Missstände in der Fleischwirtschaft stellen Fragen an unseren Konsum auf Kosten von Tieren, Menschen und der Umwelt." Das seien nur zwei Beispiele für "hochproblematische Entwicklungen, die lange bekannt waren, aber nun, in der Krise, gewaltigen Handlungsdruck erzeugen". Dies gelte auch für den Energiesektor und den Handel.
Als positive Erkenntnis aus der Corona-Krise hob der Bischof den gestärkten Gemeinsinn hervor. Die Gesellschaft habe es geschafft, das Gemeinwohl über die Bedürfnisse des Einzelnen zu stellen. "Die meisten Menschen haben die Einschränkung individueller Freiheit nicht nur akzeptiert, sondern üben sich freiwillig und aus tiefer Überzeugung in Rücksicht vor dem Nächsten, der womöglich schwächer, verwundbarer ist als sie selbst." Das mache Hoffnung: "Jetzt in der Krise wächst neues Bewusstsein dafür, dass im Umgang mit dem Nächsten unser Bestes verlangt wird. Diese Haltung brauchen wir dringender denn je."
Der neu gewonnene Gemeinsinn sollte aus Meisters Sicht auch darin zum Ausdruck kommen, "dass Erfolgreiche und Vermögende bereit sind, noch mehr Verantwortung zu übernehmen". Soziale Gerechtigkeit werde immer auch im Steuersystem erkennbar, sagte der Bischof.
Die Kirche kann aus Sicht des Theologen zu einer "starken Kraft im Wandel" werden: "Sie kann Mahner, Mittler und Motor sein." Sie könne sie ethische Brüche und Schieflagen ansprechen und "durchaus auch mal das eine oder andere gesellschaftliche Beruhigungspflaster" abreißen.
Meister hob auch die Rolle der vielen Kirchengemeinden in Deutschland hervor. Sie seien nicht nur "geistliche Kraftorte", sondern auch Zentren des sozialen und kulturellen Lebens im Dorf oder im Stadtviertel, indem sie sich etwa für die Flüchtlingshilfe, den Umweltschutz und die Unterstützung armer und bildungsferner Menschen einsetzten. "Dort ist an gutem, nachbarschaftlichem Leben im kleinen Maßstab zu erleben, was ich mir für die ganze Gesellschaft wünsche."
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