„Ganz wichtig ist, dass eine muslimische Frau nur von einer Frau gewaschen wird, und ein muslimischer Mann nur von einem Mann“, so beschreibt es Senay Celebi, Referentin für islamische Bestattungskultur und Inhaberin von Eslem Bestattungen in Garbsen. Und ergänzt: „Das gilt auch, wenn jemand schon tot ist. Jetzt sagen manche vielleicht: Toten ist egal, wer sie wäscht. Aber das stimmt nicht. Und für die Familien ist es auch wichtig. Sie legen sehr viel Wert darauf, dass alles nach islamischen Ritualen abläuft!“ Die Zuhörerinnen und Zuhörer lauschen gebannt. Sie alle unterrichten Evangelische Religion bei angehenden Altenpflegefachkräften und nehmen an einer zweitägigen Tagung des Religionspädagogischen Instituts Loccum (RPI) teil, in der sie sich zu Fragen der „kultursensiblen Altenpflege“ fortbilden. Dr. Michaela Veit-Engelmann, Dozentin für Berufsbildende Schulen am RPI und Leiterin der Fortbildung, liegt dieses Thema sehr am Herzen: „Die Pflegeheime werden bunter, sowohl was die Bewohner als auch was das Personal angeht. Diese Tagung vermittelt inhaltliche und didaktische Impulse, wie man damit in der schulischen Ausbildung umgehen kann.“
Auf dem Programm steht deshalb unter anderem der Besuch bei der Bestatterin Senay Celebi in Garbsen. Sofort fällt auf, dass es bei Eslem Bestattungen anders aussieht als bei christlichen Einrichtungen. Die Sitzplätze für die trauernden Angehörigen können auf Wunsch nach Geschlechtern unterteilt werden, und es fehlt der Blumenschmuck, den man bei deutschen Bestattern gewohnt ist. Während des Vortrages dürfen alle Zuhörerinnen und Zuhörer mit hinein in den Raum, in dem die Verstorbenen rituell gewaschen und für die Beisetzung in kunstvoller Weise in Leinentücher gehüllt werden. Ganz wichtig ist dabei: Die Würde des Toten soll auch dadurch gewahrt werden, dass möglichst wenig von ihm enthüllt wird. Mit viel Geschick demonstrieren Senay Celebi und ihr Ehemann Yasin Celebi an einer Puppe, wie man das macht. „Wir sind in ganz Norddeutschland unterwegs, um muslimische Verstorbene auf die Beerdigung vorzubereiten“, erzählt Yasin Celebi. Und seine Frau fügt hinzu: „Eigentlich empfiehlt der Islam, dass das die Familien machen. Weil sie aber nicht immer die nötige Erfahrung mitbringen, übernehmen wir diese Aufgabe.“
Bereits im Vorfeld dieses Besuchs in Garbsen hatten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fortbildung mit den Themen Sterben und Tod im Christentum und im Islam auseinandergesetzt. So diskutierten sie mit Markus Lenz, Pastor in Peine und ehemaliger Leiter des Philipp-Spitta-Seniorenzentrums Peine, und der islamischen Theologin Efdal Nur Tugrul über zentrale Fragen der Seelsorge und des Glaubens. Beide berichteten von ihren Erfahrungen mit Menschen an den Grenzen des Lebens: Wie eine krebskranke Frau unbedingt noch Weihnachten erleben wollte – und in der Adventszeit friedlich einschlief, während der Seelsorger ihr die Weihnachtsgeschichte vorlas und für sie Stille Nacht sang. Oder wie die muslimischen Seelsorgerinnen und Seelsorger in Krankenhäusern nun die Aufgaben übernehmen, die eigentlich die Familien der Kranken leisten müssten, hier in Deutschland aber aufgrund ihrer Zersplitterung nicht mehr immer leisten können. Efdal Nur Tugrul, selbst als ehrenamtliche Seelsorgerin im Krankenhaus tätig, kann auch davon berichten, wie schwierig das manchmal ist: „Das muss man auch aushalten können, dass ein männlicher Patient sagt, er will nur mit einem Mann reden. Oder dass mir eine Muslima sagt, sie will nicht mich im Zimmer, sondern eine Seelsorgerin ohne Kopftuch.“ Sie versuche, das nicht persönlich zu nehmen, sondern den Kranken solche Wünsche zu erfüllen. Worüber sich Efdal Nur Tugrul allerdings sehr ärgert, ist das, was sie Volksglaube nennt: „Wenn jemand sagt, Allah straft mich mit einer Krankheit, oder jemand hat mich mit dem bösen Blick belegt oder mich mit Magie verhext, dann sage ich: Das hat mit Islam nichts zu tun. Das ist nur Volksglaube. Gott ist barmherzig und Krankheit bedeutet nicht Strafe oder Zorn.“ Pastor Markus Lenz kann eigene Geschichten dazu ergänzen. Denn Aberglauben gibt es in der christlichen Volksfrömmigkeit natürlich auch. Und oft macht er die Menschen unglücklicher, als sie es durch ihre Krankheit bereits sind.
„Es gilt, die Menschenwürde bis zum Tod und darüber hinaus zu bewahren“, so fasst Sylke Schuknecht, Lehrerin an der BBS Neustadt am Rübenberge und Teilnehmerin der Fortbildung, den zentralen Gedanken dieser zwei Tage zusammen. „Es ist unsere Aufgabe als Lehrkräfte, unseren Schülern beizubringen, dass diese Würde für Menschen verschiedener Kulturen und Religionen etwas ganz Unterschiedliches bedeuten kann.“ Die vielen Impulse, die die Tagung dazu vermittelt hat, werden nun in die Altenpflegeausbildung in Niedersachsen ausstrahlen – und der Bedarf wird wachsen, da sind sich die Lehrkräfte einig.
Text: Öffentlichkeitsarbeit des RPI Loccum / Dr. Michaela Veit-Engelmann