Der ganze Raum ist grün. Hellgrün, dunkelgrün, grasgrün, moosgrün, lindgrün – und immergrün. „Wenn Sie auf alten Bildern eine Person sehen, die einen Zweig Immergrün in der Hand hält, dann heißt das: Dieser Mensch war zum Zeitpunkt des Gemäldes bereits verstorben“, erklärt Dr. Simone Liedtke, Dozentin für Medienpädagogik am Religionspädagogischen Institut (RPI) und Leiterin der diesjährigen Sommerwerkstatt. 20 Lehrkräfte haben sich für fünf Tage zum Beginn der Sommerferien 2019 im RPI Loccum zusammengefunden, um aus dem vollen Lauf des Schuljahres heraus gemeinsam zur Ruhe zu finden und ihre eigene Kreativität neu anzufachen. Sie malen mit Pinseln oder Fingern, schneiden und kleben, sie arbeiten mit Papier, Pappe, Transparenten und Seidenpapier. Nicht nur die Kunstwerke sind grün, auch die Finger und manches Kleidungsstück tragen inzwischen grüne Tupfer.
Der Titel dieser Sommerwerkstatt ist Programm: „Farbrausch“. Denn für jeweils einen halben Tag steht eine einzelne Farbe mit all ihren Facetten im Zentrum der eigenen Kunst. „Wir arbeiten uns durchs Prisma“, erzählt Simone Liedtke und lacht dabei. „Erst denkt man: Eine Farbe ist aber irgendwie wenig – doch dann explodieren die Eindrücke und wir schwelgen in den Farbnuancen und der Materialvielfalt.“ Und Schwelgen ist das richtige Wort für das, was die Lehrkräfte in diesen Tagen in Loccum empfinden. „Ich komme seit mehreren Jahren zur Sommerwerkstatt“, berichtet Teilnehmerin Sonja. „Die Tage hier tun mir gut, ich kann zu mir finden, alte Bekannte wiedertreffen und meine künstlerische Seite neu entdecken.“
Unterstützt werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihrer Kreativität von dem Künstler Henning Diers, dessen Ausstellung „Unter die Haut“ derzeit im RPI zu sehen ist und dessen Werke deshalb als zusätzliche Inspirationsquelle dienen. „Diese Sommerwerkstatt ist für mich selbst auch total anregend“, erklärt Henning Diers. „Ich sehe so viel Farbe, so viel Fantasie, das bedeutet für mich selbst ganz viel neue Inspiration.“ Simone Liedtke bietet mit theologischen Akzentsetzungen und spirituellen Ruhepunkten weitere Impulse, die dankbar angenommen werden. Zu den besonderen Höhepunkten dieser Sommerwerkstatt gehört zum Beispiel die Nachtmalerei: Hier können die Lehrkräfte nachts, nur bei Kerzenschein, Erfahrungen mit Farbe sammeln und tatsächlich im Dunkeln malen. Ein ungewöhnliches Erlebnis, das aber niemand missen möchte. Teilnehmerin Kristin gerät richtig ins Schwärmen: „Eben habe ich meinem Sohn eine WhatsApp geschickt und geschrieben: Loccum liegt beim Himmel nebenan! Denn genau so ist es!“. Sie selbst hat gerade den theologischen Impuls des Tages aufgenommen und in grüne Farbe umgesetzt. Ihr Bild stellt die „grüne Aue“ und das „frische Wasser“ aus Psalm 23 dar. „Ich habe mir jetzt keinen Plan gemacht, wie ich das malen wollte“, sagt Kristin. „Das Bild ist einfach so entstanden.“
Auch Dr. Simone Liedtke ist mit dem Verlauf der Veranstaltung sehr zufrieden. „Dieses besondere Format einer solchen Sommerwerkstatt gibt es nur am RPI Loccum“, erklärt sie stolz. „Ich bin froh, eine solche Werkstatt jedes Jahr wieder anbieten zu können.“ Die Loccumer Sommerwerkstatt 2020 wird übrigens vom 15. bis 19. Juli stattfinden. Erste inhaltliche Ideen dafür hat Simone Liedtke schon. „Aber da will ich noch nicht zu viel verraten“, sagt sie verschmitzt. „Nur eines: Ich freue mich jetzt schon darauf.“
Text: Dr. Michaela Veit-Engelmann, RPI Loccum