Nach monatelangem Home-Schooling und begrenztem Schulunterricht beginnen am Donnerstag in Niedersachsen die Sommerferien. Nun stehen Familien in Zeiten der Corona-Krise vor neuen Herausforderungen. Viele geplante Freizeitangebote finden nicht statt.
Hannover (epd). Aufgrund der Corona-Krise haben Eltern monatelang die Betreuung ihrer Kinder im Home-Schooling fast komplett selbst organisieren müssen. Am Donnerstag starten in Niedersachsen die Sommerferien. Doch die sechseinhalb Wochen bringen nicht immer Entlastung und Erholung, sondern oft neue Herausforderungen: Denn viele Freizeit- und Ferienangebote können nach epd-Informationen nur eingeschränkt stattfinden oder fallen sogar ganz aus.
So kritisiert der niedersächsische Landesjugendring, dass die Vorgaben für die Jugendarbeit im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Bereichen unverhältnismäßig streng seien. Das Land habe geplante Übernachtungsangebote zunächst komplett verboten, diese dann ab dem 22. Juni mit 16 Personen gestattet, sagt Geschäftsführer Björn Bertram. Die meisten der geplanten Aktionen, insbesondere Freizeiten mit Übernachtungen würden daher in diesem Sommer ausfallen. "Nur wenige Träger sind in der Lage, kurzfristig Freizeiten für 16 Personen zu organisieren."
Zwar gibt es laut Landesjugendring nun vermehrt Angebote vor Ort. Die dabei auf zehn begrenzte Teilnehmerzahl sei aber problematisch und binde mehr Teamer, sagt Bertram. Angebote unter Corona-Bedingungen führten zudem zu erhöhten Kosten, die aber vom Land nicht gefördert würden. Wie viele kommunale Ferien- und Freizeitangebote in Niedersachsen coronabedingt ausfallen oder stattfinden, lässt sich laut Städte- und Gemeindebund nicht beziffern. Eltern könnten sich aber telefonisch oder im Internet bei den örtlichen Gemeinden über bestehende Angebote informieren, sagt Sprecher Thorsten Bullerdiek.
Auch die evangelische Landesjugendpastorin Cornelia Dassler aus Hannover übt Kritik an den Beschränkungen. Die Verbände in der Arbeitsgemeinschaft Evangelische Jugend in Niedersachsen hätten rund 500 Freizeiten für etwa 15.000 Kinder und Jugendliche absagen müssen. Es sei unverständlich, warum kommerzielle Reiseanbieter ihre Angebote an größere Gruppen richten dürften, aber gemeinnützige Anbieter aus Verbänden auf bis zu 16 Teilnehmer beschränkt würden, heißt es in einem Beschluss der Landesjugendkammer.
Die Tagesangebote in den Kirchenkreisen vor Ort könnten ebenfalls nur begrenzt stattfinden, befürchtet Dassler. In Bremerhaven nähmen normalerweise Hunderte Kinder auch aus sozialen Brennpunkten an einem gemeindlichen Ferienangebot teil. In diesem Jahr werde dort wohl die Differenz bei den Teilnehmerzahlen groß sein. "Warum dürfen 50 Leute eine Hochzeit feiern, aber Kinder und Jugendliche sich nicht in größeren Gruppen unter Wahrung von Abstand vor dem Kirchturm treffen?"
Für die Kinder seien die Angebote eine wichtige Erfahrung, betont Dassler. "Was fehlt, ist die Unabhängigkeit von den Eltern, die normalerweise auf Kinderfreizeiten erprobt werden kann." Das schwierigste sei die Unsicherheit, wenn auch Eltern nicht sagen könnten, wann was wieder stattfinden werde. "Für viele Kinder können keine guten Übergänge gestaltet werden."
Auch der niedersächsische Landeselternrat sieht die aktuelle Situation mit Sorge. Sowohl Eltern als auch Kinder bräuchten in den Sommerferien einen Erholungsurlaub, den sie auch genießen könnten, sagt die Vorstandsvorsitzende Cindy-Patricia Heine. Eltern, bei denen durch die bisherige Betreuungssituation der Jahresurlaub schon aufgebraucht sei, sollten daher einen von Bund und Land finanzierten zehntägigen Sonderurlaub bekommen.
Die Zeit zwischen Home-Office und Home-Schooling sei ja keine gemeinsame Urlaubszeit gewesen, ergänzt Heine. "Die Frage ist, ob ich diese Regeneration nur bekomme, wenn ich mein Kind weg-organisiere und in die Betreuung gebe." Die Schulen und Lehrer sollten und könnten diese Aufgabe in den kommenden Wochen nicht in Form einer Sommerschule übernehmen.
Für die Sommerferien Zuhause mit der Familie gebe es zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, wie gemeinsame Wanderungen im Wald oder Kletterausflüge, schlägt Heine vor. "Es muss ja nicht immer der große Tagesausflug in den Freizeitpark sein." Familien, die auf engem Raum wohnten, könnten beispielsweise ein Zelt einpacken und auf der freien Wiese neue Dinge entdecken.
Laut Landesjugendpastorin Dassler teilt die Evangelische Jugend viele gute Ideen und Projekte auch auf der Seite www.glaubejugendhoffnung.de. Aber die Grundproblematik bleibe: Kinder- und Jugendarbeit werde mit den Ehrenamtlichen und den Teilnehmenden verantwortungsvoll entwickelt und geplant. "Das lässt sich nicht an- und ausknipsen wie ein Lichtschalter." Insbesondere mit Blick auf die Herbstferien bräuchten die Veranstalter Planungssicherheit und verlässliche Vorläufe. Beschränkungen, wie sie zurzeit immer noch bestünden, hätten aktuell und langfristig gravierende Auswirkungen.
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Evangelische Jugend in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers: www.glaubejugendhoffnung.de